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Zurück in ihrer kleinen Hütte, machte Melissa sich notdürftig frisch und zog sich um. Kritisch betrachtete sie sich im Spiegel. Erleichtert stellte sie fest, dass weder ihr Hals noch ihre Lippe Spuren des vergangenen Abends aufwiesen. Dennoch entschied sie sich für einen Rollkragenpullover, nur falls sie etwas übersehen hatte.
Schnell bändigte sie ihre zerzausten Haare und hoffte, dass sie es rechtzeitig zum gemeinsamen Frühstück im Haupthaus schaffen würde, als die Tür aufflog.

»Pack deine Sachen. Wir verschwinden von hier?« Grimmig stand Nicolas im Türrahmen und ließ die Augen durch den Raum wandern, als suche er etwas.

»Bitte? Was ist los?« Melissa starrte ihn an wie eine Erscheinung. Vor wenigen Minuten erst hatte Nicolas mit ihr zusammen das Haus erreicht und war, im Vergleich zu seiner Stimmung am Vortag, recht ausgeglichen in dieses gelaufen. Was konnte seit dem geschehen sein, das seine Laune dermaßen schnell kippen ließ?

»Erzähle ich dir später. Jetzt haben wir Dringenderes zu tun. Wir hätten auf keinen Fall so lange fortbleiben dürfen. Verdammt, was habe ich mir nur dabei gedacht?« Ohne zu Fragen öffnete er ihren Kleiderschrank. »Was brauchst du von dem Zeug?«

Melissa blieb der Mund offen stehen. Meinte er das ernst? Nicht einmal einen Grund für seinen Befehl wollte er ihr nennen? Ohne ein weiteres Wort an ihn zu verschwenden, ging sie zur Tür, schlüpfte in ihre Stiefel und verließ die Hütte. Tara würde ihr Klarheit verschaffen.

»Ja klar, stress dich nicht«, hörte sie hinter sich ein grimmiges Knurren. Fast erwartete Melissa, von ihm zurückgerissen zu werden, doch er versuchte nicht, sie aufzuhalten.

Im Wohnraum fand sie ein unerwartetes Quartett vor einer gedeckten Frühstückstafel vor. Auf der einen Seite saßen Tara und Adam, von denen naturgemäß keiner übermäßiges Interesse an Toast und Kaffee zeigte, auf der anderen Seite befanden sich Marlon und Lia.
Melissa blinzelte zweimal, bevor sie grüßte, so ungewöhnlich war dieses Bild. Die Einzige, die beherzt zum Essen griff, war Lia. Marlon hingegen erschien Melissa eher wie ein Geist, beinahe durchsichtig wirkte seine Haut und so blass ... wüsste sie nicht mittlerweile um Adams Ernährungsweise, sie würde ein ernstes Wort mit diesem sprechen. Adam sah hingegen wieder frisch und anmutig aus und strahlte sie mit seinen braunen Augen an, wie sie es gewohnt war.

Melissa war dermaßen abgelenkt von dem Anblick der vier, dass sie zunächst den Geruch nicht einordnete, der im Raum hing. Es roch nach Rauch. Nicht ein wenig Rauch, sondern hoffnungslos verbrannt. Ihr Blick wanderte zu dem Ofen, doch dieser zeigte keinerlei Verfärbungen. Sie hätte erwartet, dass die Decke über der Feuerstelle pechschwarz wäre. Tara folgte ihrem Blick aufmerksam.

»Der Ofen war es nicht.«

»Woher kommt dann dieser ...«

»Es hat gebrannt.«

»Es hat .... WAS?« Panisch sah Melissa sich im Raum um. Amia war nicht - doch da kam das Mädchen bereits die Treppe hinuntergehopst. Melissa atmete tief ein. Was immer hier vorgefallen war, sie fing definitiv an überzureagieren. Und sie begann Nicolas Verhalten besser zu verstehen. Sie hatte direkt an das Schlimmste denken müssen, obwohl es keinen offensichtlichen Grund zur Panik gegeben hatte. Wäre Amia etwas zugestoßen, keiner der Anwesenden hätte so entspannt dagesessen.

»Im Obergeschoss hat sich ein kleines Feuer entwickelt. Es hat nicht lange gebrannt, wir konnten es rechtzeitig löschen. Es kann ausgesprochen praktisch sein, wenn sich zwei superschnelle Vampire im Haus aufhalten.« Tara zuckte mit den Schultern, als tangiere sie das Ereignis kaum, doch ihr wacher Blick verriet das Gegenteil.

»Aber ... aber wie kann sowas passieren?« Melissas Augen wanderten zwischen den Anwesenden hin und her.

»Tara vermutet einen Kurzschluss.« Von Melissa unbemerkt war Nicolas hinten an sie herangetreten und legte eine warme Hand auf ihre Taille. Adam runzelte die Stirn. Ob er noch immer glaubte, dass die Sache zwischen ihr und Nicolas keine gute Idee wäre? Eine unangenehme Stille trat ein und Melissa spürte plötzlich die Blicke aller Anwesenden auf ihrem Hals ruhen. Nur mit Mühe unterdrückte sie den Impuls, sich unter dem hohen Kragen ihres Pullovers zu kratzen. Jetzt waren es ihre Wangen, die Feuer fingen. Sie verfluchte innerlich ihre Kleiderwahl und wünschte sich, ein halsfreies Oberteil angezogen zu haben.

♥︎Bad Salvation♥︎ - The Girl With The VampireWhere stories live. Discover now