Kapitel 47 - Verstehen

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Ivo und Carlo lebten mittlerweile etwa ein Jahr zusammen unter einem Dach.

Sämtliche Anklagen gegen Ivo waren wegen der Unzurechnungsfähigkeit durch seine akute Seelische Erkrankung fallen gelassen worden, außer den Betrugsdelikten, die jedoch mit einer Bewährungsstrafe und Sozialstunden geahndet worden waren.

Sein Vater war nicht so glimpflich davon gekommen und inzwischen zu 10 Jahren Haft wegen diverser Betrugs- und Steuerdelikte verurteilt.

Doch um seinen Vater scherte sich Ivo nicht mehr.
Die Therapie hatte ihm geholfen ihn, soweit es eben ging, hinter sich zu lassen.
Er war für ihn gestorben und so lebte er am besten damit.

Aber Ivo hatte trotz aller glücklichen Umstände, was seine Verfehlungen vor dem Gesetzt betraf, ein paar Auflagen zu erfüllen.
Er musste sich jetzt nicht nur wöchentlich in Therapie begeben, was sowohl Psychoanalyse als auch Verhaltenstherapie beinhaltete, sondern auch seinen Bewährungshelfer aufsuchen, der darauf achtete, dass Ivo alles einhielt, was er musste und ihm sogar einen Schrauberjob in einer Werkstatt hatte vermitteln können für seine Sozialstunden.

Dieses "Schrauben statt Rauben" Projekt in der Werkstatt, die Vorbestraften und Exknackis, sowie psychisch Kranken und Ex Drogenabhängigen, eine Chance gab, war schon länger jetzt etabliert und wirklich eine wunderbare Sache für Ivo.

Er ging gerne dort hin, konnte ohne Druck seiner Arbeit nachgehen, die wirklich sinnvoll war und es gab ihm das Gefühl ein wertvoller Teil der Gesellschaft zu sein.

Oft reparierten sie die Autos von bedürftigen Leuten, die ihr kleines, uraltes Schrottmostern dringend brauchten, um ihre paar Kröten zu verdienen, aber nicht das Geld hatten in eine reguläre Werkstatt zu fahren.
Es war so etwas wie die Tafel, nur aber eben nicht als Lebenmittelladen, sondern als Werkstatt.

Wenn Ivo nach Hause kam, erwartete ihn dort dann ganz oft Carlo, der bereits gekocht oder eingekauft hatte, weil er viel Arbeit mit seiner Schreiberei für das Germanistikstudium hatte und deswegen viel zu Hause vom Computer aus arbeitete.
Er unterstützte Ivo wirklich in allen Belangen und es fühlte sich für ihn wunderbar an so angenommen zu sein, wie er war und gleichberechtigt, Hand in Hand, mit jemandem seinen Alltag zu bewältigen, der nichts unlösbares von ihm verlangte, sondern nur machbares des täglichen Zusammenlebens, und ihn einfach so nahm wie er war, mit allen Fehlern und Vorzügen.

Die Therapie machte bei Ivo auch wirklich Fortschritte, trotzdem fiel es ihm noch schwer seine Homosexualität so richtig anzunehmen bzw Erregung in gewissem Maße zuzulassen.
Er verstand, dass es nichts Unrechtes war sich in einen Mann zu verlieben und das alles wirklich genauso wunderschön und zärtlich sein konnte, wie es auch in den ganzen idealisierten Heteroliebesfilmen war, wenn man den richtigen Menschen gefunden hatte, aber es gab für ihn trotzdem ein schwerwiegendes Problem.

In ihm existierte eine schreckliche Angst. Er befürchtete, sollte er die sexuelle Erregung jemals gewinnen lassen, könne er vielleicht wieder zu dem perversen Monster werden, das sich nicht unter Kontrolle hatte, doch dieser Ivo wollte er niewieder sein.

Er vermied es akribisch Filme mit zu anregenden Szenen anzuschauen, oder im Internet auf diversen Seiten zu serven, auf denen er sich früher seine Erlösung versprochen hatte.

Carlo tat unterdessen immernoch sein Möglichstes seine Liebe für Ivo tief in sich zu verbergen, um ihn nicht zu verschrecken. Er war sich sicher, es war nicht die Zeit sich ihm zu offenbaren und würde ihre Beziehung zueinander sicherlich verkomplizieren.
Ivo sollte seinen besten Freund haben, auf den er sich verlassen konnte und bei dem er sich im sicheren Hafen wusste, auch wenn die Welt dort draußen in schlimmen Stürmen tobte.

Roswitha wird's schon richten - Möpse, Queens und wahre LiebeWhere stories live. Discover now