Kapitel 25

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Ich steuere zielsicher auf meinen Koffer vor dem grauen Boxspringbett zu. Es herrschen sonnige 23 Grad, also sollte ein Kleid passend sein. Nur welches? Ich schaue fragend zu den orangen Dahlien in der Vase auf dem Nachtschränkchen und wieder zurück. Warum nicht das blau geblümte? Es ist nicht sonderlich lang, aber wir gehen ja in kein Schnösel-Restaurant, oder? Ich sollte ihn lieber fragen.

'Wohin gehen wir?' Es dauert nur Sekunden, bis er meine Nachricht sieht.

'In Anbetracht der Tatsache, dass Sie jedes erstklassige Restaurant als Schnösel-Restaurant betiteln würden und Sie fürchten, von den Portionen nicht satt zu werden, schlage ich Camden Market vor.' Als hätte er meine Gedanken gehört.

'Wehe, es ist nicht gut!' Ich weiß nicht einmal, was das ist und muss googeln.

Oh, es ist ein riesiger Markt voller Essensstände. Ich könnte mir Miran dort nicht vorstellen, aber der Fakt, dass er mich dahin führt, ist umso aufregender. Dann passt mein Kleid perfekt. Eigentlich bin ich fertig. Ich muss nur noch Parfüm auftragen und meine weißen Chucks anziehen, aber irgendwie ... ein kleiner Eyeliner schadet nicht. Oder doch ein bisschen länger. Narins grinsendes Gesicht schleicht sich in meine Gedanken. Mach ihn schön verführerisch, flüstert sie mir zu und genau so endet es auch. Noch etwas Mascara und ich bin fertig. Lippenstift. Ich zögere. Wenn wir essen gehen, macht es wenig Sinn, aber zufälligerweise habe ich sehr langlebige Lippenstifte eingepackt. Vor allem der rote Lippenstift. Hm. Ach komm. Einmal ist keinmal. Ich trage ihn liebevoll auf, nehme meine Handtasche und trete heraus. Mein Herz setzt aus, als ich direkt in seine blauen Augen sehe. Damit habe ich nicht gerechnet. Wenn ich ehrlich bin, habe ich mich doch ein wenig mit meinem Selbstbewusstsein überschätzt. Mir ist heiß. Ich weiß nicht, wie ich seinen überraschten Blick zu deuten habe. Ist es doch zu viel? Findet er, dass ich mit roten Lippen wie ein Clown aussehe? Es wäre nicht das erste Mal, dass ich so etwas höre.

Ignorier' es, Shirin. Lauf einfach. Ich versuche es beim Schließen der Tür, aber ich werde das Gefühl nicht los, dass er mich die ganze Zeit beobachtet. Selbst den Weg zum Aufzug fühle ich mich durchlöchert. Mein Herz rast. Meine Nasenspitze juckt, als wüsste sie, dass eisblaue Augen meinen prickelnden Rücken durchbohren. Ausgerechnet jetzt müssen wir lange auf den Aufzug warten. Er steht hinter mir. Nicht neben mir, wirklich hinter mir. Was denkt er? Muss er so still sein? "Wo kann man hier Geld wechseln?", murmele ich. Noch hickse ich nicht. "Ich habe das entsprechende Geld bei mir." "Ich aber nicht." "Brauchen Sie auch nicht. Ich zahle, Shirin." "Nein", hickse ich. "Doch. Ende der Diskussion." Huch! Ich schiele überrascht zu ihm. Das war sehr ... ausdrücklich. "Aber ich muss Haarpflegeprodukte kaufen", murmele ich überrascht von der Strenge am Ende seines Satzes. "Seien Sie sich sicher, dass ich genug Geld dabei habe." Irgendetwas in meinem Gehirn beginnt seinetwegen zu schnurren ... das ist nicht gut. Ich belasse es dabei und steige in den Aufzug.

Ich rechne dabei nicht, direkt in seine Augen zu schauen. Miran fühlt sich anscheinend so wohl dabei, mich zu beobachten, dass es ihm egal ist, dass er starrt. Okay ... dann schaue ich eben auf sein T-Shirt. Schöne Farbe. Weiß steht ihm. Es betont seinen schönen, leicht gebräunten Hautton. "Schöne Uhr", murmele ich. "Was ist das für eine?" "Audemars Piguet." Aha. Ich nicke, spitze meine Lippen. "Wie heißt das Modell?" "Royal Oak Selfwinding." Sagt mir absolut nichts, aber es ist besser als die Stille und seine starrenden Augen. "Wie viel kostet so eine? Vielleicht hole ich mir auch eine." Ich zögere, schaue aber zu ihm auf. Direkt in seine Augen, die mich wahrscheinlich kein einziges Mal verlassen haben. Ich wollte eigentlich diejenige sein, die ihn verspeist, aber wie es den Anschein hat, bin ich nur die gutaussehende Speise. "Über fünfzigtausend." Meine Lippen spalten sich. Dieser Mann schwimmt in Geld. "Oh ... vielleicht ... in Ratenzahlung dann", murmele ich. Gott, blinzelt dieser Mann überhaupt? Mein Gehirn traut sich nicht einmal Geigen zu spielen seinetwegen. Ich halte das nicht aus. Ich drehe mich einfach der Ecke zu und verweile peinlich berührt in dieser Position, bis ich den Aufzug verlassen darf - und an ihm vorbeimuss! Er bleibt die ganze Zeit hinter mir. Selbst, als der Mitarbeiter sein Auto vorfährt und ihm den Schlüssel überreicht.

Tollpatschige LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt