Kapitel 7

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Ich sitze auf dem Sofa und lausche. Es ist immer noch niemand da. Das ist meine Chance, ich kann weglaufen! Mein Vater macht sich bestimmt Sorgen, es ist schon die zweite Nacht, wo ich weg bin.
Leise schleiche ich mich durch das Haus zur Eingangstür. Als ich an der Wendeltreppe vorbeigehe, drängen leise Geräusche zu mir. Oh ja, da ist wirklich was los. Und solange die Vampire beschäftigt sind, können sie mich nicht aufhalten.
Ich drücke die Türklinke nach unten und versuche, die Tür aufzumachen. Aber sie ist verschlossen! Ich spüre einen Luftzug und drehe mich um. Die Farbe weicht mir aus dem Gesicht. Miguel steht vor mir und betrachtet mich mit hungrigen Augen. Ich trete einen Schritt zurück und drücke mich an die Tür fest. Er kommt langsam auf mich zu und ich kann ihn nur ängstlich anstarren.
"Willst du wirklich weglaufen?", sagt er und fährt mir mit Zeige- und Mittelfinger über die Wange.
Ich nicke schnell.
"Warum hast du so plötzlich Angst vor mir? Wir sind doch ein Paar."
Er stützt sich mit geknickten Ellenbogen an der Tür ab und sein Körper ist meinem ganz nahe, nicht von seinem Gesicht zu sprechen. Vor einem Tag hätte ich diese Nähe noch genossen, sie mir gewünscht.
"Du hast mich gebissen, was soll ich von dir denken? Und ich wusste nicht mal annähern etwas von Vampiren. Und du hast mich her gebracht, wo kein einziger Mensch da ist, der mir vielleicht hätte helfen können.", führ ich ihn an.
"Dich einzuladen war überhaupt nicht meine Idee. Aber wenn es sich schon eine solche Gelegenheit ergibt, konnte ich dem Drang nicht widerstehen, dein köstliches Blut zu probieren. Ich hätte nie ahnen können, dass es so weit kommt.", gibt er bedrückt zu.
Will er mich gerade verarschen?


"Hilf mir hier raus!", flehte ich plötzlich.
"Ich hätte es vielleicht getan, wenn es mich nichts kosten würde. Aber die Älteren halten sich an dir fest. Wenn ich dich gehen lasse, wird eine schlimme Strafe folgen. Und das kann ich ganz bestimmt nicht gebrauchen."
Er sagt das alles sehr ernst, doch auch mit Bedauern. Hätte er mir wirklich geholfen, wenn die Situation anders wäre? Ich kann es irgendwie nicht glauben. Aber gleichzeitig... Mann, ich liebe ihn immer noch!
Unerwartet küsst Miguel mich leicht auf die Wange, stützt sich ab und geht im ruhigen Schritt zur Wendeltreppe, wobei er kein einziges Mal zu mir zurückblickt. Ich atme langsam aus. Ich habe gar nicht mitgekriegt, dass ich die Luft eingehalten hatte.
Ich trete von der Tür weg und schau mich nach Schlüsseln um. Enttäuscht seufze ich. Ich sehe keinen einzigen. Ich probier nochmal, die Tür zu öffnen. Und muss mich zusammenreißen, um nicht laut aufzukreischen. Sie ist offen! Die Tür ist wirklich offen!


"Danke.", flüstere ich glücklich und renne raus.
Er hat mir die Tür aufgeschlossen, obwohl man ihn bestrafen würde. Wären wir noch zusammen, würde ich ihn küssen.
Das Glück steht aber nicht auf meiner Seite. Es ist schließlich Nacht und wenn die Vampire merken, dass ich weg bin, werden sie mich einholen und zurückbringen. Doch ich wohne eigentlich nicht so weit weg von hier, ich werde es bestimmt schaffen, nach Hause zu kommen.
Ich verlangsame mich und bleibe dann nach Atem rangend stehen. Ich hätte in der Schule meine Ausdauer trainieren sollen. Außerdem tun mir die Füße weh, weil ich immer noch barfuß bin, denn Schuhe hatte man mir nicht gegeben, und weil auf dem Boden viele kleine Steine liegen. Wie weit ist es noch?
"Noch weit genug.", antwortet mir eine Frauenstimme.
Erschrocken fahre ich herum und sehe Aurora an einem Baum lehnen. Dank der Laterne in ihrer Nähe kann ich deutlich erkennen, dass das wirklich sie ist.
"Ich...", stotterte ich.
"Kehre um, Lilith.", unterbricht sie mich.
"Nein. Ich muss zu meinem Vater. Ich kann nicht ewig bei auch bleiben."
"Ich glaube, du hast keine andere Wahl. Du hast nicht einmal geschafft, von uns zu flüchten. Obwohl wir wirklich viel wichtigere Sachen zu tun haben, als dich im Auge zu behalten. Also kehre um. Sonst werde ich das mit Gewalt erledigen."
"Nein!"
Aurora stößt sich mit dem Rücken vom Baum ab und ich renne wieder los. Ich weiß wohl, dass alles, was ich jetzt versuchen werde, sinnlos ist. Aber ich muss alles tun, was in meiner Macht steht.
Ich blicke nach vorne und da ist sie. Aurora hat mich schon längst überholt. Ich bremse ab und senke den Kopf.
"Ich gehe mit Ihnen.", gebe ich auf.

Zu Hause bei den Vampiren Where stories live. Discover now