Kapitel 2

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Ich blicke die drei nacheinander entsetzt an. Bin ich für eine Opfergabe hier?
"Welche Zeremonie?", frage ich ängstlich.
"Mach dir keine Gedanken, leider hast du nichts damit zu tun. Ich bin zwar glücklich mit Miguels Wahl, aber die anderen bestreiten, dich ihm zu überlassen.", antwortet Aurora enttäuscht.
"Es war ein Fehler, dass er dich gebissen hat. Es tut uns leid, ihn aus dem Blick gelassen zu haben.", entschuldigt sich Christopher.
"Er hätte dich bestimmt gern leer gesaugt, aber ich habe euch rechtzeitig gesehen.", fügt Joshua hinzu. "Ich schätze, Christopher und Aurora haben etwas anderes mit dir vor, sonst hätten sie Miguel verboten, dich ausgerechnet heute mitzubringen. Und sie hätten dich sonst auch nicht gerettet."
"Halt deinen Mund, Joshua.", fährt Aurora ihn scharf an.
"Sonst werde ich dich dazu zwingen.", fügt Christopher finster hinzu und mir läuft ein Schauder über den Rücken.
Wie freundlich er auch zu mir spricht, ich merke trotzdem, dass er sehr gefährlich ist und die Freundlichkeit nur wegen mir da ist. Er spielt sie vor. Davor hatten sie es alle getan. Apropos...
"Christopher,", meinte ich kleinlaut, weil ich mich nicht zu sprechen traute "Sie sagten, ich bin kein gewöhnliches Kind..."
"Lilith, ich muss dich bitten, uns zu folgen und keine Fragen zu stellen, auf die du eh keine Antworten erhalten wirst."
Das war ein höfliches Halt-die-Klappe. Christopher behält seinen kalten Blick und geht los, öffnet die schwarze Holztür. Aurora lächelt spöttisch und folgt ihm.
"Ich schätze, es ist für mich besser, wenn ich doch schweige.", gibt Joshua wissend und etwas traurig zu.
<Für Ungehorsam muss man bezahlen. Und ich habe mich schon einem Befehl widersetzt, als ich hier aufgekreuzt bin, und dir zu viel erzählt, obwohl du noch nichts mit dem Wissen anfangen kannst.> höre ich seine bedauernde Stimme in meinem Kopf und zucke zuerst zusammen. Oh mein Gott, er hat in meinem Geist gesprochen! Gruselig.
Ich verlasse nach ihm das schwarz-weiße Zimmer, in dem die Kerzen weiter brennen. Im Halbdunkeln steigen wir eine Wendeltreppe hoch und ich bin froh, Joshua bei mir zu haben. Er kommt mir am vernünftigsten vor. Auch wenn er vielleicht hinterhältig und gefährlich ist. Langsam wird es heller. Meinen Erinnerungen nach sollte gleich ein Flur zu sehen sein, der in das übergroße Wohnzimmer der Villa führt, und eine modernere Treppe zum nächsten Stock.
Die Stufen enden und ich folge den drei Vampiren, die jetzt nicht mehr eine Familie vorspielen, in das Wohnzimmer. Ich höre viele Stimmen. Die Gäste sind also noch da... Und sie sind alle Vampire., kommt es mir in den Sinn und ich bleibe mit großen Augen stehen.
"Dir wird niemand etwas antun.", versichert Christopher mit freundlicher Stimme.
Alles nur ein Spiel!
"Halte am besten deine Gedanken im Rahmen.", droht Aurora.
Die können auch Gedanken lesen?!
<In diesem Fall nicht. Aber es steht dir alles im Gesicht geschrieben. Menschen... Die können ihre Gefühle einfach nicht versteckt halten.> ertönt wieder Joshuas Stimme in meinem Kopf.
Bis jetzt verhält er sich netter als Aurora und Christopher.
"Joshua, wenn du noch einmal die Gedankenübertragung in ihre Richtung benutzt, werde ich Alexandra nichts verschweigen.", sagt Christopher kalt, aber die Drohung ist deutlich zu erkennen.
"Ich, im Gegensatz zu euch, mache ihr keine Angst. Also -"
"Das liegt an deinem Äußeren.", unterbricht Aurora Joshua.
"Nein, das liegt an meinem Erscheinen. Und an eurem Erscheinen, da ihr die Gefährlichkeit nicht versteckt."
"Du versuchst das zu sein, was du nicht bist, Joshua. Wenn du deine wahre Identität endlich annehmen würdest, würdest du dich auch nicht so wie jetzt verhalten. Also sage uns nicht, was wir zu tun haben, das steht dir nicht zur Verfügung.", droht Christopher jetzt nicht mehr so ruhig.
"Und du rede nicht darüber, wovon du keine Ahnung hast.", entgegnet Joshua gekränkt und giftig.
Christophers Worte taten ihm wirklich weh? Geht es überhaupt bei Vampiren?
"Guck mich nicht so an.", sagt er wütend zu mir.
"Was hab ich denn falsch gemacht?", frage ich verständnislos.
"Dein Mitleid ist hier fehl am Platz, Lilith, Joshua ist kein kleines Kind.", antwortet Christopher.
"Und er hasst es, wenn man ihn bemitleidet.", fügt Aurora hinzu.
"Ich bemitleide ihn nicht."
"Die Sommernächte sind kurz, wir müssen uns beeilen. Außerdem sind die Gäste schon zu lange allein.", wechselt Christopher auf einmal das Thema und setzt seinen Weg fort, gefolgt von Aurora, Joshua und mir leider auch.
"Kurz noch eine Frage.", meine ich diesmal selbstbewusster.
"Wir hören." sagt Aurora.
"Wo ist jetzt Miguel?"
"Inzwischen müsste er wieder im Saal sein.", antwortet Christopher.
"Ja, er ist zurück, ich kann seine Anwesenheit spüren.", versichert Joshua und ich seufze.
Was soll ich jetzt tun? Ich bin im Haus voller Vampire, mein... "Freund" ist ein Vampir und er wollte mich aussaugen. Eins vergessen, ich werde bestimmt nicht nach Hause gelassen, zumindest nicht lebendig. Ach wie toll!

Zu Hause bei den Vampiren Where stories live. Discover now