Kapitel 7

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Er sah kurz auf unserer Hände, dann mir ins Gesicht. Ich sah ihn nicht an. Mein Blick galt dem Boden. Verdammt, was wird das hier? Meine Handfläche schwitzte, die Berührung war so ungewohnt, als hätte ich nie jemanden angefasst. Beruhigend strich er über meinen Handrücken, nahm dann die Tasche und führte mich näher zum Höllentor.

"Ich kann das nicht." Flüsterte ich zu mir selbst.

Er sagte nichts, führte mich einfach weiter. Ich brauch Hilfe. Das hier ist vielleicht meine letzte Chance. Jetzt oder nie. Zielstrebig ging es zur Rezeption. Mein Herz schlug verdammt schnell. Ich hatte keine Ausweise, es würde also nicht so weit kommen. Wir würden in kein Flugzeug steigen.

"Guten Abend." Begrüßte der Mann die müde aussehende Frau.

Die Tasche wurde gewogen und Zac zeigte zwei rote Hefte. Zwei? Woher kam der Zweite? Ich hatte keinen eingepackt, das war also nicht mein Reisepass. Mein Kopf ratterte, während sich die beiden kurz über den Flug unterhielten und dann wurden wir weiter geschickt. Ich nahm meine Ohrringe und den Bauchnabelpiercing raus, damit ich es auf dieses Schälchen legen könne. Er trug noch immer seine Waffe, wie wollte er diese durch die Sicherheitskontrolle bekommen? Ich sah mir die Beamten an, welche eher gelangweilt wirkten. Nichts. Es schlug wirklich nichts an. Hilflos sah ich die Leute an, vor Verzweiflung kamen mir die Tränen. Wie sollte ich sie denn warnen? Wie sollte ich um Hilfe bitten, wenn Zac die ganze Zeit wie eine Klette an mir war. Komm schon. Sag was. Was will er schon machen? Er konnte sie ja schlecht erschießen, hier war doch alles mit Kameras überwacht. Ich legte meinen Daumen auf meine Handfläche und schloss die Hand zu einer Faust. Bitte. Irgendwer, der sich das ansieht. Das soll doch ein Hilfezeichen sei. Ich tat es zwei weiter male, dann gingen wir aber auch schon weiter. Als wir mit den Rücken zu den Beamten waren, tat ich das Handzeichen noch einmal. Aber wir wurden nicht aufgehalten. Der Flughafen war so gut wie leer.

Zac wirkte müde, als wir uns auf die Stühle niederließen. Sofort ließ ich seine Hand los und wischte den Schweiß an meiner Hose ab.

"Wir werden gut acht Stunden fliegen. Du kommst ans Fenster. Ich werde dir eine kleine Spritze geben, damit du durchschläfst." Klärte er mich auf.

Ist das denn nicht aufgefallen? Hat keiner es mitbekommen? Wieso klappt alles so gut für ihn? Geistesabwesend nickte ich. Wohin geht ein Flug, der so lange dauert?

"Ich muss auf Toilette." Behauptete ich leise.

Zwei Leute kamen, sie beachteten uns nicht. Zac nickte in Richtung der Toiletten, dessen Tür man von hier aus beobachten konnte. Zögerlich stand ich auf, sah ihn nochmal an, doch er schien keine Drang haben mitzukommen. Gut. Auch wenn ich seinen Blick auf meinen Rücken spürte, so war das besser als alles andere. Die Toilette war sauber. In der Kabine ließ ich mich auf den Toilettensitz nieder. Scheiße. Hätte ich doch irgendwas zum schreiben. Irgendwie etwas, womit ich eine Nachricht hinterlassen könnte. Vor Übelkeit und Nervosität fing an meine Blase zu drücken. Meine Gedanken kreisten nur so umher, doch noch immer war ich alleine auf der Toilette.

Nach fünf Minuten trat ich ans Waschbecken. Noch immer war ich alleine. Die Seife roch so, als wäre sie mit Desinfektionsmittel vermischt wurden. Ein Blick in den Spiegel reichte um zu wissen wie ich aussah. Die Augen waren angeblich der Blick in die Seele und meine schrien förmlich vor Verzweiflung. Es kam niemand. Niemand war hier und draußen war er. Doch ewig hier drin bleiben ging auch nicht. zögerlich verließ ich die Toiletten wieder und spürte sofort seinen Blick auf mir. Eine Gruppe von älteren Männern standen da, ich musste an ihnen vorbei. Doch sie sprachen kein deutsch. Ich sah auf den Boden, ging weiter Richtung Zac.

"Help me." Es war nicht mehr als ein Hauchen, aus Angst, dass er meine Lippen sich bewegen sah. Doch niemand tat was, niemand hielt das Gespräch an und so ging ich weiter. Komplett verspannt ließ ich mich neben den dunkelhaarigen Mann nieder. Von Zeit zu Zeit wurde es immer voller, sodass er mich nicht mehr auf Toilette ließ. Eine Stunde später wurde unser Flug aufgerufen. Wir stellten uns also an und gelangten dann in das Innere der Maschine.

Mein eigentlich höfliches Lächeln der Flugbegleiterin gegenüber wirkte eher traurig. Ich nahm das Bonbon entgegen und wurde dann von Zac unauffällig durch den Flieger gedrängt.

"Entschuldigen Sie, den Fensterplatz hatten wir reserviert." Fast schon charmant lächelte er die platinblonde Schönheit an, welche daraufhin von ihren Buch aufsah. Ihre rehbraunen Augen waren hinter einer zarten Brille versteckt, die etwas runtergerutscht war.

Seine Hand lag an meiner Hüfte und drückte warnend. Ich zwang mir ein schüchternes Lächeln auf.

"Oh Entschuldigung, ich hatte gehofft, dass die Reihe leer bleibt." Sie stand sofort auf und ließ uns durch.

Ich hörte ihnen nicht zu, als sie langweiligen Smalltalk trieben. Ich setzte mich einfach ans Fenster und Zac sich zwischen der Fremden und mir. Man sah es nicht sofort, aber auch er hatte gehofft, dass die Reihe leer blieb, denn jemanden eine Spritze zu geben, wenn daneben jemand saß, war nicht gerade unauffällig. Ich war nie oft geflogen, dass letzte mal mit der Familie, als ich in der fünften Klasse war....zumindest war das das letzte mal, dass ich nicht wegen irgendwelchen Kriminellen in ein Flieger steigen musste. Ich erinnerte mich an Tyler, wie er mich und meine drei Freundinnen in seinen Privatjet nach Amerika entführt hatte um dort als Ware für sein Sklavengeschäft dienen zu sollen. Wahrscheinlich würd ich nur noch wegen sowas fliegen. War ich denn nicht mehr? Nur eine Sklavin, die die Gelüste der Herren stillen sollte? War das wirklich das, zu was mich mein Schicksal verdonnern wollte. Wenn es nicht so wäre, wieso war ich dann wieder hier? Wieso saß ich neben meinen Peiniger? Sollte das Höllenloch der einzige Ort sein, wo ich war? War eine Flucht vielleicht unmöglich? Würde ich niemals entkommen? So wirklich? Würde man mich immer wieder zurückbringen? Was brachte mir eine Flucht dann noch? Als hätte ich Flugangst, krallte ich mich an das erstbeste fest. Die Lehne. Jedoch lag darauf schon ein Unterarm.

"Tief ein und ausatmen."

"Flugangst?" Wollte die Frau neugierig wissen.

"Ja leider." Ich glaube das folgende Lächeln der Frau sollte mich aufmuntern. Es tat es nicht wirklich, nichts könnte mich in diesen Moment aufmuntern, mir ein Lächeln ins Gesicht zaubern....

Zac ließ mich seine Hand ergreifen. Tränen rannten meine Wangen runter, doch es entkam kein Schluchzen. Stumm, ängstlich, Gott ich war doch ein erbärmlicher Anblick. 

"Lucy..." Sanft zog er mich in seine Arme.

Ich merkte es nicht, merkte nicht, wie er meinen Ärmel nach oben zog, merkte nicht, das ein kalter Gegenstand an meinen Arm war, doch als die Nadel in meine Haut dran, zuckte ich zusammen, hätte mich am liebsten zurückgezogen. Er hielt fest, nicht auffällig. Es wirkte wie eine Umarmung um mir meine Angst zu nehmen. Doch war es nicht auch irgendwie so? Würde ich denn die Angst spüren, wenn ich schlief? Vielleicht werde ich von Albträumen geplagt, vielleicht würde der Schlaf auch Traumlos sein. Entweder ich würde in Angst versinken oder in einer ruhigen Dunkelheit. Ich bekam um mich herum kaum was mit, mit jeder Minute wurde ich ruhiger und schläfriger. Ich merkte nicht, wie wir abhoben, merkte nicht, wie wir die Flughöhe erreichten und das, obwohl ich wach war. 

"Schlaf ein bisschen." Fast schon beruhigend hielt er meine Hand und fuhr mit den Daumen über meinen Handrücken.

Doch ich hörte ihn nicht. Ich spürte seine sanfte Berührung nicht. Alles war weg. Erst zum Schluss nahm mir das Mittel das Augenlicht.

Geisel II - wieder am AnfangWhere stories live. Discover now