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Die Wolken hatten sich zur Gänze verzogen und die Sterne leuchteten am Himmel, als sie sich regte. Mit einem beunruhigend anziehenden Seufzen schlug sie die Augen auf und blickte zu ihm hoch. Ein warmes Lächeln stahl sich in ihre weichen Züge. Tief zog sie seinen Geruch ein. Für ihre menschlichen Augen musste es nahezu dunkel im Zimmer sein, dennoch wirkte sie weder desorientiert noch verunsichert. Sie machte keinerlei Anstalten ihren Platz in seinem Arm verlassen zu wollen. Dann wendete sie den Blick auf die Fensterfront.

»Oh!« Mit offenem Mund blickte sie den nachtschwarzen Himmel an. »Ich habe noch nie so viele Sterne gesehen.« Der Klang ihrer trägen, schlafschweren Stimme schickte ein Kribbeln über seine Haut.

»Hier gibt es keine Stadt, kein anderes Licht, was uns die Sicht verdecken könnte«, sagte er, ohne einen Blick für den Himmel übrig zu haben. Ihre Augen funkelten reizvoller, als es ein Stern jemals könnte.

Lange sagte sie nichts, lag in seinem Arm und betrachtete den Sternenhimmel. Dann drehte sie ein wenig ihren Kopf, so das ihre Lippen dicht neben seinem Ohr verharrten. Wenn sie jetzt seine Ohrmuschel streifen würde ... er hatte seine Selbstbeherrschung für heute komplett aufgebraucht.

Doch sie näherte sich nicht weiter, sondern fragte mit leiser Stimme: »Wer bist du?«

Das kam unerwartet. Mit hochgezogenen Augen sah er sie an und blickte in ihre fragenden Augen. »Wie meinst du das?«

»Ich meine, ich weiß quasi nichts über dich. Nicht, wer du wirklich bist, wer du warst, warum du tust, was du tust. Okay, ja, das mit der Vampirsache habe ich mitbekommen. Aber ansonsten ... Ich schlafe arglos in deinem Arm, und doch bist du mir völlig unbekannt.«

Nicolas schwieg einige Sekunden in der Hoffnung, sie könnte noch unvermutet das Thema wechseln, doch sie hielt ihren Blick aufrecht. Schließlich seufzte er tief. Er hatte ausreichend Erfahrungen mit Melissa gemacht. Sie würde von ihrer Frage nicht ablassen. Wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann gab sie nicht so schnell auf. Und ihre Anliegen war berechtigt. Wie sollte sie ihm restlos vertrauen, wenn er sich so bedeckt hielt? War dies nicht genau der Grund gewesen, warum er sie zu seinem Turm gebracht hatte? Nicht um sie zu beeindrucken, sondern um ihr einen Teil von sich zu zeigen, sein zu Hause, der Ort, an dem er sich am wohlsten fühlte.

»Was willst du wissen?« Er schloss die Augen und hoffte, Melissa würde etwas Harmloses fragen. Nach seiner Lieblingsfarbe, oder Ähnliches. Er ahnte bereits, dass er in diesem Punkt kein Glück haben würde.

»Warum Amia?«

»Bitte?«

»Warum Amia? Warum ist sie dir so wichtig? Warum bist du ihr gefolgt, als sie dich aufgetrieben hatte? Warum ausgerechnet sie? Du selbst hast gesagt, Fremde interessieren dich nicht sonderlich, aber Amia war eine Fremde. Warum hast du ihr geholfen und bist ihr gefolgt?«

Uff!!! Damit hatte er nicht gerechnet. Sie hätte sich nach den Details seiner Mahlzeiten erkundigen können, seiner Jagdmethoden, seines Alltags ... oder was er in seinen geheimsten Träumen mit ihr anstellte. Alles wäre harmloser gewesen als diese Frage.

»Weil die beiden Hilfe brauchten.«

»Die brauchte ich auch, als ich bewusstlos am Feuer lag. Aber das hatte dich nicht beeindruckt.«

»Das wirst du mir nicht so schnell verzeihen, hmm?« Er hob entschuldigend die Hände.

»Du hast seit dem ein paar Pluspunkte gesammelt.« Sie ließ ihren Kopf auf seine Schulter sinken und schmiegte sich wieder an ihm. »Doch, ich habe es dir verziehen. Aber vergessen werde ich es nicht.« Kurz schwieg sie, bevor sie ernst fortfuhr: »Was war anders bei Amia?«

♥︎Bad Salvation♥︎ - The Girl With The VampireWhere stories live. Discover now