Kapitel 2

1.3K 73 5
                                    

Die Jugendherberge war im Gegensatz der Erwartungen recht modern und gepflegt. Eine Klassenkameradin hatte sich übers Wochenende das Bein gebrochen uns konnte nicht mitkommen, da es aber zu kurzfristig war, war eine Stornierung des Dreierzimmers nicht mehr möglich. Im Nachhinein hieß es nur, dass Sophie und ich mehr Platz hatten, denn die Zimmer haben wir schon vorher eingeteilt, damit wir wussten wie viele wir bräuchten.

"Das ist so viel Besser als dir letzte Fahrt!" Schwärmte das Mädchen und ließ sich aufs Bett fallen.

"Darüber kann ich leider nicht mitreden." Ich schüttelte leicht lachend den Kopf.

Die letzte Klassenfahrt soll der Horror gewesen sein, modernde Zimmer, Schimmel an den Wänden, kein warmes, sondern nur kaltes und dreckiges Wasser. Ehrlich gesagt war ich froh, da nicht mit gewesen zu sein. Wir hatten in der achten Klasse zwar auch eine Fahrt nach Dresden gemacht, doch hatten bei weiten nicht so eine schlimme Unterkunft, wie meine aktuelle Klasse. Ich holte mein Ladekabel aus der Tasche und steckte mein Handy an. Heute würden wir nicht in die Stadt fahren, sondern ein gemütlichen machen. Durch einen Stau kamen wir doch erst gegen 16 Uhr an. Den Stau hatte ich Großteils aber verschlafen.

Es klopfte an der Tür, sofort wurde Louis reingelassen. Er war ein guter Freund von Sophie und ständig bei ihr, wenn er nicht bei seinen Kerlen war. Ehrlich gesagt zu meinen Ungunsten. Ich verspannte mich, als er sich neben mich setzte, was Sophie mir einen viel aussagenden Blick zuwerfen ließ. Ich rutschte etwas weg von den dunkelblonde Lockenkopf, was er kurz mit einen Blick zu mir hinnahm, aber nicht unkommentiert ließ.

"Na komm, langsam solltest du mich wirklich kennen."

Das änderte aber nichts. Ich mochte es einfach nicht, wenn mir ein Mann zu nahe kam. Das fühlte sich falsch, einfach widerlich an.

"Mh." Mehr machte ich nicht.

"Lass sie doch, du musst dich ja auch nicht genau auf ihr Bett setzen, gibt ja auch genug andere Möglichkeiten zum setzen." Verteidigte Sophie mich.

Daraufhin verdrehte Louis nur seine Augen und begann ein Gespräch, ohne dieses Thema.

Ich war dieses dritte Wagenrad, welches einfach zuhörte. Da er nicht näher an mich kam, fing ich etwas an mich zu entspannen. Sophie vermutete, dass er auf mich stand, doch selbst wenn es so wäre, ich konnte nicht mal die Hand von jemanden halten. Kurz schütteln ok, aber bei allen anderen bin ich echt raus.

Meine neue Therapeutin hat mit mir darüber gesprochen, ob ich mit Jungs Kontakt habe und dann hab ich ihn erwähnt. Ich solle ja die Möglichkeit nutzen, meiner Berührungsangst entgegenzuwirken, hatte die gemeint. Naja so wirklich dazu kam es aber nicht. Ich spielte mit den Ring, den meine Mutter mir geschenkt hatte. Ich trug ihn immer, außer zum schlafen. Es war wie eine Erinnerung, dass sie mir geblieben ist und es beruhigte mich, zu wissen, dass sie da war.

"Wie wäre es?" Holte mich die Stimme meines Klassenkameraden plötzlich zurück ins jetzt.

Ich hatte Sophie von den Vorschlag der Therapeutin erzählt und sie scheinbar Louis. Ich selbst würde auch nicht auf die Idee kommen, ihn zu fragen.

Ich sah auf seine Hand, die er zu mir ausgestreckt hatte. Bisher hatte ich immer abgelehnt, aber ich nahm sie vorsichtig, wenn auch nur kurz, wie bei einen Handschlag. Aufmunternd lächelte er mich an, nahm seine Hand dann aber wieder zu sich.

"Ich würde echt gern wissen, wieso du so bist."

Daraufhin bekam er von meiner Freundin einen Schlag auf den Hinterkopf.

"Hey!" Beschwerte er sich.

Sie wussten es beide nicht, niemand. Nur der Schuldirektor wurde grob eingeweiht, welcher dann die Lehrer ohne richtige Informationen informiert hatte. Dementsprechend nahmen alle Lehrer einen respektvollen Abstand zu mir ein. Meine Angst war auch der Grund, wieso nicht zwei Lehrer, wie geplant, mitfuhren, sondern ein Lehrer und eine Lehrerin.

Als es soweit war, machten wir uns auf den Weg nach draußen in den Hinterhof, wo die Lehrer schon ein Feuer machten. Wir waren so ziemlich die letzten die ankamen. Während sich Sophie mit unter die Leute mischte, so wartete ich erst einmal, bis ich mir war zu essen holte. Wiener und Stockbrot würde es heute geben, als Nachtisch Marshmallows. Als ich kleiner war gab es das im Sommer zum Geburtstag eines alten Bekannten immer. Ich hatte mit ihn keinen Kontakt mehr, hab ihn nur ein paar mal hatte ich ihn auf meiner alten Schule gesehen, wenn wir uns zufällig begegnet sind.

Als ich einen Platz zum hinsetzen fand, setzte ich mich neben Nina und Franzi. Wir verstanden uns, auch wenn wir nicht viel miteinander zu tun hatten. Die beiden waren eher ruhig und machten mir sogar Platz, damit ich nicht neben einen der Jungs saß. Es war schön, dass sie Verständnis zeigten, sich wenn ich mich schlecht fühlte, da ich ihnen wahrscheinlich nie sagen könnte, wieso es so war.

Wir bleiben bis 23 Uhr am Feuer sitzen, ich war eine der ersten die ging, ich wollt gerne noch duschen, bevor ich schlafen würde. Die Jugendherberge war leer, ruhig und das warme Licht ließ sogar die Flure gemütlich wirken. Nur ein junger Mann kam mir entgegen, höflich nickte er, was ich ihn gleich tat. Ich hörte wie mein Herz vor Aufregung pochte, sich aber bald wieder beruhigte, als ich an ihn vorbeigegangen war.

Ich schloss das Zimmer auf, Sophie hatte den Zweitschlüssel, sodass ich mir um sie keine Gedanken machen musste. Sofort ging ich ins Bad, was etwas komisch aufgebaut war. Zumindest für mich, denn der Spiegel vom Waschbecken war so komisch angebracht, dass man sich beim Toilettengang ins Gesicht sehen konnte.

Das Wasser brasselte auf meinen Rücken, meine brustlangen Haare hingen links und rechts an meinen Kopf hinunter. Ich atmete ruhig ein und aus, hielt gewollt die Luft an und schloss meine Augen. Alles um mich herum war irrelevant, alles war dunkel, laut und zeitgleich leise. Trotzdem hörte ich, wie Sophie Aufschluss und ins Zimmer ging. Aber es war weg, weit weg. Als mit einen mal wie ein kalter Luftzug an meinen Nacken war und ich mich erschrocken umdrehte. Dich niemand war ins Bad gekommen. Meine Kameradin hatte ihre Musikbox angemacht und hörte leise einen ihrer Lieblingssongs.

"Scheiße."

Geisel II - wieder am AnfangWhere stories live. Discover now