Kapitel 04 Olli

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Kapitel 04 Olli

Kapitel 04 Olli

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Ein Semester. Sechs Monate. Ein halbes Jahr.

Für Oliver war es eine Zeit, die so unglaublich anstrengend und zeitgleich so aufregend war, dass er das Gefühl hatte, die Tage und Wochen zogen sich wie alter Kaugummi dahin. Jetzt, wo er die Gesellenbriefe für beide Ausbildungen in der Tasche hatte, spannte ihn sein Vater noch mehr ein.

Mittlerweile war er für die Belegschaft schon so etwas wie der Junior Chef, was sich für ihn immer wieder äußerst seltsam anfühlte. Es gab Mitarbeiterinnen im Geschäft, die länger im Unternehmen angestellt waren, als er alt war. Viele hatten ihn quasi aufwachsen sehen. Und diesen Menschen sollte er jetzt Anweisungen geben? Dies fühlte sich auf so vielen Ebenen absurd an, dass er froh war, wenn endlich die Zeit gekommen war, dass das Telefon klingelte und er mit Ben sprechen konnte.

Neun Stunden lagen zwischen Köln und Sydney. Das bedeutete, dass sie immer beachten mussten, dass bei dem jeweils anderen entweder gerade früh morgens oder eben spät abends war. Doch weder Oli noch Ben störte es, falls sie den anderen eventuell mal weckten.

Um ehrlich zu sein... Seit einer ganzen Weile konnte sich der Goldschmied kaum etwas Schöneres vorstellen, als mit dem Lachen seines besten Freundes geweckt zu werden. Er vermisste diese strahlenden Augen, deren Mischung aus Grün und Braun so schön wie ungewöhnlich war, und die Art, wie er es schaffte, ihm die Anspannung nur durch seine bloße Anwesenheit zu nehmen.

Immer wieder fragte Oliver sich, warum das so war, doch eben so oft schob er es auf die Tatsache, dass sie sich schon ihr halbes Leben lang kannten. Sie wussten eben, wie der andere tickte. Doch war da auch dieses neue Gefühl... Diese unbestimmte Abneigung gegen diesen seltsamen Fatzke, der da neuerdings immer bei Ben rumlungerte. Was bildete sich dieser Typ eigentlich ein, immer wieder die Gespräche zu unterbrechen? Oder Ben gerade in dem Moment abzulecken, wenn er mit ihm telefonierte?

Bis dato hatte Oliver nie ein Problem damit gehabt, Ben mit anderen Kerlen zu sehen. Immerhin hatte er immer die Möglichkeit gehabt, eventuell einzugreifen, wenn er das Gefühl gehabt hatte, man verarschte seinen Freund. Doch dieser Schmierlappen da... Irgendetwas in Oliver wollte ihm die schneeweißen Zähne mit der Faust polieren.

Seinen unbewussten Frust ertränkte er an seinen Wochenenden in ihrem Stammclub Silverlight. Der Club lag im Herzen von Köln und war unterirdisch gelegen. Gay und Hetero mischte sich mit allen möglichen schrägen Vögeln der Stadt. Der Dark Room war hoch frequentiert und auch Oliver kannte den ein oder anderen versteckten Platz dort aus mehr als einer Perspektive.

An einem der frustrierendsten Wochenenden des letzten Monats hatte er dann die rothaarige Rebecca getroffen. Eine kleine, quirlige Frau mit „viel dran an den richtigen Stellen", wie er es immer wieder gerne bezeichnete. Sie hatten miteinander getanzt, etwas getrunken und waren dann nach einer Stunde bereits auf dem Rücksitz ihres Wagens gelandet.

Für Oliver war es ein Zeitvertreib mit einer Frau, die offensichtlich genau auf seiner Wellenlänge surfte. Vielleicht sogar etwas, das mehr werden könnte. Daher fand er es wichtig, sie seinem besten Freund zumindest vorzustellen, als der Tag seiner Rückkehr nahte.

Rebecca hatte immer wieder kommentiert, dass es schon sehr merkwürdig war, dass Oliver seinem Freund ein ganzes Zimmer in seiner Wohnung zurecht machte und komplett möblierte. Immer wieder hatte sie geäußert, dass es schon sehr seltsam wirken würde, dass Oliver mehr Gedanken in das Zimmer eines Freundes investierte, als in sein eigenes.

Wieso musste die Farbe der Wand nochmal zu dessen Augen passen? Wieso musste das Bett eine der teuersten Matratzen auf dem Markt haben, während er selbst auf einer Mittelklasse-Liegefläche lag? Oliver hatte ihr gestern ziemlich klar gesagt, dass ihm ihre Meinung diesbezüglich ziemlich egal war, was die Rothaarige erheblich verschnupft reagieren hatte lassen. Immer wieder fragte sich Olli nun, als er im Wartebereich des Terminals mit Bens Familie stand, um ihn abzuholen, ob ihn die Tatsache, dass Rebecca ihm praktisch mit der Trennung gedroht hatte, nicht mehr stören müsste. Doch je mehr er darüber nachdachte, um so klarer wurde ihm, dass ihm Rebecca ziemlich egal war. Wenn er vor der Wahl stehen würde, zwischen Ben oder ihr... Er würde Ben wählen... Immer.

Bittersweet HeartbreakWhere stories live. Discover now