Kapitel 30

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Die Fahrt über sprechen wir kein Wort miteinander. Miran, weil er offensichtlich etwas gesagt hat, was nicht ans Tageslicht kommen sollte und ich, weil ich deshalb betrübt bin. Die Stille deshalb ist erdrückend und ich bin mehr als nur dankbar, als wir endlich ankommen. Selbst, als Miran aussteigt und mir aus dem Wagen hilft, spüre ich die Veränderung. Da bringt sein kleines Lächeln auch nichts. Ich bin hin- und hergerissen, es anzusprechen. Vielleicht könnte ich seine Laune damit weiter herunterziehen und bei diesem wunderschönen Wetter und all den blühenden Blumen möchte ich das nicht. Ich muss aber zugeben, dass meine Laune sich bessert, als seine Finger vorsichtig mein Haar frisieren und mein Kleid richten. Das kleine Zupfen hier und dort kribbelt so angenehm. Ich mag das. Vor allem mag ich die Sanftheit in seinen Augen, sobald er meine Haare berühren darf. "Ich könnte mich stundenlang mit deinen Haaren beschäftigen." Und ich würde es zulassen, wenn die Leere und Betrübtheit aus deinen Augen damit verschwinden. Miran dreht eine Strähne in die Richtung, in die sie sich lockt, um sie weiter zu definieren, ehe er mich zufrieden ansieht. Seine Augen glänzen und ich sehe, dass es nicht an der Sonne liegt. Mein Herz pocht ganz aufgeregt. So fühlt es sich also an, geliebt zu werden.

"Komm." Er nimmt meine Hand. Der Park ist riesig und so wunderschön bepflanzt. Blaue, lila, rosa, weiße und auch orange Blumen sehe ich an jeder Ecke. Wie wunderschön die Wildblumenbeete blühen. Ich sehe sogar einige Schmetterlinge auf den Blüten sitzen. Hier könnte ich Stunden verbringen. Ich kann mich gar nicht sattsehen! "Dir scheint der Park zu gefallen." Mein Blick gleitet von den blauen Blumen zu seinen blauen Augen. "Ich liebe ihn." Und damit meine ich auch dich. Miran tritt näher zu mir heran, umschließt meine Armbeugen dabei, als er seinen Satz ansetzt. "Ich auch." Er beugt sich zu mir hinunter. So nah, dass seine Lippen meine streifen. "Ich liebe diese kleine Mutternatur über alles." Die Vibration seiner Stimme nimmt meinen gesamten Körper ein. Ich verliere für einen Moment den Bezug zur Realität. Viel zu sehr bin ich gefangen im Gemisch seines Duftes, seiner Wärme und seiner Lippen. Mein Bauch kribbelt, als würden die Schmetterlinge auf den Blumen in meinem Inneren flattern.

Mich verlässt ein unerwarteter Hickser. Es mag zwar sein, dass wir jetzt in einer Beziehung sind, doch das heißt noch lange nicht, dass er mich nicht mehr nervös macht. Meine Lippen streifen bei dem Ruck seine Lippen etwas fester als seine beim Sprechen. Wir beginnen zeitgleich zu lächeln deshalb. "Komm", lächelt Miran. Seine Hand legt sich auf mein Kreuz und führt mich weiter an den ganzen wunderschönen Blumen vorbei. Ich kann nicht anders. Ich muss Fotos schießen. Ganz viele. Aus verschiedenen Winkeln und aus unterschiedlichen Abständen. Sogar welche mit Schmetterlingen schieße ich. Wunderschön. Ich liebe es. "Am liebsten hätte ich einen riesigen Garten. Ich will so viele Blumen pflanzen", erzähle ich ihm verträumt. Ich weiß nicht, wie die Natur es schafft, aber ich beruhige mich jedes Mal, wenn ich sie spüren darf. Ich könnte stundenlang durch ein Gartencenter laufen, nur weil ich dann von so vielen Variationen der Natur umgeben bin. "Vergiss das Terrassen-Projekt nicht." Stimmt! An seiner Terrasse kann ich üben und irgendwann expandieren. Ich freue mich! "Deine Terrasse wird voller Blumen sein", verspreche ich ihm. Sein Lächeln nimmt beim Erblicken meines Lächelns zu. "Ich warte sehnsüchtig darauf, Shirin. Aber jetzt erwartet uns etwas anderes." Damit dreht er mich nach rechts auf die Wiese und oh!

"Picknick!" Ich vergesse Miran für den Moment, in dem ich auf die Decke zurenne. Neben einem großen, gefüllten Korb liegt ein Strauß mit orangen Dahlien. Beim Nehmen des wunderschönen Straußes fällt mir auf, dass es mehrere Arten sind. In der Mitte blüht eine wunderschöne, große Café au Lait Dahlie in Buttercremefarbe, umringt von Seerosen-Dahlien. Dazwischen ploppen immer wieder kleine einfachblühende Dahlien auf. So viele schöne Orangetöne, ich liebe es! "Gefällt er dir?" Ich bemerke ihn erst jetzt wieder hinter mir. Noch kann ich meinen Blick nicht von diesem Blumenstrauß reißen. "Ich liebe ihn", flüstere ich. Er ist atemberaubend schön. Ich werde ihn trocknen und gut lagern. "Pflanzt du auf meiner Terrasse auch Dahlien?" "So viele du willst", lächele ich. Mein Herz pocht wieder ganz erfreut bei dem sanften Kuss auf meine Schläfe. "Dann bin ich umgeben von kleinen Shirins", raunt er in mein Ohr. Ich kichere deshalb. Miran hält mir seine Hand hin, damit ich mich hinsetzen kann. Kurzerhand ziehe ich mir dann die Schuhe aus, weil es etwas unbequem ist, mit Absätzen zu sitzen. Miran ist dabei so nett und übernimmt den zweiten Schuh für mich. "Ich möchte dir noch einige Orte zeigen. London ist vielfältig, sodass wir alles in den Folgetagen nicht schaffen werden. Ich bin auch am Überlegen, die Reise zu verlängern." Huch! Ich schaue verdutzt zu ihm. Er sagt das so locker-flockig, während er die Schnüre um meine Wade löst, als würde keine Firma von ihm geleitet werden.

Tollpatschige LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt