Kapitel 33

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Natascha

Verwirrt ging ich mit einem Becher, gefüllt mit härterem Zeug, wieder hoch und setzte mich zwischen Vince mit seiner Puppe und Bryan.

Vince warf mir einen besorgten Blick zu, doch ich nickte nur. In dem Moment kam Marcel in das Zimmer und ließ sich mit Abstand auf das gegenüber stehende Sofa fallen. Ich wand mein Blick ab und sah in Gedanken versunken auf den Boden.

Ich spürte eine Hand auf meiner Schulter und drehte mich überrascht um. Es war Bryan der mir mitteilte was die jetzige Frage war.

Sie stammt von einem Typ, der auf dem anderen Sofa saß und lautete ‚Wer ist Raucher?'.

Ich spannte mich an, nahm aber trotzdem einen Schluck. Ich hatte schon oft versucht aufzuhören, war jedoch immer wieder gescheitert und hatte es irgendwann aufgegeben. Ich musste zwar nicht jeden Tag drei Kippen rauchen, doch nach mindestens vier Tagen brauchte ich eine und konnte nicht mehr ohne auskommen.

Ich spürte Bryans Blick auf mir, ignorierte ihn aber da es mir einfach peinlich war. Damals war ich mit meinen Problemen nicht klar geworden und hatte dann auf andere Mittel zugegriffen als mit jemanden zu reden.

Außer mir nahm noch ein Junge einen Schluck. Er hatte dunkle Haare, die ihm locker in seine Stirn fielen und mehrere Piercings im Gesicht, was nicht ganz unattraktiv aussah.

Jetzt war der Typ neben Marcel an der Reihe. Er überlegte kurz, stellte dann aber ebenfalls eine Frage. „Wer hat schon mal Drogen genommen?" Außer manche Mädchen im Raum, nahm jeder einen Schluck. Ich fragte mich ob auch mal eine Frage kam an der ich nicht trinken müsste, was eher unwahrscheinlich war. Ich war einfach nicht das unschuldige Nachbarsmädchen, auch wenn ich es mir manchmal wünschte. Eher war ich ‚ein kleiner Teufel', wie Marcel mich genannt hatte.

Ich schaute hoch zu ihm und merkte dass er dran war. Als würde er meinen Blick spüren sah er mich ebenfalls an.

„Bereut ihr manchmal etwas nicht getan zu haben?"
Während er diese Frage stellte, brach er unseren Blickkontakt nicht ab. Doch das Gefühl dass er die Frage nicht im allgemeinen bezogen war, sondern eher auf die Situation gerade, ließ mich nicht los. Ich schaute ihm immer noch in seine Augen und sah wie er seine Hand hob um seinen Becher an seine Lippen zu führen. Ich runzelte meine Stirn und nippte ebenfalls an meinem Becher bis ich den Blick abwandte.

Vinces Schnitte war jetzt an der Reihe und sie lächelte siegessicher. Kurz dachte ich dass sie mit einer Frage wie ‚bist du Jungfrau' kommen würde, doch täuschte mich.

„Wurdet ihr schonmal sexuell belästigt oder mehr?"

Diese Frage ließ mich erstarren.

Möglichst unauffällig schaute ich mich im Raum um und sah zwei Mädchen, zwei Jungs, sowie sich selbst, die ihren Becher zögernd hoben. Ich schaute ebenfalls auf meinen Becher und merkte dass meine Hand wie verrückt angefangen hatte zu zittern. Langsam versuchte ich diesen abzustellen, verschüttete aber einiges. Entschuldigend schaute ich zu Bryan da seine Hose auch paar Tropfen abbekommen hatte. Ich wollte irgendwas sagen, mich entschuldigen aber plötzlich bekam ich immer schlechter Luft und auch der Raum schien langsam zu schrumpfen. Ich wollte nicht aufstehen und damit Aufmerksamkeit auf mich ziehen, doch mit jeder Sekunde schien meine Panikattacke näher zu rücken.

Ich stand auf und plötzlich schien alles sich zu drehen. Ich taumelte aus dem Raum und beeilte mich so schnell wie möglich die Treppen runter zu laufen, beziehungsweise zu stolpern und das Haus zu verlassen. Meine Sicht verschwamm mit jedem Schritt mehr und ich verlor meine Orientierung in dem großen Haus.

Ich hörte wie eine vertraute Stimme nach mir rief und im nächsten Moment nahm eine Person meine Hand und zog mich mit sich. Blind stolperte ich hinterher bis ich merkte dass wir draußen waren. Ich taumelte noch einige Schritte nach vorne, spürte in der nächsten Sekunde aber auch schon Gras unter meinen Füßen und ließ mich auf meine Knie fallen. Die Stimme von vorhin redete weiter auf mich ein und versuchte mich zu beruhigen.

Ich blieb noch einige Minuten so im Gras sitzen, rappelte mich dann aber wieder auf als ich mich einigermaßen beruhigt hatte.

Ich sah neben mich und merkte dass dort meine beste Freundin stand. Sie hatte ihre Hand beruhigend auf meine Schulter gelegt und schaute mich mitleidig an.

Wie ich diesen Blick nur hasste.

Sanft legte sie ihre Arme um mich um mich, fragte jedoch nicht weiter nach was los war. Dafür war ich ihr immer dankbar, denn sie wusste dass ich nicht gerne mit anderen über meine Probleme sprach.

„Ich bin immer da für dich und wenn du reden willst höre ich zu." Sie gab mir einen Kuss auf die Wange und nahm mich an die Hand. Ich nickte leicht und zusammen machten wir uns wieder in Richtung Haus.

„Bist du sicher dass du nicht heim willst?", fragte sie mich jetzt schon zum mindestens fünften mal. Ich nickte entschieden und lief zielstrebig Richtung Küche. Meine Panikattacke hatte ich überwunden und nun wieder meine neutrale Miene aufgesetzt. Zurzeit zeigte ich oft Gefühle und ließ meine kalte Maske fallen, das durfte nicht mehr passieren!

Ich hatte verdammt Durst mach Alkohol und schnappte mir zum zweiten mal heute einen Becher, da ich meinen alten oben liegen ließ.

In den neuen schüttete ich jetzt irgendeine pinke Flüssigkeit aus einer Plasikflasche rein. Es sah jedenfalls vielversprechend aus. Ich ließ das Zeug einfach meinen Rachen runter gleiten und musste zugeben dass es echt gut schmeckte. Schon nach dem ersten Schluck war die hälfte von meinem Becher leer und ich füllte mir direkt nach.

Ich sah mich nach Miriam um, die ich tatsächlich wieder verloren hatte und lief suchend das Wohnzimmer.

Ich fand sie mit Samuel herum knutschend in einer Ecke, ließ die beiden aber in Ruhe und sah mich ebenfalls nach jemanden der mir Gesellschaft leisten konnte um.

Oh und da fand ich auch schon einen Becher auf einer kleinen Ablage stehen. Grinsend trank ich einen Schluck und wusste dass es starkes Zeug war, ich schmeckte fast nur puren Alkohol.

„Du weißt aber dass man nicht einfach irgendwas trinken sollte was rumsteht?"

Erschrocken drehte ich mich um. Vor mir stand ein Junge, vielleicht zwei Jahre älter als ich, mit blonden, lockigen Haaren die ihm tief in die Stirn fielen und auffällig dunklen, fast schwarzen Augen. Mein Blick glitt an ihm runter. Er trug eine Baggy Jeans, Jordans und ein oversize T-shirt. Ich musste zugeben dass er sehr gut aussah. Als ich ihm wieder in seine  Augen schaute, hatte er ein leichtes Lächeln auf den Lippen, was ihn sehr sympathisch aussehen lies.

„Bekomme ich jetzt meinen Drink zurück?"
Ich schaute auf meine Hand mit dem Becher und sah ihn provozierend an. „Da es eine Frage war: Nein. Aber weil ich so nett bin gehe ich mit dir einen neuen holen", bot ich ihm mit hoch gezogenen Brauen und einem lächeln an.
„Weil du so nett bist ja? Nachdem du meinen Drink geklaut hast finde ich es eigentlich selbstverständlich dass du mir einen neuen holst."

Ich warf ihm einen gespielt bösen Blick zu und zusammen drängelten wir uns in die Küche. Es waren schon einige gegangen, weshalb wir uns, natürlich nachdem wir ihm einen neuen Drink geholt haben, auf die Barhocker in der Küche setzten konnten.

Da Bryan anscheinend zu beschäftigt war um Zeit mit mir zu verbringen, drehte ich mich zu dem mysteriösen, gut aussehenden Jungen neben mir.

„Wie heißt du?" Ich legte einen Arm auf die Kücheninsel und stützte meinen Kopf auf meine Hand. „Luis. Luis Drand."

Auch er lehnte sich auf die Kücheninsel und musterte mein Gesicht.

„Na dann Luis. Luis Drand. Ich bin Natascha." Ich hob meinen, mittlerweile wieder neu gefüllten Becher und stieß mit ihm an.
„Auf neue Bekanntschaften!"
„Auf neue Bekanntschaften, Natascha."


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Vllt habt ihr es noch nicht gesehen aber ich habe ein neues Kapitel hochgeladen (Kpt 32) 🫶🏼

The bad boyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt