Kapitel 9

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Beim Tanken hatte er was zu essen geholt. Ich blieb brav sitzen, konnte gar nicht aussteigen, denn die Tür war verriegelt wurden. Das das auch auf der Beifahrerseite von Innen geht konnte ich heute feststellen. Umso länger wir fuhren, desto Menschenleerer wurde es. Wir fuhren an Campingplätzen vorbei, durch Ortschaften in denen meine Mutter wohl am liebsten mal Urlaub gemacht hätte, doch nichts sagte mir, wo wir waren. Auf die Frage hin, antwortete er nicht einmal. Er war ruhig, nicht mürrisch, einfach nur ruhig. Man merkte ihn an, das er kaputt war und seine Ruhe brauchte.

Meine Hände fanden wieder zu sich, wieder wollte ich an den Ring spielen, doch er war nicht da. Zac hatte ihn noch immer. Würde ich ihn denn jemals wieder bekommen? Hatte er ihn vielleicht sogar schon verloren oder weggeschmissen? Sophie, du weißt doch mittlerweile bestimmt, dass etwas nicht stimmt. Mit der Zeit müsste es doch aufgefallen sein. Bitte findet mich, irgendwer. Alleine schaff ich es nicht hier raus. Es tut mir leid, dass ich eure Fahrt versaut habe in den ich einfach verschwunden bin. Ich hoffe es bedrückt keinen...ich hoffe, ich fallen keinen zur Last....Gott...Mama...ich will nicht wissen, was du dir jetzt für Sorgen machst. Bitte schaff das. Ich komme wieder nach Hause, das verspreche ich. Ich bin doch schon fast wieder daheim...ich bleib nicht lange weg...bitte....bitte leb weiter....stirb nicht.
Niemals würde ich es alleine schaffen. Dafür war diese Welt ein viel zu grausamer Ort. Ich hatte Angst, dass wenn ich nach Hause komme, niemand mehr da ist, dass ich fliehe, frei, aber alleine bin. Mama...Ich kenne deinen geheimen Wunsch. Ich hab ihn dir angesehen, seit Papa weg ist. Du schaffst das. Ich bin doch da. Ich komme wieder zurück. Die vorherigen Male bin ich doch auch wieder nach Hause gekommen.

Stumm, ohne Vorwarnung liefen die Tränen über mein Gesicht. Langsam, als würden sie die Qual meiner selbst genießen und jeden Moment auskosten wollen, inden sie der Außenwelt meinen Schmerz mitteilen wollte. Ich hasste sie. Ich hatte so oft geweint, so oft, dass ich nicht zählen wollte. Ob diese Tränen durch Erinnerungen, Alpträumen, Trauer, Wut oder Schock flossen, sie waren im letzten Jahr viel zu oft mit meinen Gesicht in Berührung gekommen. Es würde mich nicht wundern, wenn ich irgendwann nicht mehr weinen könnte, weil alle Tränen in meinen Leben schon aufgebraucht waren.

Wenn ich schreien könnte, würde ich es tun. Wie ein Tier, dass zum Schlachter geführt wurde, doch mein Hals war wie zugeschnürt, nicht einmal ein Schluchzen entkam mir. Als die erste Träne nicht meinen Hals hinunterlief, sondern auf meinen Handrücken tropfte, zuckte ich zusammen und wischte mir fast sofort die Tränen weg. Sie kamen nicht nach, es war, als liefen sie, weil ich in einer Trance war und jetzt, wo ich wieder ins hier und jetzt geholt wurde, hörten sie auf. Doch war ich abgetreten? Hatten meine Gedanken mich wirklich weggeholt? War ich nicht die ganze Zeit in dieser Wirklichkeit gewesen? Die Umgebung beantwortete mir diese Frage gerne, denn ich kannte sie nicht. Ich erinnerte mich, dass wir durch ein kleines Dorf durchgefahren waren, doch hier war nichts außer Wald mit leicht sandigen Boden. Wo waren wir?

Eine warme Hand legte sich auf meine, was mich zusammenfahren ließ. Meine Augen fielen auf den Fahrer, der beruhigend meinen feuchten kalten Handrücken strich. Zieh sie weg...na los...keiner soll dich anfassen, erst recht er nicht, erst recht keiner von ihnen. Zieh sie doch endlich weg. Stattdessen lag mein Blick wie versteinernd darauf. Obwohl seine Hand wie meine recht blass war, so war ich doch um einiges blasser, fast weiß. Lag es am Stress? An der Angst? Oder hatte er einfach mehr Farbe wie ich? Warum fasst er mich an? Warum war...war ich so ruhig.?

"Wir sind gleich da, nur noch ein paar Minuten."

Sollte mich das beruhigen? Mein Kopf war mit einen mal wie leergefegt, als hätte er den Sturm durch diese einfache Berührung weggefegt und durch Leere ersetzt. Mein komplett verspannter Körper war es, der verriet, dass ich auf diese Berühung ruhig hätte verzichten können. Wieso tat ich also nichts dagegen? Die Minuten sollten sich ziehen. Ich wollte nicht ankommen, doch statt nicht vorüber gehen zu wollen, verflogen sie mit einen mal urplötzlich. Der Wald lag einige Meter hinter uns, die Fläche war mit Pflastersteinen und Sand bedeckt und da, in den Dühnen, stand ein Haus. Eher eine Villa, als etwas kleines unauffälliges. Man möge fast glauben, dass die Kerle es Luxuriös mochten. Fast schon Klischeehaft.

"Bleib sitzen, ich öffne dir die Tür." Meinte Zac, als er meine Hand losließ und sich abschnallte.

Ich sah ihn hinterher, als er austieg. Sofort stöhmte sie salzige Meeresluft in meine Nase, welche mich an die Urlaube mit meiner Familie erinnerten. Ich hörte wie der Kofferraum sich öffnete und kurz darauf wieder schloss. Warum saß ich eigenlich noch? Ich könnte jetzt doch noch fliehen oder nicht? Die letzte viertel Stunde mit den Auto war jedoch Menschenleer gewesen, wahrscheinlich noch länger, doch das hatte ich nicht mitbekommen. Die Tür neben mir öffnete sich, brav schnallte ich mich ab und stieg aus. Ich tat nichts, was an eine Flucht erinnerte. Das Meer rauschte, es war ganz schön windig, wodurch mir meine Haare schnell die Sicht nahmen. Zac führte mich zur Eingangstür, wo er sofort aufschloss. Fast schon eilig, als würde ich im letzten Moment noch auf dumme Gedanken kommen können, drängte er mich leicht ins Innere. Gelogen wäre es ja nicht, über eine für ihn dumme Tat hatte ich immerhin schon nachgedacht. Kaum waren wir drin, schloss er die Haustür auch zu.

"Zieh die Schuhe aus."

Alles war hell, fast sommerlich. Es gab immer wieder dunkle, holzige Kontraste. Es war so anders, wie die Villa im Wald, wobei diese hier entsprechend ihren Standort passte. Mir wurde übel, doch ich tat es, stellte die Schuhe vor den Schuhschrank der hier stand. links war die Küche, sie war in hellen Holztönen gehalten, nur der Tisch, die Bartischstühle und Lampen gaben ein paar wenige kontraste, aber sie stachen nicht unpassend hervor. Im Wohnzimmer war es fast das Gleiche, alles passte zueinander.

Mein Herz wurde mit jeder Minute nervöser. Es war, als würde mir mit jeder Sekunde ein bisschen mehr bewusst werden, wo ich war. Doch wir waren alleine, das Haus war Menschenleer und auch die stehende Luft sagte, dasss hier länger keiner mehr war. Zac beobachtete jede meiner Reaktionen, schien genau zu wissen, woran ich dachte. Ich spürte seine Anwesenheit, vorallem als er genau hinter mir trat, wagte ich es nicht, mich auch nur ansatzweise falsch zu bewegen.

"Ich bin müde, aber ein kleine Dusche möchte ich schon vorher genießen." Das war keine Information, kein sagen, wo er sei, das wusste ich, doch als er seine Arme sanft um mich legte und mich näher an sich zog, wünschte ich, dass es so wäre.

"Komm mit." Hauchte er, seine Lippen dabei so nah an meinen Hals, dass sie diesen striffen.

Geisel II - wieder am AnfangWhere stories live. Discover now