Das Wachsfigurenkabinet

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Bildquelle: http://blog.gruppenreisen-frankreich.de/musee-grevin-wachsfigurenkabinett-made-in-paris-3146/dscf2245/

Wir wollten zuerst ins Wachsfigurenkabinet. Bis dorthin war es nicht weit und so liefen wir zu Fuß. Riesige mehrstöckige Häuser ragten rechts und links von uns empor und überall prangten Werbung oder Schilder, die die Namen der Läden verrieten. Autos fuhren auf der Straße hin und her und Passanten hasteten an uns vorbei. Manche redeten mit ihren Begleitern, aber da ich kein Französisch sprach, konnte ich sie nicht verstehen. Die Sonne schien warm auf uns nieder, doch der unangenehme Geruch von Abgasen lag in der Luft, den ich nicht gewohnt war und der mir in der Nase kitzelte. Wir kamen an vielen Cafés vorbei, in denen die Leute draußen saßen und einen Kakao oder Kaffee tranken.

Das Musée Grévin war schon von weitem zu erkennen. Die goldenen Verzierungen waren nicht zu übersehen. Beinahe ehrfürchtig betraten wir den Eingangsbereich, der mit rotem Teppich ausgelegt war. Bereits hier konnten wir erste Berühmtheiten aus Wachs auf Plakaten bewundern. Wir standen etwa zehn Minuten an, bis wir Eintritt bezahlen konnten, wobei ich nicht wusste, ob das normal war. Dann waren wir drinnen. Die Gänge mit den steinernen Wänden, durch die wir kamen, waren nur spärlich beleuchtet. Dann, als wir weitergingen, wurde es hell und sowohl Wände als auch Boden waren nun mit rotem Stoff und golden eingerahmten Spiegeln verkleidet. Hier und da standen schon erste Wachsfiguren, die wirklich wie Menschen aussahen. In einem Raum standen auch goldene mit rotem Stoff bezogene Sofas. Alles machte einen sehr edlen Eindruck. Wir gingen durch eine Tür in ein zwei Treppen langes Treppenhaus, in dem allerdings überall Spiegel hingen, sodass es uns riesig vorkam. Wir warteten wieder ein paar Minuten, bis wir weitergelassen wurden. Ein sehr edel gekleideter Mann machte uns schließlich die vergoldete Tür am oberen Ende der Treppe auf. Wir gingen durch einen dunklen Gang, bis wir schließlich in einen runden Raum kamen, der ebenfalls spiegelnde Wände hatte. Als alle drin waren, ging das Licht aus. Was dann geschah kann man nicht beschreiben, das muss man mal erlebt haben. Mit Lichtspielen und Lampen, die sich tausend Mal in den Spiegeln wiedergaben, verschieden gekleideten Wachsfiguren und Musik durften wir ein einzigartiges Schauspiel erleben, das ich sicher nie vergessen werde. Ich hatte noch weiche Knie, als wir schließlich durch eine andere Tür weiter durften.

Wir gelangten jetzt in das eigentliche Museum. Überall waren Menschen aus Wachs. Cole war ganz begeistert von den Berühmtheiten, die ich allerdings nicht kannte. Ich war trotzdem überwältigt. Und es waren viele Figuren. Mir taten ein bisschen die Füße weh, als wir schließlich zum Souvenirshop am Ende des Museums kamen. Wir hielten uns nicht lange auf und gingen direkt nach draußen. Eine Einkaufsstraße empfing uns, die mit Glas überdacht war. Wieder eine Überraschung, die ich mir nicht vorgestellt hätte. Ich hätte nicht mal gedacht, dass es so etwas überhaupt gibt. Wir gingen die Straße bis zum Ende, sie war nicht sehr lang, und schauten dann erneut auf die Karte. Jace ließ mich den Kinderwagen schieben, während er Finn auf dem Arm trug. Der kleine war jetzt doch sehr unruhig und quängelte so herzerweichend, dass ich ihm am liebsten irgendwie geholfen hätte, aber ich hatte keine Ahnung, wie man mit Kindern umging. Jace schaukelte ihn ein bisschen und ging mit ihm auf und ab, doch es half nichts.

„Ich glaube, er will einfach schlafen“, meinte Jace. „Und es ist ziemlich laut für ihn.“

„Und was sollen wir jetzt machen?“, fragte ich.

„Ich werde mit ihm wohl wieder nach Hause gehen“, sagte er achselzuckend.

„Dann verpasst du ja den Eiffelturm“, bedauerte ich.

„Ich hab ihn doch schon das letzte Mal gesehen“, meinte er, legte Finn wieder in den Wagen und legte seine Hände an den Giff. Ich trat einen Schritt zur Seite. „Macht euch einen schönen Tag“, sagte er, zwinkerte und wandte sich zum Gehen.

„Warte!“, rief Cole, lief zu ihm und holte den Rucksack mit unserem Picknick aus dem unteren Fach des Kinderwagens.

„Ach ja, den bräuchtet ihr vielleicht noch“, grinste Jace und ging endgültig.

Als er weg war, widmeten wir uns wieder der Karte. „Ich würde sagen, wir fahren mit dem Bus zum Eiffelturm, sonst ist das so lang“, schlug Cole vor und ich hatte nichts dagegen. Also gingen wir zur nächsten Haltestelle, die nicht allzu weit entfernt war.

Wir mussten zehn Minuten warten, bis der nächste Bus zum Eiffelturm fuhr. Wir setzten uns auf eine Bank und sahen den Autos, wie sie an uns vorbeifuhren, und den Passanten, wie sie an uns vorbeigingen, zu.

„Das Wachsfigurenkabinet war toll, oder?“, fragte Cole.

„Ja, der Wahnsinn. Ich hätte nie gedacht, dass es so etwas gibt, dass man so etwas machen kann, dass eine Stadt so etwas zu bieten hat. Ich weiß nicht, wie ich das ausdrücken soll“, ich machte eine hilflose Handbewegung. „Das ist alles so neu und ungewohnt und überwältigend.“

Er nickte verständnisvoll. Dann legte er den Arm um meine Schultern. Ich lehnte mich zurück und genoss diesen Moment. Wo sein Arm mich berührte wanderten warme Wellen durch meinen Körper. In seinen Armen fühlte ich mich aufgehoben und ich wusste, dass ich das nie wieder missen wollte.

Als ich meine Augen schloss und lauschte, konnte ich Motorengeräusche und Autos hupen hören. Außerdem Kinder, die schrien und Erwachsene, die sich unterhielten. Ich hätte so gerne gewusst, über was sie sprachen.

Schließlich kam der Bus und wir mussten aufstehen. Cole nahm den Rucksack und kramte das Portemonnaie hervor. Außer uns stieg noch eine alte Dame ein, die eine sehr faltige Haut hatte.

Ich hatte mir nie wirklich Gedanken darüber gemacht, ob Cole Französisch sprach, oder nicht. Als er es jetzt tat, klang es wie Musik in meinen Ohren. Wie eine Melodie, auch wenn er nur wenige Worte mit dem Busfahrer sprach, der ich stundenlang lauschen könnte. Schließlich war er um einige Euro ärmer und um zwei Tickets reicher. Er steckte beide ins Portemonnaie, nahm mich an der Hand und führte mich zu einem Zweiersitzplatz. Ich durfte zuerst reinrutschen, sodass ich am Fenster saß.

So konnte ich in aller Ruhe die Häuser, Menschen, Laternen, Brücken und Autos beobachten, an denen wir vorbeifuhren. Die Seine glitzerte im Sonnenlicht und die Fenster spiegelten den Himmel. Es war traumhaft schön.

Und dann hielt der Bus. Wir steigen aus. Da stand er in seiner vollen Größe. Ich legte meinen Kopf in den Nacken, um das Ende zu erkennen. Ja, da stand er: der Eiffelturm.

-Hallo Leseratten,
Hier habt ihr wieder ein Kapitel. Das Wachsfigurenkabinet und die Show ist wirklich extrem cool. Das heißt: Wenn ihr mal nach Paris kommen solltet, müsst ihr, nach dem Eiffelturm natürlich, da unbedingt hingehen!
Viel Spaß beim Lesen!

Euer readerbunny01-

Tränen von BlutWhere stories live. Discover now