Verzweiflung

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Bildquelle: http://spruchbilder.com/12171/alleine-sein

-Hallo Leseratten,
Ich finde es cool, dass ihr weiterhin mein Buch lest. Mir ist aufgefallen, dass der Titel nicht perfekt passt, weil mit Gestaltenwandlern hat die Geschichte eigentlich wenig zu tun. Hat jemand eine Idee für einen neuen? Ich freue mich über K&V! Viel Spaß beim Lesen!

Euer readerbunny01-

Ich wachte auf, oder vielleicht tat ich es auch nicht. Das grelle Licht blendete mich durch die Lider hindurch. Ich hatte gehofft, nach dem Tod würde es dunkel bleiben. Stattdessen war es, als würde ein neues Leben beginnen. Ich lag auf etwas Weichem und es war angenehm warm. Ich versuchte, mich zu bewegen. Als ich an Julians Schule gekommen war, hatte ich einmal so Muskelkater gehabt, dass ich mich nicht hatte bewegen können, ohne Schmerz zu empfinden. Irgendwann hatte sich mein Körper an den strengen Trainingsplan gewöhnt und ich hatte nie wieder Muskelschmerzen gehabt. In diesem Moment fühlte ich mich an dieses Gefühl zurückerinnert, denn es war genau das Gleiche. Eine einzige Bewegung versetzte meinen Körper in Flammen und ich stöhnte auf.

„Mira." Die Stimme kannte ich. Ich wusste nur nicht mehr, woher. Die Person nahm meine Hand. „Wie geht es Dir?"

Ich blinzelte. Dann öffnete ich langsam die Augen. Die Frau, die an meinem Bett saß, hatte blonde Haare. Als sich mein Blick schärfte, erkannte ich Linda.

„Wie geht es dir?", fragte sie noch einmal.

„Ganz", meine Stimme kratzte und ich räusperte mich, „gut."

„Okay, soll ich Jace holen gehen? Er wird sich sehr freuen, dass du lebst. Er scheint mehrere Leben zu haben." Sie lächelte und stand auf. „Ich sag ihm Bescheid." Damit verließ sie den Raum. Ich genoss die Stille und schloss kurz wieder die Augen.

Dann hörte ich Schritte näherkommen und schaute auf. Es war Jace und außer, dass er sehr erschlagen und müde wirkte, schien ihm nichts weiter zu fehlen. Erleichtert lächelte ich.

„Mira", sagte er und setzte sich auf meine Bettkante, „ich bin so froh, dass du endlich aufgewacht bist."

„Wie lange war ich denn weg?", fragte ich.

„Eine ganze Woche", antwortete er und strich über meine Bettdecke. „Wir haben euch mit dem Hubschrauber nach Hause geflogen."

Erst jetzt fiel mir auf, dass ich eigentlich nicht in meinem Zimmer in der Schule liegen dürfte, sondern in dem Billighotel in Detroit. Als mir einfiel, warum wir in Detroit gewesen waren und was passiert war, wich alles Blut aus meinem Gesicht.

„Was ist mit Cole?", fragte ich leise. Ich wollte die Antwort gar nicht wissen, aber ich musste es. Ich brauchte die Gewissheit. Dennoch hatte ich Angst.

Jace seufzte. „Sein Herz schlägt noch, aber er ist mehr tot als lebendig. Seine Chancen sind sehr gering. Er wäre sicher schon verblutet, wenn du nicht auf ihm gelegen hättest und die Blutung nicht gestoppt hättest. Aber es ist sehr wahrscheinlich, dass es nichts gebracht hat."

Ich fing an zu weinen. Es war eine so tiefe Trauer, die entstand, weil auf einmal etwas fehlte. Eine andere Trauer als in Richards Labor. In dem Moment hatte man es mir genommen und nun fehlte es. Ich war mir sicher, es würde nicht mehr wiederkommen, wenn Cole starb. Oh nein, Cole und Sterben. Das waren zwei Worte, die nicht in einem Satz erwähnt werden durften. Cole durfte nicht sterben. Das würde ich nicht ertragen. Er hatte gesagt, dass er mich liebte. Er hatte gesagt, dass er mich heiraten wollte und würde.

„Hey", meinte Jace sanft, „noch lebt er." Na toll. Er sah mir nicht direkt in die Augen, denn das konnte er nicht. Die Tränen liefen und liefen und liefen.

„Kann ich zu ihm?", flüsterte ich heiser.

„Wenn du aufstehen kannst. Spätestes morgen. Je nach dem, wie schnell sich dein Körper regeneriert", meinte Jace und ich fragte mich unwillkürlich: Wenn Cole bis dahin noch lebt. So etwas durfte ich nicht denken.

Irgendwann ging er wieder mit dem Versprechen, mir Bescheid zu sagen, wenn sich Coles Zustand änderte. Ich war froh, dass er ging. Nicht, weil ich ihn nicht gerne bei mir gehabt hätte, sondern, weil ich wollte, dass er zu Cole ging, dass Cole nicht alleine war.

In der Nacht fand ich keinen Schlaf. Die Schmerzen schwanden zwar allmählich, aber die Angst um Cole ließ mich kein Auge zutun. Am nächsten Morgen waren meine Augen von den getrockneten Tränen ganz verklebt. Ich hob meinen Arm. Er tat nicht weh. Ich schlug meine Decke zur Seite und schwang meine Beine aus dem Bett. Dann versuchte ich langsam, aufzustehen. Mir wurde sofort schwindelig und ich musste mich wieder hinsetzten. Als ich es noch einmal versuchte, reichte es schon, dass ich mich am Bettpfosten festhielt. Ich verließ mein Zimmer, als es einigermaßen ging, und taumelte die Gänge entlang. Mehrmals musste ich mich noch an den Wänden festhalten, weil mein Blick zu flimmern begann. Dass mir die anderen Schüler verwundert hinterherschauten, weil ich erstens meinen Schlafanzug anhatte und zweitens sehr mitgenommen aussah, ignorierte ich. Ich hatte ein Ziel. Barfuß lief ich über den Innenhof zu dem Jungentrackt. Meine Schritte wurden immer sicherer, bis ich zum Schluss sogar laufen konnte. Ich verweilte nicht lange vor Coles Zimmertür, sondern öffnete sie sofort.

Vor den Fenstern hingen Vorhänge und dämmten so das Licht. Jace war nicht da. Cole lag in seinem Bett. Er war ungesund blass. Seine Augen zuckten hinter seinen geschlossenen Lidern. Schweiß bildete sich auf seiner Stirn und rann seine Schläfen hinab. Ich setzte mich auf seine Bettkante und griff nach dem Lappen in der Wasserschale, die auf seinem Nachtisch stand. Ich frang den Lappen aus und zupfte behutsam den Schweiß von seinem Gesicht. Er beruhigte sich etwas, ich konnte seinen Atem ruhiger werden hören und seine Augen zuckten nicht mehr ganz so wild. Eine Träne rollte meine Wange hinunter und tropfte auf meine Hose.

„Du hast mir gesagt, dass du mich heiraten willst, Cole", flüsterte ich leise. „Und dass du mich liebst. Halte ein, was du gesagt hast." Mir war klar, dass er mich wahrscheinlich nicht hören konnte. Trotzdem sagte ich: „Ich liebe dich."

Ich saß den ganzen Tag bei ihm. Zwischendurch kam Jace, erkundigte sich und als er sah, dass sich nichts verändert hatte und merkte, dass ich lieber alleine mit Cole sein wollte, ging er wieder. In dem Zimmer herrschte durch die Vorhänge ein ewig dämmriges Licht, sodass ich jegliches Zeitgefühl verlor. Das einzige, worauf ich wirklich achtete und was mir bewusst war, war, dass Cole noch lebte, auch wenn sich sein Zustand nicht verbesserte.

Ich saß Wochen an seinem Bett, ohne dass sich etwas tat, und wurde immer verzweifelter. Cole musste einfach wieder aufwachen. Eine Welt ohne ihn war doch keine Welt. Nicht für mich.

Ich weinte viel in der Zeit. Oft rief er meinen Namen in seinen Fieberträumen und ich versicherte ihm immer wieder, dass ich da war, dass ich nicht von seiner Seite weichen würde.

Und dann von einem Tag auf den anderen war es zu Ende.

Tränen von BlutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt