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Melissa erwachte, als der feine Kies unter den Reifen knirschte und das monotone Brummen des Motors erstarb. Der Wagen kam in der Einfahrt des in Dunkelheit gehüllten Holzhauses zum Stehen.

Wie lange hatte sie geschlafen? Es konnten kaum mehr als wenige Minuten gewesen sein.
Ungläubig rieb sie sich über die Augen. Das brachte auch nur sie zustande, nachts alleine mit einem blutsaugenden Vampir in dessen Wagen einzuschlafen. Sie brauchte dringend Ruhe.
Nicolas zog den Zündschlüssel ab und das Licht im Inneren des Wagens leuchtete auf.

»Du bist wach. Gut.« eindringlich sah er sie aus tiefgrünen Augen an. Merkwürdig, sie hätte schwören können, seine Augen wären schwarz gewesen, als er ... Sie wollte nicht daran denken.

»Eines solltest du verstehen. Melissa.«

Es war seltsam, ihren Namen aus seinem Mund zu hören. Aber ihr fehlte die Kraft, weiter aufzubegehren. Sie sah ihn müde und fragend an. So müde.

»Ich werde dir nichts antun. Dir wird in meiner Nähe nichts geschehen.«

Die Worte bedeuteten Melissa nichts. Sie befand sich jenseits aller Angst. Nur bleierne Gleichgültigkeit. »Ja klar,« sagte sie schlicht.

»Du glaubst mir nicht.«

»Nein.«

»Hmmm ... dazu hast du allen Grund«, brummte er und blickte sie abwartend an.

Melissa seufzte tief auf. »Du hast mich bewusstlos am Feuer liegen gelassen. Du wolltest mich nie in diesem Haus sehen. Dann hast du mich angegriffen und wolltest mich töten. Also nein, warum sollte ich dir glauben?« Es war eine Feststellung, die Melissa aussprach. Keine Anklage.

»Weil ich meine Versprechen halte.« Geduldig wartete er auf eine Reaktion ihrerseits.

»Amia«, stellte Melissa sachlich fest. Sie entsann sich, wie Nicolas sich dem kleinen Mädchen gegenüber verhalten hatte. Amia bedeutete ihm etwas. Das war unübersehbar. Dieses kleine Mädchen hatte Nicolas das Versprechen abgenommen, ihr nichts anzutun.

Nicolas nickte kaum merklich. »Genau.« Kurz hielt er inne, bevor er fortfuhr: »Und weil ich denke, dass es von Vorteil sein wird, wenn wir an dieser verfluchten Zauber-Sache zusammenarbeiten. Ich denke, es ist für keinen von uns von Interesse, diesen Zustand länger als nötig aufrecht zu erhalten.«

»Kann sein.« Melissa fragte sich, ob es überhaupt eine Möglichkeit gab, diese magischen Ketten zu lösen. Und was sie dazu beitragen könnte.

Es fiel ihr schwer, Nicolas zu vertrauen. Aber was blieb ihr übrig?

Und eine Tatsache konnte sie nicht leugnen. Er hatte ihr die freie Wahl gelassen, ob sie bleiben oder gehen wollte. Er hatte sie zu nichts gezwungen, nachdem er sie gesucht und gefunden hatte. Auf ihren eigenen Wunsch war sie zu diesem Haus zurückgekehrt.
Lebend.

Als sie versuchte aus dem Auto auszusteigen, war es ihr nicht mehr möglich, ihren verwundeten Fuß aufzusetzen. Tara kam aus dem Haus und stützte sie. Melissa war froh, nicht länger auf Nicolas angewiesen zu sein. Sie bemerkte, wie Tara Nicolas kaum wahrnehmbar zunickte. Eine kleine Bewegung von der Art Gut gemacht, geht doch!  Niemanden schien es zu überraschen, dass Nicolas sie mitbrachte, als hätten alle davon gewusst, dass er auf der Suche nach ihr war.

Und dennoch hatten sie diesen unberechenbaren Mann alleine fahren lassen.

Tara verband Melissas verletzten Fuß neu. Die alte Bandage war völlig verdreckt und durchgeweicht und die Haut darunter sah entsetzlich aus, deutlich schlimmer als das Mal davor. Der Fuß war dick geschwollen und sah entzündet aus. Melissa versuchte, nicht hinzublicken, nicht zu ihrem Knöchel und nicht zu Taras tadelnden Blicken. Die Prozedur war eine Tortur. Ohne nachzufragen, nahm sie die Tabletten, die Tara ihr gab. Vermutlich nicht nur Schmerzmittel, sondern auch Antibiotika.

♥︎Bad Salvation♥︎ - The Girl With The VampireWhere stories live. Discover now