Kapitel 36 - Einfach nur dein sein (1)

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Alle saßen an diesem Abend betreten am Tisch. Tauschten sich aus. Redeten viel über Ivo und Gustav, über die Ereignisse im Leben, die Menschen zu denen machen, die sie sind und darüber wieviel Glück man hatte, in eine liebevolle Familie geboren zu werden.

Luca empfand nun tatsächlich so etwas wie Mitleid für Ivo. Er hatte endgültig mit ihm abgeschlossen und hoffte ihm könne geholfen werden nach dem was sein Vater bei ihm verursacht hatte.

Scharf darauf Ivo jemals wiederzusehen, war er aber definitiv nicht, dennoch konnte seine Seele nun ihren Frieden mit ihm machen und das war wirklich ein sehr befreiendes Gefühl. Fühlte es sich doch ein wenig wie Gerechtigkeit an.

Nach einem gemeinsamen Abendessen suchte Silke mit Herrn Friedemann so schnell wie möglich ihr Bett auf, sie war gezeichnet vom Tag und völlig erledigt. Emotional und körperlich.

Auch Michael und Peter gingen früh mit Röschen schlafen, nachdem sie freundlicher Weise angeboten hatten am anderen Morgen die Arbeit im Stall zu übernehmen, um Alex und Luca etwas Ruhe zu gönnen. Sie sollten ausschlafen und wirklich erst dann erscheinen, wenn sie sich gut erholt hatten, wofür die beiden äußerst dankbar waren.

Manfred und Cordula kuschelten sich vor ihren kleinen Kamin. Cordula lauschte der Stimme ihres Mannes, der ihr bei einem Tee, fest an seine Schulter gekuschelt, ihr Lieblingsbuch vorlas, so wie sie es öfter in trauter Zweisamkeit taten, nach anstrengenden Tagen, wenn sie sich gegenseitig brauchten und zusammen angenehme Zerstreuung suchten.

Luca und Alex wollten noch eine Runde am Strand spazierengehen, um den Kopf frei zu bekommen, bevor auch sie planten, sich ins Pfahlhaus zurückzuziehen. Alex lieh sich dafür eine alte Winterjacke von Manfred, denn seine hätte er erst aus dem Koffer holen müssen.

Der kalte silberne Mond warf sein Licht nun bedächtig in die eisige Nacht, ließ den Atem zweier Menschen mystisch glitzern, die fest aneinander gepresst das umschließende Dunkel durchquerten, das sie immer näher und näher an das beruhigende Rauschen des Meeres führte.

Ein Supermond prangte in dieser Nacht. Eine Nacht in der der Erdtrabant so nah wie nie der Erde war und ungehindert scheinen und verborgenes enthüllen konnte.
So, wie schon der ganze Tag im Zeichen der Enthüllung gestanden hatte.

Sanftes knirschen begleitete die Schritte der beiden jungen Männer durch den Sand, die auf einem kleinen Steg nun stehen blieben und auf die unendliches Weite des nächtlich schwarzen Ozeans blickten.
Die Nacht war die kälteste seit langem, der Winter schickte seine eisigen Vorboten und, unterstützt vom völlig wolkenfreien Himmel, erlaubte sich der eisige Hauch seine frostigen Arme, ungebremst durch wattige Puffer, über die ganze Welt zu legen.
Die salzige Meeresbrise so unglaublich klar und rein füllte die Lunge mit fast schmerzhaft gesunder Luft und berauschte nahezu in ihrer belebenden Nebenwirkung.

Das Meer schlug leise aber stetig gegen das Holzkonstrukt das kleinen Booten tagsüber ein Anlegen gewährte und sicherlich jeden Tag ein wenig mehr, dem aggressiven Salzwasser geschuldet, seiner Standfestigkeit beraubt wurde.

So war nunmal der Gang des Lebens. Alles würde irgendwann vergehen, alles stoffliche unterlag dem Prozess des Schwindens und es machte fast traurig, wenn man darüber nachdachte.
Luca sah diesen Steg, der sich trotz zehrender Gischt und eingefressener Kerben, schon lange standhaft behauptete, vermutlich länger als sein Konstrukteur erwartet hatte und er fühlte sich ein wenig wie dieser Steg, dem stetig etwas entrissen worden war, jeden Tag ein wenig mehr Kraft, so lange er hier noch gelebt hatte.
Egal, wie sehr seine Eltern versuchten die Stützpfeiler zu erneuern, auch diese wurden immerwieder vom tosenden Meer der Ignoranz und Feindlichkeit gefressen.

Doch dann sah er diesen einen bereits erneuerten Pfeiler an diesem Steg. Diesen einen Pfeiler der bedeckt war von giftgrüner Schutzfarbe. Einer Farbe die in das Holz eindrang, es durchtränkte und widerstandsfähiger machte, es vielleicht nicht in alle Ewigkeit schützen, aber stetig stark halten würde und nun sah er Alex darin.
Alex, seinen Schutzmantel, der IHN stark halten würde und Luca der Pfeiler der ihm die Verbindung erlaubte ihm einen Sinn gab und ihn an sich halten ließ, um durch ihre Verbindung der zu sein, der er sein wollte und sich so auszubreiten, wie er es ohne ihn nicht konnte.

Roswitha wird's schon richten - Möpse, Queens und wahre LiebeWhere stories live. Discover now