Kapitel 1

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Ein Blick in den Koffer, ein weiterer auf die Uhr. Ob das reichen sollte, wusste ich nicht, doch ich hatte nicht genug Zeit um mich weiterhin damit zu befassen. Es waren nur fünf Tage und das Wetter sollte gut werden, perfekt als Abschlussklassenfahrt. Ich schloss also den Reißverschluss von den kleinen Koffer und rollte ihn in den Flur.

"Sicher, dass du mitfahren willst?"

Ich drehte mich zu meiner Mutter um. Noch immer besorgt um alles, doch ich konnte mich nicht ewig verkriechen, nicht ewig mich nicht vor die Tür wagen. Das alles war vorbei, das wusste ich. Wir hatten neu Angefangen, doch die Angst ließ meine Gelenke erfrieren. Ich muss das hinter mir lassen, leben.

"Naja, wird die letzte Klassenfahrt überhaupt sein, dass will ich nicht verpassen." Meinte ich.

Ein Kuss auf die Wange und dann an ihr vorbei zum Kühlschrank. Es war komisch gewesen, sich von einen Haus in eine Wohnung umzugewöhnen, doch nun, nachdem wir schon etwas länger als ein Jahr hier lebten, hatte ich mich daran gewöhnt.

"Pass auf dich auf, ja?"

"Keine Sorge, ich hab alles dabei." Erinnerte ich sie dran.

Alles was legal war und zur Selbstverteidigung diente. Zusammen aßen wir Frühstück und dann fuhr sie mich zum alten Bahnhof, wo ich meine Klasse schon sehen konnte. Auch wenn noch nicht alle da waren. Ich drückte die Frau ganz fest, bevor sie zur Arbeit musste und gesellte mich dann zu der Gruppe. Zufrieden hakte der Lehrer meinen Namen von der Liste ab. Wir würden nicht mit den Zug fahren, der Bahnhof hier wurde schon vor fünf Jahren geschlossen, doch da es hier eine gute Buswendeschleife gab, konnte man sich hier gut treffen.

"Guten Morgen!" Pfeifte Sophie etwas zu gut gelaunt, für diese Uhrzeit.

Ich hab im letzten Sommer das verlorene Schulmaterial nachgeholt und wurde somit in die 10. Klasse versetzt, auch wenn ich nicht mehr das Gymnasium besuchte, so musste ich feststellen, dass die Realschüler etwas mehr Lebensfreude hatten. Zumindest ein paar mehr, wie auf meiner alten Schule.

"Morgen."

Das platinblonde Mädchen hatte mich gleich am ersten Schultag bedrängt. Es war gut so, denn so konnte ich mich recht schnell eingliedern und hatte jemand an meiner Seite. Auch jemanden den ich etwas erzählen konnte. Sie war die Klassenbeste und war laut ihren Worten froh, dass jemand in die Klasse kam, der denken konnte. Ich hatte sie komisch angesehen, als sie das meinte, doch wusste schnell, warum es so war. Die meisten waren wirklich...langsame Denker, um es so auszudrücken.

Als der Bus kam und wir alle unsere Sachen eingeräumt hatten, durften wir uns setzen.

"Schon eine Idee, was wir machen wollen?" Fragte sie.

Ich war echt noch nicht wach, würde am liebsten sofort einschlafen. Es war gerade mal 7 Uhr, viel zu früh, doch wir wollten lieber früher fahren und ankommen, denn der Schlaf konnte man ja im Bus nachholen.

"Nicht wirklich. Aber es soll doch gutes Essen in Berlin geben."

"Wie kannst du nur so dünn sein, wenn du nur ans Essen denkst, das ist unfair."

Ich lachte daraufhin leicht. Das musste nämlich ausgerechnet die sagen, die die perfekten Kurfen hatte. Neben ihr war ich ein Stock in der Landschaft. Zudem, wurde ich früher mal mit guten Essen verwöhnt.

Wir unterhielten uns noch etwas, bis es dann endlich losging. Kaum war es soweit steckten wir uns Kopfhörer rein und ich versuchte etwas Schlaf nachzuholen.

Draußen schien die Sonne, es war Mai und damit die Gerichtsverhandlungen 14 Monate her. Es war viel passiert und zeitgleich nichts im Vergleich zu damals. Ich war mitlerweile 17, würde in drei Wochen meinen Abschluss machen und dann? Dann wusste ich es noch nicht. Keiner antwortete mir, keiner reagierte auf meine Bewerbungen. Wieso sollten sie auch? Wahrscheinlich sah man mir meine Ahnungslosigkeit, was ich später wirklich werden wollte an. Dementsprechend schrieb ich Bewerbungen an alles mögliche.

Ich atmete tief durch, sah der Landschaft an mir vorbeiziehen. Die meisten schliefen, dementsprechend war wenig los, wobei ich eh nichts gemerkt hätte, die Musik nahm meine ganze Aukustik ein.

Irgendwann habe ich alles vergessen, auch ihre Gesichter. Irgendwann wird alles nur noch versteckt in meinen Kopf sein und dann, wenn es soweit ist, kann ich schlafen, ohne Angst vor Alpträumen zu haben. Ich schloss die Augen, versuchte zu schlafen, doch mehr als zu dösen wurde nicht.

Dachte ich, doch als wir unseren ersten Halt machten, musste man mich wecken. Nich Schöafgetrunken stieg ich aus und ging zur Toilette bei der Raststätte, nur um 15 Minuten später wieder halb schlafend in den Sitz zu sitzen.

Das Leben war verrückt, doch es ging weiter, auch wenn man nicht glauben konnte, dass es je wieder normal werden würde.

Geisel II - wieder am AnfangWhere stories live. Discover now