Kapitel 3

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Während mein Chef mich bestimmt auslacht oder sich doch die Kündigung für mich überlegt, versuche ich mich irgendwie zu beschäftigen, bis es 16:00 Uhr ist. Was könnte ich jetzt machen? Ich habs! Schnell greife ich mir meine Tasche und laufe aus dem Büro. Vor der Tür meines Chefs mache ich einige Atemübungen, damit ich nicht in Hysterie verfalle und klopfe an. Als er mich hereinbittet, wird mir warm und dass er mich ansieht, macht es noch schlimmer. Er hat so schöne Augen. "Dürfte ich in die Stadt?" Fragend nickt er. Vielleicht ist er doch ganz nett. "Wieso denn?", möchte er wissen. Er hat eine schöne Stimme. Und so schöne Lippen. Und einen noch schöneren Bart. Er kann bestimmt alle Bollywoodlieder nachsingen. "Ich möchte Pflanzen für mein Büro kaufen. Es ist so nackt." Seine Mundwinkel zucken. Ich hoffe, er lacht mich nicht aus. "Nackt?", hakt er nach und versteckt seine Belustigung nicht. Er hat ein schönes Lächeln. Vielleicht werde ich doch nicht gekündigt. "Ja, nackt. Es ist alles so geplant gehalten. Es sieht so leblos aus. So trocken und unpersönlich. Als wäre Spaß verboten. Wie im Gefängnis oder in Krankenhäusern. Haben Sie das so gewollt?", frage ich skeptisch, weswegen sich seine Augenbrauchen heben. "Haben Sie etwa ein Problem damit?"Oh Gott, sei doch still, Shirin! Meine Augen weiten sich, aber dieses Mal kann ich meine Hand davon abhalten, zu meinen Mund zu schnellen, indem ich einen verkrampften Übergang zu meinem Nacken schaffe, der zwar nicht juckt, aber jetzt gekratzt werden muss.

"Nein, nein! Also, doch, es ist irgendwie ... schon gut", murmele ich zum Schluss und verlasse das Büro, bevor ich einen Schluckauf-Anfall erleide. Ich sollte mir Beruhigungstropfen kaufen. Peinlich berührt laufe ich zum Aufzug und fahre mit meinem roten Käfer zu einem Blumengeschäft, wo ich mir die Orchideen ansehe. Als mein Blick auf die gelben Rosen fällt, muss ich grinsen. Ich liebe gelbe Rosen. Sollte ich welche mitnehmen? Nein, lieber nicht. Sie verwelken zu schnell, aber sie sind im Angebot! Diese 1,99 Euro sind es mir wert. Oh Gott, orangene Rosen gibt es auch! Perfekt! Ich liebe orangene Rosen! Mein Einkauf ist schnell getätigt und ich bin stolze Mama von zwei Orchideen und Rosen. Ich lege sie grinsend nach hinten, wo ich sie anschnalle und zurück zu meiner Arbeitsstelle fahre. Jetzt sehe ich erst, dass es sich bei dem Parkplatz um den reservierten des CEOs handelt. Na ja, er ist breit. Da passt mein Käfer sicherlich auch rein, wenn der bittere Kaffeetrinker ein wenig weiter rechts parkt. Nebenbei höre ich Billie Jean zu Ende, entgurte mich und meine Pflanzen und laufe in das riesige Gebäude. Die Frau an der Rezeption lächelt mich an, was ich erwidere, woraufhin ich vor dem Aufzug stehe und versuche den Knopf zu drücken, was sich als schwer erweist, da beide Hände von mir jeweils eine Orchidee tragen und ich mit der letzten Kraft in meinen Fingerspitzen meine Rosen festhalte.

"Ich glaube, Sie benötigen Hilfe." Ich drehe mich überrascht um. Oh! Verlegen nicke ich dem Mann mit den großen, braunen Augen zu, der für mich den Knopf betätigt. "Dankeschön", murmele ich. "Immer wieder gern." Der ist aber nett. Da könnte sich mein Chef glatt eine Scheibe von Abschneiden. Oder eine Tasse. Der Witz lässt mich schmunzeln. Der war gut. Wir steigen in den Aufzug, woraufhin er den Etagenknopf betätigt, den ich auch eigentlich hätte drücken müssen. Ist er ein Hellseher? Ich spitze meine roten Lippen und muss schmunzeln, als ich sie leicht verschwommen sehen kann. Mein Muttermal auf meiner Nase fängt an zu jucken, weswegen ich die Nase rümpfe, in der Hoffnung, dass das Jucken dann aufhört. Aber wozu ist der Mann denn im Aufzug? Er wird mir sicherlich helfen, so nett, wie er wirkt. "Könnten Sie meine Nase kratzen? Da, wo mein Muttermal ist?" Ich drehe mich zum braunäugigen Mann, der mich anschmunzelt. Er sieht nicht schlecht aus. Und er ist nett! "Das habe ich noch nie gehört, aber gern", lacht er und legt seinen langen Zeigefinger an, woraufhin er mir meine Nasenspitze kratzt. Oh ja, genau da! Das tut gut. Ich will schon genießend die Augen schließen, als sich im selben Augenblick die Aufzugtür öffnet. Schade. Ich schmolle, weil die kleine Verwöhnung vorbei ist. Wenn ich dem Mann eine Bewertung hinterlassen müsste, würde er fünf volle Sterne kriegen.

Tollpatschige LiebeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt