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Gequält stöhnte Nicolas auf. Das mit dem Bindungszauber lief völlig aus dem Ruder. Nicht einmal ungehindert in die Stadt fahren war ihm möglich ohne sie. Wie erwartet war Melissa darüber mindestens genauso wenig begeistert wie er selbst. Zugegeben, er hatte ihr seine Reisepläne nicht unbedingt höflich mitgeteilt, aber wie hätte er es denn angehen sollen? Dieser Trip war alternativlos und ihr unverhohlen seine Pläne zu unterbreiten, keine Option gewesen – sie wäre niemals in den Wagen eingestiegen.

Warum war sie nicht lange schon geflohen? Er hatte ihr genug Anreiz gegeben. Aber sie blieb. Und das, obwohl ihr kleines Herz jedes Mal wie eine Urwaldtrommel schlug, sobald sie sich seiner Nähe bewusst wurde. Wie eine Einladung zerrte dieses Pochen an seiner Selbstbeherrschung. Und zusätzlich bot sie ihm regelmäßig die Stirn und provozierte ihn. Hatte sie eine Ahnung, was sie damit anrichtete? Wie lange würde er in ihrer Nähe den Gleichgültigen spielen können? – Glücklicherweise hatte er in den vergangenen Dekaden gelernt, sich zu kontrollieren.

Den ersten Schritt der Reise hatte er nach Plan erledigt und Melissa sicher in ihr Hotelzimmer gebracht, sodass er in der Lage war sich ungestört seiner Nahrungsaufnahme zu widmen. Nicht geplant war, dass das bloße Wissen um ihre Anwesenheit im Zimmer gegenüber seine Fantasie Achterbahn fahren ließ.

Verflucht, er war so hungrig. Er setzte sich stöhnend auf das Sofa und senkte den Kopf in seine Hände. Die Erinnerung, wie sie über ihm bewusstlos zusammengebrochen war und ihre Wange an seinem Hals gelegen hatte, ließ ihn nicht los. Ihr warmer Atem hatte ihn gestreift, immer und immer wieder, bis die Starre endlich seinen Körper verlassen und er so schnell wie möglich Abstand von ihr genommen hatte. Hilflos hatte sie dagelegen und ihre weiße Haut im Schein des Feuers geschimmert, das Gesicht von dunklen roten Haaren eingefasst, wie ein Rahmen aus Blut. Hätte es eine deutlichere Einladung geben können? Nicht einmal sich selbst gegenüber gab Nicolas zu, dass es ihm eine beachtliche Portion Selbstkontrolle abverlangt hatte, nicht von ihr zu kosten.

Aber er bediente sich nicht an bewusstlosen Personen.

Seitdem hatte er noch nicht einen Schluck getrunken. – Kein Wunder, dass er gereizt war.

Woher nahm sie die Kraft, sich seinen Drohungen zu widersetzten? Und warum beeindruckte es ihn?

Er wurde sie nicht los. Selbst nachdem er sie angegriffen hatte, war sie nicht fortgelaufen wie eine verschreckte Maus, sondern hocherhobenen Kopfes mit bitterböse funkelnden Augen in Sturm und Regen hinausstolziert – und letztlich hatte er ihr folgen müssen.

Sein ernstgemeintes Angebot auf der Lichtung, sie heimzubringen, hatte sie nicht angenommen und die Erinnerung rührte ihn seltsam, wie sie vor ihm zusammengebrochen war und pure Verzweiflung sie überspült hatte. Und doch hatte sie sich wieder erhoben – um sich ausgerechnet ihm anzuvertrauen. Was erwartete sie in ihrem zu Hause, dass sie ihn für die bessere Wahl hielt?

Und warum machte er sich überhaupt Gedanken darüber? – Er war es gewohnt mit Frauen zu spielen, sie um den Finger zu wickeln und sie zu umgarnen – bis sie sich ihm freiwillig anboten. Um sie dann in tiefster Glückseligkeit versinken zu lassen und mit der Erinnerung an feurige Küsse fortzuschicken, taumelnd und mit einem beseelten Lächeln im Gesicht und ohne Wissen über seine wahre Natur. Dafür sorgte zuverlässig der Rausch, welcher durch seinen Biss ausgelöst wurde.

Aber niemals berührte eine dieser Frauen sein Inneres – und das würde so bleiben.
Außerdem war Melissa jetzt Gast in Adams Haus und damit Tabu für Nicolas.

Es wurde dringend Zeit, den Zauber, der keine größere Entfernung zwischen ihm und Melissa zuließ, aufzulösen. Doch dafür war eine gewisse Zusammenarbeit unabdingbar. - Er würde ihr Gelassenheit in seiner Nähe lehren müssen, damit ihr anziehendes Herzrasen ihm nicht länger den Verstand raubte. Das sollte leicht zu bewerkstelligen sein – später.

Nicolas griff nach seinem Mantel und brach zu einem ersten anonymen Snack in der Stadt auf. Danach würde er deutlich entspannter sein, um seine Pläne mit Melissa weiterzuverfolgen. Hatte er das erst erledigt, würde er seinen restlichen Durst in Ruhe stillen können. Fast lautlos fiel die Zimmertür hinter ihm ins Schloss.


♥︎Bad Salvation♥︎ - The Girl With The VampireWhere stories live. Discover now