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Eine kühle Hand legte sich auf ihren Hals und vorsichtig fuhren die Finger unterhalb ihres Kiefers entlang, bis sie kurz verharrten.

Sie war unglaublich müde und schaffte es nicht, ihre bleiernen Gedanken in eine bestimmte Richtung zu lenken. Das irritierende Gefühl, dass sie eine wichtige Sache überging, klopfte an ihr Unterbewusstsein. Doch das musste warten, zu einladend war das warme Wohlgefühl, welches sie sanft dahinschaukelte und ihren Körper mit einer unvergleichlichen Entspannung durchströmte. Es schien, als würde eine weiche Schicht aus Nebel alle Sorgen von ihr fernhalten.
Diese Hand, war das Nicolas? Er musste es sein.

Ein Nagen arbeitete in ihren Hinterkopf, als wenn etwas Unheilvolles auf sie lauerte. Sie brauchte jetzt Nicolas' Nähe, in seinem Armen wollte sie weitertreiben, die warmen Wellen zusammen mit ihm genießen. Sie versuchte, den Kopf zur Seite zu legen, um sich in seine Hand zu kuscheln, doch dieser kippte unkontrolliert auf ihre Schulter. Nicolas legte seine Finger nicht an ihre Wange, wie sie es gehofft hatte, sondern zog diese weg. Sehnsüchtig seufzte sie auf.

»Ich denke, du kommst nun alleine zurecht. Hat lange genug gedauert, warst ganz schön zugedröhnt.« Diese Stimme, sie war so falsch. So anders. So ... nicht Nicolas. Melissa versuchte, ihren Kopf hochzuheben, doch er sackte nach vorne weg. Ihre Augenlider waren wie zugeklebt. Wieder trug sie dieses Vibrieren in jeder einzelnen Körperzelle fort.

Als etwas auf ihre Wangen klopfte, brummte sie protestierend.

»Hey, Mädchen! Zeit zum Aufwachen. Du hast es überstanden. Ich mach mich mal vom Acker.« Schon wieder diese verkehrte Stimme. Die Stimme störte.

Neben ihr raschelte es, ein Klacken erklang und kühle Luft umströmte unvermittelt ihr Gesicht. War das das Zuschlagen einer Tür? Abermals versuchte Melissa die Augen zu öffnen. Es gelang ihr nur kurz. Wo war sie? Ihr Kopf sackte erneut weg, diesmal zur rechten Seite, und stieß unsanft gegen eine harte Oberfläche. Die Wellen zerstoben zu einem ungemütlichen Chaos. Sie musste sich konzentrieren. Das Nagen an ihrem Unterbewusstsein wurde drängender, zwängte sich nach vorne. Was war ihr entfallen? Sie hob erneut die Lider, kurz flackerten diese auf, bevor sie sich mit verschwommenem Blick umsah. Ihr Kopf lehnte an einer Scheibe in einer Tür. Sie war in einem Wagen. Nicolas' Wagen. Warum schlief sie hier? Tief holte sie Luft, bewegte sich behutsam und erlangte schließlich ein wenig Kontrolle über ihre Muskulatur.

Ihr war so kalt. Trotz der großen Decke, in welche sie gewickelt war. Nein, keine Decke, ein schwarzer Mantel.

Bilder blitzten vor ihrem inneren Auge auf.

Nicolas, der in einem Türrahmen stand. Sie selbst, wie sie sich in seine Arme fallen ließ. Und eine Spritze.

Ihr wurde noch kälter, eisig kalt. Hektisch fing sie an zu atmen, viel zu schnell, doch die Luft erreichte kaum noch ihre Lungen. Ihr Herz raste und Übelkeit überrollte sie. Nein, das konnte nicht sein. Durfte nicht sein. Nicolas hatte das nicht wirklich getan. Panisch sah sie sich im Auto um. Sie war allein. Wo? Der Wagen stand in einer nichtssagenden Feldeinfahrt, neben sich eine schmale Straße. Wo war Nicolas?

Er konnte es nicht getan haben. Er hatte es ihr versprochen. Ihr würde nichts geschehen, solange er bei ihr war.

Warum war er nicht hier? Verammt, Sie musste sich konzentrieren. Stückchenweise kamen die restlichen Erinnerungen.

Sie sollte fortgebracht werden, wenn der Mann Nicolas hatte. Dieser entsetzliche Mann, er machte ihr solche Angst. Aber dieser hatte beim zweiten Türöffnen nicht dortgestanden, sondern Nicolas. Er hielt und schützte sie, bis ... die Nadel, die sich in ihren Arm schob. Alles um sie herum verzog sich in weite Ferne und nur die wohligen Wellen blieben.

♥︎Bad Salvation♥︎ - The Girl With The VampireWhere stories live. Discover now