Erlösung

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-Hallo Leseratten,
Dieses Kapitel ist ein ganz besonderes, denn es ist sozusagen der Höhepunkt des Romans. Ich freue mich wie immer über K&V und auch über Kritik und Verbesserungsvorschläge, denn nur so kann ich etwas verbessern. Viel Spaß beim Lesen!

Euer readerbunny01-

Ich war ruhig. Ganz entspannt saß ich im Autositz und schaute aus dem Fenster. Mein Atem ging gleichmäßig, meine Hände lagen locker in meinem Schoß zusammengefaltet. Ich dachte an unseren Plan. Alles war genauestens durchgesprochen. Eigentlich konnte nichts mehr schiefgehen.

Wir hielten auf dem Parkplatz und ich stieg aus. Ich rückte meine Jacke zurecht, steckte das Messer, das ich während der Fahrt in meiner Tasche gehabt hatte, in meinen Hosenbund und nahm einen Pflock in die Hand. Die Autotüren wurden zugeschlagen und ich ging Richtung Eingangstür des Krankenhauses. Cole, Jace und Lorelay folgten mir, Linda war im Hotel geblieben. Es war einfach zu gefährlich für einen Menschen. Ich hatte gemeint, dass Cole genauso verletzlich war wie sie und er meinte, ich sollte ebenfalls nicht mitkommen, aber wir waren beide zu dickköpfig dafür.

Der Himmel war wie immer grau und eigentlich war nichts anders als beim ersten Mal, als wir hergekommen waren. Doch es war alles unterschiedlich. Unser Vorhaben lastete schwer. Nach diesem Tag würde ich nicht mehr dieselbe sein.

Ich stieß die Tür auf und betrat den Eingangsbereich. Auch hier hatte sich nichts verändert. Es war ja auch erst gestern gewesen, dass wir zuletzt hier gewesen waren, und doch kam es mir vor wie Jahre. Wir gingen ins Treppenhaus und stiegen die Stufen hinauf. Als wir schließlich vor der weißen Tür im obersten Stockwerk standen, fing es an. Ich spürte ein komisches Gefühl in Brust und Bauch. Als würde mein Herz unendlich viel schneller schlagen als sonst, obwohl das gar nicht möglich war. Mein Puls und Atem beschleunigten sich ebenfalls und meine Hände begannen zu zittern. Ich versuchte, tief durchzuatmen. Lorelay ging vor und öffnete die Tür. Wir stürmten das Zimmer. Plötzlich blieb meine Tante stehen, erstarrte und fiel dann zu Boden. Ein Holzpflock steckte in ihrer Brust. Ihr Atem war nur noch schwach. Sie war die erste gewesen, sie war in die Falle getappt. Cole hockte sich neben sie und zog das Stück Holz aus ihrer Brust, während Jace auf Richard losging. Er saß auf einem der weißen Sofas und lächelte.

„Ich habe mich vorbereitet", sagte er und stand auf. Unter seinem schwarzen Mantel zog ein Messer und einen Holzpflock hieraus und trat Jace entgegen. Mein Bruder holte zuerst aus, doch der Angriff wurde von Richard ohne große Mühe geblockt, bevor dieser ebenfalls zu einem Schlag ausholte. Die beiden lieferten sich einen erbitterten Kampf, wobei Jace schnell außer Atem war, denn erstens waren die Angriffe des älteren Vampirs viel zu stark und zweitens war es für Richard viel einfacherer, die Schläge zu blocken. Ich stellte mich neben Jace und versuchte, ihm zu helfen. Auch ich konnte bald nicht mehr, während unser Gegner noch frisch und munter aussah. Alle meine Muskeln schmerzten und der Schweiß brannte in meinen Augen und nahm mir die Sicht. Doch als auch Cole dazukam, konnten wir Richard mit vereinten Kräften zur Wand drängen. Ich konnte die Überraschung darüber und auch ein wenig Angst in seinen Augen sehen. Dann verengten sie sich zu Schlitzen. Es war mehr eine Vorahnung als Gewissheit, doch plötzlich bekam ich Angst, obwohl wir es fast geschafft hatten. Ich wusste, irgendetwas Schlimmes würde geschehen, doch ehe ich reagieren konnte, hatte das Messer, das eben noch in Richards Hand gewesen war, bereits eine tiefe Furche in Coles Bauch gegraben und das Blut sprudelte nur so heraus. Ich konnte nicht reagieren. Ich wollte zu meinem am Boden liegenden Freund laufen und irgendwas tun. Aber ich wollte auch mich für das rechen, was er meiner Familie angetan hatte. Ja, meiner Familie. Ich blieb wie erstarrt stehen. Meine Augen waren weit aufgerissen und alles verschwamm mit einem Mal. Jace war der einzige, der nun noch kämpfte. Ich ließ mich neben Cole auf die Knie fallen und versuchte, seine Wunde abzudecken, das Blut zu stoppen, doch sie war zu groß. Meine Hände konnten nicht alles verdecken.

„Mira", flüsterte Cole und erbrach Blut.

„Sht", machte ich, „mach dir keine Sorgen. Es ist schlimmer, als es sich anfühlt." Meine Stimme kratzte und meine Tränen verrieten mich, verrieten, dass ich selbst nicht glaubte, was ich sagte. Vermutlich war es schlimmer, als es aussah.

„Mira, ich", wieder kam er nicht weiter.

„Ja, Cole, ich liebe dich auch, aber spare deine Kräfte. Du wirst sie noch brauchen"

Er lächelte, aber schüttelte den Kopf. Dann schloss er die Augen.

„Nein!", schrie ich. „Cole, mach die Augen wieder auf! Du musst durchhalten! Ich brauche dich!" Doch er machte sie nicht wieder auf. Verzweifelt sah ich zu Jace. Er schaute mir kurz in die Augen, ich konnte ihm seine Sorge ansehen, und war nur für einen Moment abgelenkt, aber dieser Moment reichte aus. Der Pflock steckte so schnell in seiner Brust, dass er gar nicht reagieren konnte. Er taumelte, sein Gesicht schmerzverzerrt, und fiel auf den Glastisch hinter ihm. Sämtliche Röhrchen und Reagenzgläser gingen zu Bruch. Jace' Stöhnen riss mich aus meiner Erstarrung. Eine unbändige Wut packte mich. Ich sprang auf, riss den Holzpflock aus Jace' Brust und trat Richard entgegen. Ich kämpfte verbissen, krampfhaft, wütend. Die Trauer und die Wut entfesselten in mir ungeahnte Kräfte und ließen mich allen Schmerz und alles andere vergessen, jedes Gewissen, das ich einmal gehabt hatte. Ich hörte nicht auf, auf ihn einzuschlagen, bis aus seinen Augen das Leben wich. Ich ließ erst von ihm ab, als er tot war.

So stand ich in dem Raum und weinte. An der Tür lag Lorelay. Auf dem Tisch lag Jace. Auf dem Fußboden lag Cole. Ich war die einzige, die noch stand. Keiner bewegte sich. Ich ließ das Messer fallen und irgendwie landete ich wieder neben Cole. Er lebte noch. Noch. Wieder versuchte ich, das Blut zu stoppen, das aus seinem Bauch quoll. Ich sah auf meine Hände. Sie waren voller Blut. Blut. In diesem Moment setzte der Schmerz ein. Das Gefühl, als zöge sich meine Kopfhaut zusammen und dehnte sich wieder aus. Coles Herzschlag war so schwach und langsam, dass sie sich schier endlos auseinanderzog. Es fühlte sich an, als zerreiße sie. Meine Muskeln zitterten vor Überanstrengung und schmerzten ebenfalls. In meinem Magen tat sich ein riesiges Loch auf, das gefüllt werden wollte. Es war nicht auszuhalten. Meine Kehle brannte und meine Eckzähne lechzten nach der roten Flüssigkeit an meinen Fingern. Ich schloss die Augen. Vor meinen Lidern wurde es rot. Ich legte mich hin, auf Coles Bauch, und weinte. Ich durfte dem Drang nicht nachgeben, ich durfte sein Blut nicht trinken, ich musste widerstehen. Meine Muskeln fühlten sich an, als stünden sie in Flammen, als stünde mein ganzer Körper in Flammen, aber ich durfte nicht nachgeben. Aus meiner Nase lief eine warme flüssige Substanz und ich wusste, dass es Blut war. Es mischte sich mit Coles und dem von Richard an meinen Händen. Meine Lippen begannen zu beben, meine Zähne zu klappern.

„Cole, Cole", murmelte ich heiser. „Warte, ich komme mit."

Das Rote hinter meinen Lidern schwand einem Schwarz. Einem so tiefen, kalten Schwarz, dass ich unwillkürlich an das Ende dachte. Ich ließ mich fallen, mit der Hoffnung, nun zu sterben.

Und ich war glücklich.

Tränen von BlutUnde poveștirile trăiesc. Descoperă acum