Kapitel 30

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Am meisten freut mich, dass ich jetzt nur noch eine Aufgabe zu erledigen habe und dann ist "Feierabend". Es nähert sich zwar schon dem Sonnenaufgang, aber mir egal. Ach ja, ich sollte mal wieder am Tag spazieren gehen.
"Obwohl du das Erinnnerungen Löschen noch nicht üben konntest, Lilith,", bringt mich Joshua aus meinen Überlegungen. "können wir dir etwas anderes beibringen, das ebenfalls mit Erinnerungen zu tun hat."
Gut, er hat meine Aufmerksamkeit gewonnen. Aber ich höre nie auf, darüber nachzudenken, wozu sie mich so vorbereiten.
"Wir können einem auch neue Erinnerungen einreden."
Mein Blick wandert von Joshua auf Miguel.
"Und das darf ich an dir tun.", frage ich.
Ich meine, warum darf ich dann seine Erinnerungen nicht auch löschen? Es kann doch bei beidem schief laufen.
"Warum nicht?", antwortet er schulterzuckend und grinsend.
"Grinse nicht so. Wenn du denkst, dass ich das nicht schaffe, dann werd ich mir umso mehr Mühe geben. Außerdem kann ich ganz schön gemein werden..."
"Ich habe solche Angst.", hebt er abwehrend die Hände und lächelt.
Joshua amüsiert sich natürlich auch. Bitte schön, die Show ist für dich.
Ich sehe den Jungen entschlossen an.
"Darf ich zuerst meine Theorie ausprobieren und wenn's nicht klappt, erklärst du mir, wie das geht, okay?"
"Nur zu.", nickt er einwilligend.
Na gut, hoffentlich klappt's.
Ich kämpfe mich in Miguels Geist herein. Irgendwo hier müssten seine Erinnerungen sein. Hoffe ich zumindest. Aber mein Versuch, sie zu finden, scheitert.
"Was hast du gemacht?", interessiert sich Joshua.
"Hab nach Miguels Erinnerungen in seinem Geist gesucht."
"Keine schlechte Idee. Ist aber nicht ganz richtig."
Das hab ich auch schon gemerkt.
"Die Erinnerungen befinden sich woanders.", fügt Miguel lächelnd hinzu.
"Du musst nicht bis in den Geist vordringen. Konzentriere dich auf die Erinnerungen. Dann kannst du machen, was immer du willst. Löschen, ändern, hinzufügen.", erklärt Joshua.
Aha. Jetzt muss ich irgendwie den Zugang zu Miguels Erinnerungen finden. Üff, wann ist die Nacht vorbei?
Als Zeichen meines Bereitseins nicke ich den Vampiren vor mir zu. Und jetzt gilt meine ganze Aufmerksamkeit nur Miguel. Genauer gesagt seinen Erinnerungen und dem Ort, wo sie versteckt sind. Ich starre ihm in die Augen und versuche, mir sein Leben vorzustellen. Ob es mit geschlossenen Augen besser funktioniert? Das erfahre ich nicht. Der schlafende Vampir in mir drinnen wacht auf. Ohne selbst zu wissen, wie, gelange ich in Miguels Erinnerungen. Nun darf ich auch ein bisschen Spaß haben.
In einen Spalt des Geschehens vor fünf Minuten stelle ich eine neue Erinnerung. Als ob er aufgestanden wäre, seine Hose runtergezogen, sie dann wieder angezogen und sich hingesetzt hätte. Schließlich werden doch nur ich und er davon wissen.
Ich verlasse seinen Kopf und lächle. Bevor Miguel zu sich kommt, schüttelt Joshua ebenfalls lächelnd den Zeigefinger. Er kann nicht wissen, was ich gemacht hab. Er kann's einfach nicht.
Miguel blinzelt, schweigt die fluchenden Worte aus. Sein verärgerter Blick hängt an mir. Von mir aus kann er ruhig laut fluchen und es nicht in sich explodieren lassen.
"... Verdammt echt! ... Wozu?!"
Er lässt mit Mühe die Flüche aus. Wie witzig er doch aussieht!
"Soll ich's löschen?", grinse ich.
Und dein ganzes Leben mit dazu., füge ich in Gedanken hinzu.
"Wie ich sehe, kann man von deinem Erfolg sprechen, Lilith. So habe ich Miguel noch nie gesehen. Was für eine Erinnerung hast du ihm gegeben?", fragt der Vampirjunge mit zur Seite geneigtem Kopf.
Aber statt ihm eine Antwort zu geben, lache ich leise. Miguel hebt abwehrend eine Hand und schüttelt den Kopf.
"Nein, darüber will ich gar nicht reden. Teufel, wie geht es, dass es so echt wirkt?!"
"Ich habe dich gewarnt.", zucke ich die Schultern.
Wirklich, er hat selber Schuld.
"Lilith wird endlich wach. Freut mich.", lächelt Joshua zufrieden. "Also gut, für heute ist das Training beendet. Will jemand in den Garten? Die Sonne befindet sich noch hinter dem Horizont."
"Ich habe hier noch was zu tun. Geht ruhig ohne mich raus.", sagt Miguel und steht auf. "Ihr findet mich natürlich in meinem Zimmer, bis später."
Und weg ist er.
"Bis dann.", meine ich.
"Willst du in den Garten?", vergewissert sich Joshua und erhebt sich vom Sofa.
Ich nicke schnell und folge seinem Beispiel.

Zu Hause bei den Vampiren Where stories live. Discover now