Stolpersteine

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Bildquelle: http://spruchbilder.com/9004/die-seele-eines-menschen-ist-wie-ein-see

-Hallo Leseratten,
Cool, dass ihr immer weiterlest. Eine Ankündigung: Ich werde das Buch demnächst umbenennen, weil der Titel, wie ich finde, nicht wirklich gut passt. Es wird "Tränen von Blut" heißen. Ich freue mich wie immer über K&V! Viel Spaß beim Lesen!

Euer readerbunny01-

Ich kam wie jeden Morgen an sein Bett, setzte mich und begann, mit dem Lappen sein Gesicht abzutupfen. Es war nicht so feucht wie sonst und er lag ruhig da. Zu ruhig. Ich fühlte seine Stirn. Sie war nicht kalt wie sie es bei einem Toten gewesen wäre. Ich prüfte seinen Puls. Er war kräftiger geworden. Hoffnung keimte in mir auf.

„Cole?", flüsterte ich leise, „kannst du mich hören?" Ich nahm seine Hand in meine. „Cole?" Es mochte ein Gefühl geboren aus der Hoffnung gewesen sein, oder ich bildete es mich nur ein, aber ich spürte einen leichten Händedruck seinerseits. Nun hielt mich nichts mehr. Ich sprang vor, umarmte ihn und küsste ihn. Als ich mich wieder zurück setzte, konnte ich ein schwaches Lächeln auf seinen Lippen erkennen. Das Gefühl übergroßer Erleichterung durchströmte mich und ich spürte, wie alle Anspannung von mir abfiel und dass ich überglücklich war. Cole lebte. Er hatte zwar immer noch die Augen geschlossen, aber er war mehr oder weniger bei Bewusstsein und es ging ihm besser. Er lebte und er würde wieder gesund werden. Wir würden heiraten und Anna und Elena adoptieren und aus dem Kinderheim holen. Und wir würden eine Familie ohne große Probleme sein, denn Richard gab es nicht mehr.

„Cole, warte einen Moment. Das muss ich unbedingt Jace sagen. Der wird sich freuen", sagte ich und sprang auf. Zu dumm, dass die Schule so groß war. Es dauerte mindestens zehn Minuten, bis ich in Julians Büro angekommen war. Jace stand mit Finn auf dem Arm an einem der großen Bücherregale. Offensichtlich hatten sie den kleinen schon wieder von Emma, die sich um ihn kümmern sollte, während wir in Detroit waren, abgeholt. Jace blätterte in einem der Bücher. Als ich durch die Tür gestürmt kam, sah er alarmiert auf.

„Komm!", rief ich, „Cole ist bei Bewusstsein!" Ich lief zu ihm und umarmte ihn. Dann drückte ich Finn einen festen Kuss auf die Stirn und zog Jace an der Hand mit mir. Seine Miene zeigte nichts. Er war vorsichtig: Würde er zu viel Hoffnung zulassen, würde ihn die Enttäuschung zerstören, falls ich nicht recht haben sollte. Aber ich wusste es. Cole lebte und würde leben und dafür würde ich alles tun. Es fühlte sich an, als würde mein Herz vor Glück überlaufen.

Ich stieß die Tür zu Coles Zimmer auf und schob Jace hinein. Cole hatte die Augen zu und fast hatte ich Angst, er sei wieder ins schwarze Reich der Ohnmacht abgetaucht, aber dann lächelte und blinzelte er sogar. Jace blieb mitten im Zimmer stehen. Ungläubig sah er auf Cole hinab, doch langsam breitete sich ein Lächeln auf seinen Lippen aus und kurz darauf strahlte er übers ganze Gesicht.

Cole öffnete den Mund und sah aus, als wolle er etwas wichtiges sagen. Ich ging zu ihm und beugte mich ganz dicht über seine Lippen. Er konnte es sich nicht verkneifen, mir einen Kuss auf mein Ohr zu geben, bevor er leise krächzte: „Wasser... Hunger."

Ich richtete mich wieder auf und gab Jace Anweisungen. „Du bleibst hier bei Cole, ich besorg was zu trinken und zu essen." Damit verschwand ich aus dem Zimmer. Ich war so erfreut, dass ich auf dem Weg in die Küche sogar zu singen anfing. Bei jedem Schritt hüpfte ich ein bisschen höher. Wie ein Ballon, der seine Last verliert. Als ich in der Küche ankam, fragte ich freundlich: „Hallo, ähm ich hätte gerne ein Glas Wasser und etwas zu essen, wenn das ginge?"

„Ah, Mira", Linda kam mir entgegen, „du siehst so gut gelaunt aus. Wie geht es Cole?"

„Er ist endlich aufgewacht und hat sogar schon Hunger", erzählte ich und folgte ihr zu einem Schrank mit Gläsern.

„Na dann wollen wir ihn mal nicht lange warten lassen", meinte sie, füllte das Glas mit Wasser aus der Leitung und gab es mir. „Geh damit schon mal vor, ich komme gleich mit einem Frühstück nach."

Ich nickte und ging wieder. Auf dem Rückweg konnte ich leider nicht hüpfen, sonst wäre das Wasser übergeschwappt und das wollte ich nicht riskieren. Als ich in Coles Zimmer kam, inspizierte Jace gerade Coles Wunde. Cole biss tapfer die Zähne zusammen, lag aber sehr verkrampft da. „Oh", sagte ich, weil ich nicht erwartet hatte, Cole mit nacktem Oberkörper anzutreffen. Dann trat ich aber näher. Die Wunde sah sehr groß und schmerzhaft aus. Das Fleisch wölbte sich an den Seiten und an den Rändern hatte sich bereits wieder eine dünne Hautschicht gebildet. Der Rest war mit Schorf verkrustet.

Jace interpretierte meinen Ausruf falsch und sagte, was mich aber dennoch interessierte: „Die Wunde ist nicht tief genug, um innere Organe verletzt zu haben. Das ist gut. Aber sie ist trotzdem tief genug gewesen, um dich, Cole, in Lebensgefahr zu bringen. Auch jetzt würde ich dich nur mit sehr viel Vorsicht aufrichten und aufstehen oder gehen geht gar nicht. Die Gefahr ist zu groß, dass die Wunde wieder aufreißt." Dann nahm er ein vorher präpariertes Tuch, er hatte das schon öfter gemacht und danach hatte immer das ganze Zimmer nach dem Sud gestunken, und lebte es auf Coles Bauch. Es schien höllisch zu brennen, denn Cole zog scharf die Luft ein und presste seine Augen fest zusammen. Dennoch oder gerade deswegen stahl sich eine Träne aus seinem Augenwinkel. Ich ging schnell zu ihm und nahm seine Hand. Er presste sie ebenfalls fest zusammen, aber ich wollte ihm helfen, so gut es ging, und sagte deshalb nicht, dass es wehtat. Als Jace dann auch noch den Verband fest drum herum band, stöhnte Cole schmerzerfüllt auf. Ich legte meine Hand auf seine Stirn und drückte dagegen. Schließlich war Jace fertig und deckte ihn wieder bis zu den Schultern zu. Irgendwann gewöhnte sich Cole an das Gefühl an seinem Bauch oder der Sud verlor an Schärfe, denn Cole beruhigte sich und ich gab im das Glas. Er trank es vollständig aus und krächzte ein „Danke." Dann fragte er: „Was ist passiert?"

Ich wechselte mit Jace einen Blick. Dann begann Jace zu erzählen: „Nachdem du verwundet warst, hat Mira versucht, die Blutung irgendwie zu stillen und ich habe in der Zeit gegen Richard weitergekämpft. Aber ich hatte keine Chance, oder ich war nicht gut genug. Ich hab es nicht geschafft. Er hat mir ebenfalls einen Holzpflock in die Brust gebohrt. Als ich wieder aufgewacht bin, lagt ihr alle wie tot da und Richard war es auch. Und Lorelay. Was dazwischen passiert ist, weiß ich nicht." Beide sahen zu mir.

„Ich war einfach so wütend und traurig und... Ich wollte nichts anderes, als euch zu rächen, weil es sah ja wirklich so aus, als wärt ihr beide in nächster Zeit tot", gestand ich. „Nachdem ich Richard dann mit deinem Pflock", ich nickte zu Jace, „getötet hatte, bin ich zusammengebrochen und ab da weiß ich nichts mehr." Ich zuckte mit den Schultern.

„Weißt du, was ich glaube?", fragte Jace. „Ich glaube, du hast dich dem Blutdurst widersetzt. Du hast dich ihm so lange widersetzt, bis dein Körper davon Schaden genommen hat. Ähnlich, wie wenn Menschen nichts essen. Als ich nach dir gesehen habe, hast du aus der Nase und aus den Ohren geblutet. Ich nehme an, dass das mit der Kopfhaut zu tun hat, du weißt, was ich meine?" Ich nickte. Das Gefühl würde ich wohl nie wieder vergessen. „Deshalb denke ich auch", fuhr er fort, „dass wir Vampire auch aus Hunger sterben können. Wenn man sich denn so lange kontrollieren kann, wie du. Der Körper stirbt irgendwann und die Seele kann ohne ihn nicht überleben. Wie wenn Menschen verhungern. Hast du gesehen, Mira? Du kannst dich kontrollieren, auch ohne Vampirblut zu trinken." Ich musste unwillkürlich lächeln. Ja, ich konnte mich kontrollieren.

Wir redeten noch ein bisschen, dann gingen Jace und ich selbst ins Bett. Vor seiner Zimmertür, an der wir vorbeikamen, hielt er mich am Arm fest. „Mira?"

Ich drehte mich um. „Ja?"

„Du musst aufpassen. Ich denke, du bist durch deine Vergangenheit ein sehr impulsiver und emotionaler Mensch. Auf der einen Seite macht dich das unglaublich stark, hast du ja mit Richard gesehen, aber andererseits macht dich das auch sehr unberechenbar. Ich hab Angst, dass du etwas tun könntest, das du später bereust, verstehst du?"

Ich nickte. „Ich werde Acht geben. Und dann hab ich ja noch euch", sagte ich lächelnd. Er nickte und umarmte mich kurz. Dann verschwand er in sein Zimmer und ich ging ebenfalls, um schlafen zu gehen. In dieser Nacht konnte ich das zum ersten Mal seit langer Zeit wieder wirklich tun. Ich war zum ersten Mal seit langem wieder glücklich und beruhigt.

Tränen von BlutWo Geschichten leben. Entdecke jetzt