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Nicolas schaltete das Display seines Smartphones ab. Die Nachricht hatte sich in sein Gehirn eingebrannt. Während er die Augen schloss, zog er tief die Luft ein. Sekundenlang. Dann erhob er sich und ging betont langsam zur Gartentür des Wohnraums. »Ich habe vergessen, Melissa etwas zu fragen. Bin gleich wieder da.«

»Solange du deine Zähne beim Fragen nicht benötigst ... Sie kann dich nicht alleine ernähren.« Tara.

»Das ist mir bewusst.« Er benötigte seine gesamte Selbstkontrolle, um unauffällig weiterzuatmen.

»Ich wollte nur sicher sein.«

»Vertrau mir ein einziges Mal.« Und mit diesen Worten schloss er die Tür hinter sich.

Keine Geräusche drangen aus ihrer Hütte. Kein Licht. Die Tür unverschlossen.

Keine Melissa.

Das Fahrrad, das an ihre Hüttenwand gelehnt hatte, war fort.

Fuck.

Dennoch untersuchte er den Raum. Eine Tasche mit Klamotten, hastig hineingestopft, das Bett ordentlich hergerichtet, ein Tisch mit einer leeren Kaffeetasse, der blaue Sessel in der Ecke. Dahinter ein blaues Stoffhäschen, das vermutlich Amia hier vergessen hatte und das Bücherregal an der Wand. Der Kleiderschrank, der halbgeöffnet dastand. Nichts, dass ihm weiterhalf. Kein Handy, keine Nachricht.

Er öffnete das kleine Fach im Regal und fand einen Stapel Blätter. Zögernd entfaltete er eines und sah – sich selbst. Das musste Melissa gezeichnet haben. Er betrachtete ein weiteres Blatt und entdeckte erneut sein Gesicht. Noch eines zog er hervor. Wieder er. Als er alle Blätter ausgebreitet hatte, lagen vierzehn Porträts vor ihm. Fassungslos schaute er auf die Kunstwerke. Jedes einzelne zeigte ihn. Melissa musste angefangen haben ihn zu zeichnen, lange bevor sie sich nahegekommen waren. Vorsichtig legte er die Blätter zusammen und quetschte sie zurück in das kleine Fach. Seine Hände zitterten.

Was tat er hier? Das brachte ihn nicht weiter. Melissa war fort. Sie war seinen Anweisungen nicht gefolgt. Wieder einmal. Er hätte damit rechnen müssen. Hatte er jedoch nicht. Jetzt musste er die Konsequenzen tragen.

Er lehnte sich mit der Stirn gegen den Kleiderschrank. Am liebsten hätte er den Kopf gegen diesen geschlagen. Immer wieder, bis das Holz zerbarst – Aber auch das half ihm nicht.

Beruhigen. Er musste sich beruhigen. Er zwang seine Lungen, gleichmäßig die Luft einzusaugen, ignorierte den Drang, hektisch zu keuchen. Seine Hände ballte er zu Fäusten, doch es gelang ihm nicht, das Zittern zu unterdrücken. Egal. Es musste irgendwie gehen.

Als er den Wohnraum betrat, fixierten ihn Taras Augen. Es würde ihm nicht lange gelingen, sie zu täuschen. Das unausgesprochene Fragezeichen in ihrer Miene verriet, dass sie etwas ahnte.
Seine Stimme musste jetzt fest bleiben und bestimmt. Sie durfte keine Unsicherheit verraten.

 »Planänderung. Ihr fahrt bereits jetzt los. Es gibt keinen Grund, länger zu warten. Ich komme mit Melissa nach, wenn sie mit Duschen und packen fertig ist. Wir passen ohnehin nicht alle in einen Wagen.« Sein Blick verriet, dass er keinen Widerspruch duldete und wirkte dennoch unaufgeregt. Er hatte es sich anders überlegt. Nicht unverständlich, war er doch bereits den gesamten Tag übernervös.

Taras Augenbrauen zogen sich zusammen. »Wir sollen ohne euch fahren?«

»Ja.« Kurze Antwort. Lässig. »Je eher ihr geht, desto schneller seid ihr in Sicherheit.« Ungerührt zuckte er mit den Schultern. »Maurice weiß Bescheid. Er wird euch hineinlassen.«

»Bist du sicher, dass ...«

»Ja, absolut. Pass gut auf die beiden auf. Wir sehen uns später im Gästehaus.«

♥︎Bad Salvation♥︎ - The Girl With The VampireWhere stories live. Discover now