Kapitel 35

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Ich wache mit Tränen in den Augen auf. Was hast du?, fahre ich mich selbst an. Aber ich weiß die Antwort. Verdammtes Leben! Ich will nicht sterben! Ich will noch nicht sterben! Meine Verzweiflung und Wut kriegt wieder das Kissen ab, das in Richtung Tür fliegt.
"Warum ausgerechnet ich?!"
Ich nehme ein weiteres Kissen, welches in die andere Richtung fliegt. Es trifft den Tisch und schmeißt den Teller runter. Er zerbricht natürlich. Immer noch weinend stehe ich auf, gehe dorthin und lege die einzelnen Teile auf den Tisch, nachdem ich sie eingesammelt habe.
"Hast du dich geschnitten?", höre ich plötzlich Miguel hinter mir fragen.
"Nein.", antworte ich leise, schaue ihn nicht an.
Er kommt auf mich zu und umarmt mich von hinten.
"Warum weinst du? Es ist doch nur ein Teller."
Deswegen würde ich auch nicht weinen. Aber wieso muss ich sterben?! Ich habe doch nichts getan!


"Sie hat wieder herumgetobt.", ertönt jetzt auch Joshuas Stimme hinter uns.
Ich befreie mich aus Miguels Umarmung, wische die Tränen weg und drehe mich zu den beiden Vampiren um. Sofort fällt mir der Mitleid in Joshuas Augen auf. Damit lässt sich nichts verändern.
Beide Jungs wirken sehr angespannt. Das ist wieder mal komisch.
"Ja, entschuldigung, es musste sein. Und was ist mit euch beiden los?", sage ich schon ruhigt.
"Egal.", winkt Miguel ab.
"Na eben nicht", entgegne ich.
"Zeig es ihr.", verlangt Joshua.
"Nein!", widerspricht Miguel.
"Zeig es ihr." wiederholt der Vampirjunge finster.
Sie starren sich eine kurze Weile stumm an, dann setzt sich Miguel auf mein Bett und bedeutet mir, es ihm gleichzutun. Joshua nimmt im Schneidersitz auf dem Boden Platz. Ich setze mich gegenüber von Miguel.
"Ich soll jetzt in seine Erinnerungen?", frage ich Joshua.
"Nein. Ich werde es dir selbst zeigen.", antwortet Miguel unglücklich. "Gib mir deine Hand."
Die Vampirfähigkeiten finden ja kein Ende!
Der Vampir streckt mir die Hand vor und ich mustere sie und ihn prüfend. Schließlich lege ich meine Hand auf die Seine. Es interessiert mich viel zu sehr, was so passiert war. Doch bevor sich unsere Hände berühren können, nimmt Miguel seine schnell weg.
"Wieso zeigst du es ihr nicht?", meint er zu Joshua.
"Weil ich ihr die Erinnerungen nicht zeige.", entgegnet der Vampirjunge und Miguel schnaubt.
Der Letzte sieht mich wieder an, streckt seine Hand vor und ich lege die Meine darauf.
"Schieße die Augen, damit dich nichts stört.", rät mir Miguel mit schon geschlossenen Augen.
Ich folge seinem Ratschlag, nachdem ich einen letzten Blick auf Joshua werfe. Plötzlich befinde ich mich in dem Wohnzimmer, vor mir sitzen Diana und Maximilian.
"Du lügst doch nur! Wieso sollte sie sterben? Oder wird sie etwa von jemanden umgebracht?", schreit Miguels Stimme aufgeregt.
"Miguel, es ist Schicksal. Es muss so sein.", sagt Maximilian.
"Schicksal! Was soll ich mit eurem Schicksal?!"
Da betritt Joshua bedrückt den Raum und ich spüre Miguel aufstehen.
"Du!!! Du hast mir nichts erzählt! Wie konntest du?!"
"Kriege dich wieder ein, Miguel. Du kannst nichts ändern."
"Worüber hast du und Christopher geredet? Über Liliths Tod?!"
"Oh Miguel, sie ist doch nur ein Mensch.", meint Diana.
"Mit dir redet keiner! Joshua, antworte mir!"
"Das ist nicht deine Angelegenheit.", entgegnet Joshua ruhig.
"Womit hat sie es verdient?"
"Du hast sie selbst aufgespürt, selbst zu uns geführt.", sagt Maximilian.
"Joshua! Verdammt! Du weißt doch alles!!!"
"Aber ich kann nichts dafür!!!", hält der Junge nicht aus. "Was willst du noch von mir?!", brüllt er.
Ich habe Joshua noch nie ausrasten gesehen. Sogar beim Training nicht, wo ich ihn richtig gestresst hab. Langsam wird alles schwarz und ich öffne meine Augen. Irgendwie tut mir der Junge leid. Ich weiß selber nicht warum. Ich hab den Drang, aufzustehen und ihn zu umarmen. Doch ich schließe den sich schämenden Miguel in meine Umarmung.
"Es ist schon alles okay. Mir ist alles ziemlich gleich."
Ich stehe auf, gehe doch zu Joshua und umarme auch ihn.
"Alles in Ordnung."
Der Junge seufzt schwer.
"Wenn das nur der Wirklichkeit entsprechen würde."
Nachdem ich aufstehe, zucke ich die Schultern.
"Jetzt schon. Ich habe mich gerade ausgeheult.", gebe ich zu.
"Wer hier wirklich Unterstützung braucht, bist du und nicht wir.", meint Miguel paar Sekunden später.
"Vielleicht.", zucke ich wieder die Schultern.
Er regt sich nicht auf, dass ich nicht ausflippe?
Er hat sich gestern ausreichend aufgeregt., höre ich Joshua in meinem Kopf.
Ich hab ja vieles verpasst. Na ja, ich würde das Geschrei sowieso nicht anhören wollen.
"Was eigentlich jetzt? Gibt es etwas, was ich noch können soll?", frage ich, um nur nicht im Stillen zu sitzen.
"Wir können alles wiederholen, wenn du es magst. Auf die harte Tour.", schlägt Joshua vor.
"Ja, lasst uns kämpfen.", ruft Miguel begeistert.
Kämpfen... Üff...


"Na guut... Meinetwegen können wir auch kämpfen.", seufze ich.
"Es wird sowieso niemand richtig verletzt. Es kann nur wehtun.", beruhigt mich Miguel.
Ja, "beruhigt". Na ja, wir haben sowieso nichts zu tun, warum sollte ich mich dann mit den beiden streiten.

Zu Hause bei den Vampiren Where stories live. Discover now