Der Arzt

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Bildquelle: http://www.haar-teile.de/images/mann-lange-haare-gegelt.jpg

-Hallo Leseratten,
Wie immer freue ich mich über K&V! Genießt das Kapitel. Viel Spaß beim Lesen!

Euer readerbunny01-

Coles Schulter war wesentlich gemütlicher als das Bett, in dem ich die Nacht verbracht hatte, und so nickte ich ein. Von der Fahrt bekam ich also nicht viel mit. Cole weckte mich mit einem Kuss. Ich lächelte ihn an und sah aus dem Fenster. Ein großes, weißes Gebäude zog alle Blicke auf sich. Vor dem Krankenhaus befand sich ein großer Parkplatz und an den Seiten waren Bäume, Büsche und Unmengen an Unkraut. Unseres war das einzige Auto weit und breit. Wir stiegen aus und der Taxifahrer fuhr wieder weg. Jace ging zur Tür und stieß sie auf. Im großen Eingangsbereich war alles dunkel, nur durch wenige Fenster, die nicht von außen mit Grünzeug zugewachsen waren, schien das ohnehin schon trübe Licht. Kein einziger Farbklecks verschönerte den Raum und an Mobiliar war auf jeden Fall sehr gespart worden. Mit langsamen Schritten näherten wir uns dem Empfangstresen, hinter dem niemand stand und der mit einer Staubschicht überzogen war. Dieses Krankenhaus schien eindeutig nicht mehr in Betrieb zu sein. Vielleicht, weil der dazugehörige Arzt fort oder sogar tot war.

Wir wollten gerade wieder umkehren, als ich aus den Augenwinkeln einen Schatten wahrnahm. Ich schaute in die Richtung. An der Wand war ein Durchgang auf einen anderen Gang. Ich ging auf die Öffnung zu. Da war er schon wieder. Eindeutig: Da schlich jemand auf dem Gang herum. Blitzschnell sprang ich vor, packte den Schatten und drückte ihn gegen die Wand. Es war ein Mann mit langen, grauen Haaren und einem wirren Ausdruck in den Augen. Er war sehr dünn und seine Haut war von Falten und Narben übersäht. Er hatte Bissspuren am Hals und an den Händen. Wegen seines Gewandes konnte ich die Arme nicht weiter überprüfen. Ich konnte seine Herz schlagen und sein Blut rauschen hören, also war er ein Mensch. Er roch nach Schweiß und Angst. Sein Hals war so dürr, dass ich Angst hatte, ihn zu zerquetschen. Deshalb ließ ich ihn wieder los und trat einen Schritt zurück, um Jace mit ihm sprechen zu lassen.

„Wir suchen Richard Gale“, sagte dieser. „Weißt du, wo wir ihn finden können?“

Der Mann sagte kein Wort und schüttelte hastig den Kopf. Er sah aus, wie ein eingeschüchtertes Kind.

„Bist du dir sicher?“, fragte Jace noch einmal. Wieder schüttelte der Mann den Kopf. „Bist du dir sicher?“ Diesmal war Jace' Stimme nicht mehr nett. Sie klang wie ein Knurren und Fauchen gleichermaßen und er ließ kurz seine Vampirzähne aufblitzen.

Der Mann jaulte angsterfüllt auf und sagte dann mit zittriger Stimme: „Er... er ist in... in seinem Labor.“

„Und wo ist das?“, fragte Jace, nun wieder freundlich.

Der Grauhaarige schüttelte zwar den Kopf, antwortete aber: „Im Turm. Es führt nur die Haupttreppe bis nach ganz oben. Es ist nicht zu verfehlen.“

„Danke“, sagte Jace. „Wenn wir uns irgendwie revanchieren können, sag bescheid.“ Der Mann starrte ihn einen Moment entgeistert an, dann flüchtete er in den dunklen Gang hinein, ohne noch ein Wort zu verlieren. „Der arme“, meinte Jace, mehr zu sich selbst, und schaute ihm nach, „über die Einsamkeit und die Grausamkeit, mit der man ihm Tag für Tag das Blut geraubt hat, ist er verrückt geworden. Normalerweise bleiben keine Narben.“ Dann drehte er sich abrupt um und ging Richtung Treppen.

Ich hatte nicht das Gefühl, dass in diesem Gebäude geheizt wurde. Es war nur dort hell, wo Fenster waren, und überhaupt war es viel zu still für ein Krankenhaus. Ich war zwar noch nie in einem gewesen, außer ich konnte mich nicht mehr erinnern, aber in den Filmen, die man uns gezeigt hatte, waren immer Krankenschwestern und Ärzte von einem Raum in den nächsten geeilt, wurden Betten hin - und hergeschoben oder konnte man Kinder schreien hören. Hier war nichts von alldem. Wie in einem Geisterhaus. Ich bekam eine Gänsehaut.

Tränen von BlutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt