Kapitel 33

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Ich habe mich die gesamte Woche tapfer mit meinen Haaren geschlagen. Mich bringen die Blicke zwar immer noch ins Schwitzen, aber mich überkommt immer eine Woge der Erleichterung, wenn sie mir dann ein Kompliment machen. Gestern habe ich sogar die gute, alte Marianne getroffen, die ganz entzückt von meinen Locken war. Nach außen habe ich mich nur für das Kompliment bedankt, innerlich jedoch tausendfach für den Kuss im Gartencenter, der dank ihr und ihrer Freundin entstanden ist. Es war eine kleine Herausforderung, allein mit einem Kunden zu sein, aber auch das habe ich gemeistert und dieses Mal war es von mir gewollt, dass Miran nicht dabei ist. Er hatte sich zwar dagegen gewehrt, aber für mich ist es wichtig, jetzt zu wachsen. Ich begleite meinen älteren Kunden noch zum Aufzug und drehe mich dann grinsend zu Narin. "Die Kooperation steht!", grinse ich und hebe beide Daumen hoch. Sie lächelt breit, sodass ich ihr Zahnsteinchen auf ihrem linken Eckzahn sehen kann. "Wenn nicht du, wer dann? Ich will jetzt schon am liebsten Schluss machen." Heute findet unsere Pyjamaparty statt. Auch ich denke die ganze Zeit daran und habe fast mit meinem Kunden darüber gesprochen, als er mich gefragt hat, wie es mir geht. "Ich auch. Was wollen wir essen?" "Ich schaue gerade. Sushi oder doch etwas Frittiertes?" Ich spitze nachdenklich meine Lippen und trete beim Hören des Aufzuges zur Seite, der sich jetzt öffnet.

"Shirin, kommen Sie bitte mit." Mir wird ganz kalt, als ich mich verdutzt zu meinem Chef drehe, der an mir vorbeiläuft. Er wirkt so kühl ... das macht mich nervös. Ich schaue unsicher zu Narin, die mich mit angezogenen Augenbrauen betrachtet. Auch sie scheint keine Ahnung zu haben, was los ist. Daher gehe ich seiner Bitte nach und trete mit gesenktem Blick durch die Tür, die er aber netterweise für mich aufhält. Habe ich heute etwas Wichtiges vergessen? Unmöglich. "Hab' ich was falsch gemacht?", murmele ich leise, als er die Tür schließt. "Nein", erwidert er leise raunend. Meine angespannten Schultern fallen, als er seine Hand auf mein Kreuz legt. Ich habe also nichts Schlimmes getan. "Komm." Verwirrt bleibe ich dennoch den ganzen Weg über zu seinem Tisch. Mein Blick gleitet immer wieder zu ihm, bis ich von seinen Händen zu ihm gedreht werde und überraschenderweise seine Lippen auf meinen spüre. Im ersten Moment bin ich verdutzt, im zweiten erwidere ich, doch im dritten wird mir klar, dass wir auf der Arbeit sind. "Miran", murmele ich. "Es könnte jemand-," "Niemand kommt rein", unterbricht er mich fest und sicher. Seine Hände umschließen unterhalb meiner Ohren meinen Hinterkopf samt Locken. Mir bleibt keine Chance zu widersprechen bei seinen hungrigen Lippen. Die Wucht dahinter drückt mich auf seinen weichen Bürosessel.

Ich keuche erschreckt, doch das hält ihn nicht davon ab, über mich herzufallen. Es ist ein wunderschöner und intensiver Kuss, aber ich komme kaum hinterher. "Atempause", flüstere ich. Wenn ich weitermache, dann kippe ich um. Puh! Für sein Alter hat er noch echt gute Lungen. Wir atmen beide tief ein und aus - ich stärker als er. Seine Lippen sind ein wenig dunkel von meinem Lippenstift, daher winke ich ihn zu mir. "Du hast da Lippenstift", flüstere ich, als er sich vor mich hinhockt. "Dir steht es, auf meinem Stuhl zu sitzen." Hoffentlich haben wir uns nicht so laut geküsst, dass die anderen es gehört haben. "Ich muss aber wieder arbeiten." "Das Relevante hast du abgehakt. Vielen Dank für die Kooperation." Ich lächele verlegen, als ich seine Lippen von der Farbe befreie. Es freut mich immer sehr, wenn ich gelobt werde. Es füllt die kleine Lücke der Anerkennung für meine Mühe. Auch Miran lächelt zufrieden, als er meine Lippenränder für mich korrigiert. "Wenn du nichts mehr zu tun hast, dann geh nach Hause." "Ich möchte gleichzeitig mit Narin gehen. Sie übernachtet heute bei mir." "Das gesamte Wochenende?" "Ich hoffe doch." Wenn sie nicht kann, dann ist das auch okay, aber wenn sie bleiben möchte, dann können wir gemeinsam am Sonntag einen Fresh-Day machen. Wir können auch gemeinsam am Montag zur Arbeit.

"Wie steht es mit dem nächsten Wochenende?" "Aktuell habe ich nichts geplant, aber ich sollte dringend meine Familie wieder besuchen. Sie vermissen mich." Ich habe noch gestern vor dem Schlafengehen mit ihnen gesprochen. Vielleicht sollte ich meine Mutter schon einmal vorwarnen, dass ich einen Mann gefunden habe. "Das tue ich ebenso, Shirin. Du bist sehr seriös, was das Trennen deines Privat- und Arbeitslebens angeht." Ich plappere zwar viel mit den Kollegen über einige Erlebnisse, aber bis jetzt habe ich noch nie verraten, dass ich mit unserem Chef zusammen bin. Daher grinse ich stolz. "Betriebsgeheimnis." "Wahrlich." Miran dreht eine Locke über meiner Schulter. "Ich würde es meiner Mutter dieses Wochenende sagen." Daraufhin heben sich seine Augenbrauen überrascht. Warum? "Zu früh?", murmele ich unsicher. Bin ich zu aufdringlich? "Nein, das ist es nicht. Nur bin ich überrascht, weil du sonst so verschwiegen zu dem Thema bist." "Ja, aber ... das ist meine Mama." Miran schmunzelt bei meinem Argument. "Das stimmt. Dennoch dachte ich, dass du es erst deiner Freundin beichten wirst." Da ist was dran. Ich senke nachdenklich den Blick deshalb. Meine Gedanken überschlagen sich mit Pro und Kontra. Narins Aufgeschlossenheit gibt mir das Gefühl, dass sie sich freuen würde, aber was ist, wenn sie doch anders bei unserem Vorgesetzten denkt?

Tollpatschige LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt