Kapitel 28

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Miran bindet gerade mein grünes Seidentuch mit den orangen Ornamenten um meine Haare. "Rutscht es beim Schlafengehen nicht ab?", fragt er mich, als er meine Schultern sanft drückt. Meine Muskeln prickeln deshalb angenehm. Ich realisiere es immer noch nicht ganz, dass wir jetzt weniger diskret sind. "Doch. Deshalb lege ich immer ein extra Seidentuch auf mein Kissen. Das rutscht auch ab und zu weg, aber es bleibt nur noch wenig Öl auf dem Kissenbezug." Außerdem mag ich den Geruch der Öle. Wäre ich zu Hause, hätte ich noch Nelken und Rosmarin in die Flasche gegeben. "Wollen Sie das Öl auch mal-," "Shirin", ermahnt er mich. Ich beiße mir sofort auf die Zunge und drehe mich entschuldigend zu ihm. "Tut mir leid." "Du hast mir einen Heiratsantrag gemacht und mich dabei geduzt. Wie kann es dir jetzt so schwerfallen?" Ich zucke nur unbeholfen mit meinen Schultern. "Vielleicht wegen der Diskretion?" "Shirin", stöhnt er erschöpft. Was denn? Ich nehme meine Arbeit ernst. "Ist doch besser so. Am Ende duze ich Sie auf der Arbeit und die Leute kriegen Wind davon." Moment ... wie wird es denn jetzt ablaufen? Mein Blick zeigt Miran meine unausgesprochene Frage.

"Es wäre doch gut, wenn es keiner vorerst erfährt, oder?" Seine Augenbrauen ziehen sich zusammen, als hätte ich ihn wieder ungewollt beleidigt. Habe ich etwas Falsches gesagt? Mir wird schon warm vor Verlegenheit. "Was?", murmele ich. "Nichts", erwidert er leiser, doch das Zucken seines Kiefers sagt mir doch, dass da noch etwas dahintersteckt. "Wenn es das ist, was du möchtest, dann bleibt es vorerst geheim." "Hatten Sie andere Pläne?" "Shirin, siezt du mich noch einmal, habe ich ganz gewiss andere Pläne mit dir." Oh ... oh. Ein Teil meines Gehirns beginnt wieder zu schnurren bei seiner dominierenden Ader. So kenne ich meinen Chef ja gar nicht. "Geben Sie mir Zeit." "Es ist hoffnungslos", seufzt er kopfschüttelnd. Ich kichere deshalb. Er ist niedlich, wenn er erschöpft wirkt. "Wird Zeit für die Haarpflege." Ich nehme die ölige Auftrageflasche zur Hand und stelle mich auf meine Knie, ganz nah an ihn. Narins schmutziges Grinsen dringt in meine Gedanken zurück. Genau so, Shirin. So schmecken deine Früchte am besten. Daraufhin rutsche ich doch einen Zentimeter zurück. "Hast du noch Schmerzen an den Schenkeln?" "Es ist viel besser. Ich muss dann kopfüber duschen." Und der alleinige Gedanke daran lässt mich genervt aufstöhnen. "Was ist?" "Ich habe immer Rückenschmerzen danach, weil es so anstrengend ist, kopfüber die Haare zu waschen."

"Ich übernehme es." Seine Hände gleiten zu meiner Taille und lassen mich somit in meiner Arbeit träger werden. Ich muss nur das Öl auf seine Kopfhaut auftragen, aber ... seine Hände. Ich habe das Gefühl, dass sie fast meinen gesamten Bauch und Rücken bedecken können, weil sie so groß sind. Ich trage mehrere Spuren des Öls in engen Sektionen auf seiner Kopfhaut auf, kippe seinen Kopf gegen meinen Oberbauch, um auch den Hinterkopf zu versorgen. "Ölen kann ich sehr empfehlen. Es hilft gegen Haarausfall." Aber bei dem vollen Haar muss er sich keine Sorgen machen. So schön es auch ist, sie zu ölen und seine Kopfhaut anschließend zu massieren und zu kratzen, schweifen meine Gedanken ab. Wie wird das Arbeitsleben jetzt? Wie wird es sein, wenn die anderen es erfahren? Würden sie sich von mir abwenden? Würde Narin mich anders sehen? "Warum möchten ... möchtest du es nicht privat halten?" "Was besorgt dich, Shirin?" Ich zucke als Antwort mit meinen Schultern. "Die anderen." "Denkst du wirklich, sie würden es wagen, etwas gegen die lebenswerte Frau ihres Vorgesetzten zu sagen, obwohl sie sich durch ihren wunderbaren und aufgeschlossenen Charakter den besten Ruf im gesamten Gebäude verschafft hat?" Meine Lippen zucken. "Genau davor habe ich Angst. Was ist, wenn sie mich nicht mehr so sehen?" "Es gibt keinen Grund, warum es so sein sollte. Selbst der Chef kann deiner Art nicht widerstehen." Für ihn ist das ein leichtes Spiel. Die anderen sind von ihm abhängig. Sie würden sich niemals trauen, ihn schlecht zu behandeln.

"Ich brauche meine Zeit", erwidere ich leiser. "Bekommst du, Shirin." Seine Hand schmiegt sich an meine Wange. Kombiniert mit dem sanften Duft der ganzen Öle auf seiner Haut, entsteht eine neue Verknüpfung in meinem Kopf. Mein Wohlfühlort. Meine Komfortzone. Ich lasse meine Hände zu seinem Dreitagebart wandern, um endlich meinen Wunsch zu erfüllen. "Du weißt gar nicht, wie lange ich mich danach gesehnt habe, deinen Bart einzuölen." "Fühl dich frei, dieser Sehnsucht immer nachzugehen." Ich lächele. Mein Herz pocht freudig in meiner Brust. Ich kann bei seinem sanften Lächeln gar nicht widerstehen und muss ihn wieder küssen. Ein wenig länger, ein wenig langsamer. Meine Nägel gleiten über seinen Bart hinab zu seinem Kiefer, erzeugen ein kleines, kratziges Geräusch, bevor sie sich festkrallen. Ich schmunzele, als ich kurze Zeit darauf das Öl schmecke. "Du schmeckst nach Kokos- und Olivenöl." "Nur?", murmelt er gegen meine Lippen. Ich grinse. "Wären Nelken und Rosmarin dabei, hätte ich diese auch sicherlich herausgeschmeckt." "Dann weiß ich für das nächste Mal Bescheid." Unsere Lippen verziehen sich zeitgleich zu einem verschmitzten Lächeln. Ich genehmige mir noch einen Kuss, ehe ich zu meinem Koffer laufe und ein weiteres Seidentuch hervorhole. "Hast du eine ganze Kollektion mitgenommen?" Ich summe stolz. Miran wird putzig aussehen. Dieses Seidentuch ist ebenfalls grün, nur hat es pinke Ornamente. Es wird wunderbar mit seinen blauen Augen harmonieren.

Tollpatschige LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt