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Es dauerte eine komplette Stunde und Melissa musste das Handy ausstellen, um Taras Anrufversuchen zu entgehen, bevor eine schwarze Limousine mit zwei ungewöhnlich gutaussehenden jungen Männern sie abholte. Wie selbstverständlich hielten diese neben ihr, öffneten die Tür des Audis und geleiteten sie in das andere Fahrzeug, einer der beiden stützte sie dabei am Ellbogen, so wackelig stand Melissa auf den Beinen. Man musste ihr nicht sagen, dass es sich bei den Männern um Vampire handelte, jede einzelne ihrer Bewegungen verriet sie. Die hungrigen Blicke der Vampire ignorierte sie gekonnt.

Sie bezweifelte, dass sie die Chance gehabt hätte, ihre Entscheidung, sich zu Kari bringen zu lassen, zu revidieren. Zu selbstverständlich zogen die Männer sie in das Innere des Wagens. Wieder saß Melissa mit fremden Gestalten in einem fremden Fahrzeug, ohne das eigentliche Ziel zu kennen. Und ohne zu wissen, ob sie wieder heil aus der Sache herauskommen würde.

Man brachte sie in ein kleines Hotel. Der Aufzug fuhr in die oberste der vier Etagen und mündete in einem ausladenden Raum, der mit einer edlen Einrichtung ausgestattet war. Zwei weitere Türen gingen von diesem ab, vermutlich Badezimmer und Schlafraum. Ein imposanter Balkon zog sich vor die gesamte Länge des Raumes. Vampire begnügten sich nicht mit engen, billigen Hotelzimmern.

Die Männer platzierten Melissa trotz ihrer verdreckten Kleidung auf einem breiten, mit teurem Stoff überzogenen, Sofa und wiesen sie an, zu warten. Auch hier hatte sie nicht das Gefühl, dass ein Einwand ihrerseits Gehör gefunden hätte. Einer der Männer stellte ein Glas, gefüllt mit Wasser, vor ihr auf den Tisch ab, dann setzten beide sich links und rechts von ihr in einen Sessel und schwiegen stoisch.

Nervös schlang Melissa die Finger ineinander und knetete ihre Hände. Ungeniert stierten die beiden Vampire auf den Rollkragen an ihrem Hals. Es gab vermutlich kein deutlicheres Zeichen dafür, dass sich erst kürzlich scharfe Fänge an ihrer Kehle gütig getan hatten, als dieses Kleidungsstück. Melissa konnte sich gut vorstellen, dass mindestens jeder zweiter, der erstmals Erfahrung mit einem solchen Biss machte, danach das Bedürfnis verspürte, seinen Hals zu bedecken.

Sie würde den Pullover entsorgen, wenn sie hier wieder herauskäme. Falls sie wieder herauskäme.

Über einer kleinen Kommode hing eine große Analoguhr, deren Zeiger quälend langsam über das Ziffernblatt wanderten und leise vor sich hintickten. Es vergingen dreiundzwanzig Minuten. Dreiundzwanzig Minuten, in denen die Männer schwiegen, Melissa die unterschiedlichsten Rhythmen auf ihren Oberschenkel trommelte und nebenbei die Nagelhaut all ihrer Finger blutig knibbelte.

Erst dann öffnete sich die Tür des Fahrstuhls und entließ eine zierliche Frau. Mit langsamen, kontrollierten Schritten kam sie auf Melissa zugeschritten, den Kopf hoch erhoben. Melissa stockte der Atem. In ihrer Erinnerung hatte sie Kari als perfekte Erscheinung gespeichert, und dennoch kam dieses Bild der atemberaubenden Realität nicht einmal nahe. Ihre kinnlangen Haare umschmeichelten ihr feines Gesicht mit einer Eleganz, die Melissa von niemanden sonst kannte. Selbst Tara würde neben dieser Frau verblassen. Mit einem kühlen Lächeln musterte Kari den Raum, ohne Melissa eines Blickes zu würdigen.

Eine winzige Geste von ihr genügte und einer der Männer sprang aus seinem Sessel auf, drehte diesen Richtung Melissa und deutete mit einer Armbewegung an, dass die Sitzgelegenheit für die Vampirin bereitstand. Fast wirkte der Mann, als würde er sich verneigen.

Unbeeindruckt ließ Kari sich auf das Möbelstück sinken, seufzte theatralisch und lehnte sich zurück, während ihr Blick desinteressiert auf einem unsichtbaren Punkt im Raum hing. Dennoch schaffte sie es, eine perfekte Körperhaltung zu bewahren.

Melissa wagte es nicht, sich zu rühren. Verzweifelt hatte sie versucht sich eine Taktik für das kommende Gespräch zurechtzulegen, doch die Sorge um Nicolas machten ihr das Denken nahezu unmöglich. Karis unverkennbare bedrohliche Präsenz wischte jetzt auch noch den letzten klaren Gedanken aus ihrem Kopf. Wie ein Häufchen Elend saß sie vor der Vampirin, welche ihrerseits eine atemberaubende Autorität verströmte, ein Unterschied, wie er nicht deutlicher hätte sein können.

♥︎Bad Salvation♥︎ - The Girl With The VampireWhere stories live. Discover now