Kapitel 13

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"Joshua, mir fällt da gerade was ein. Sollte ich nicht Miguels Schnelligkeit folgen können? Oder zumindest merken, dass er sich bewegt?", frage ich.
"Gewiss. Aber offensichtlich hat dein Freund doch nicht so viel Kraft. Ich sehe den Vampir deutlich in deinen Augen und er ist furchteinflößend. Aber die Kraft hätte auch nicht reichten können, um deine Gaben, deine Fähigkeiten aufwecken zu können. Ach Halbvampire, so interessant, sich mit ihnen zu beschäftigen."
Da sitzt er, der kleine Junge, und verströmt die Aura eines erfahrenen Erwachsenen, dem vieles widerfahren ist.

"Würdest du das denn gerne?", lächelt Miguel listig.

"Was von beidem? Deiner Schnelligkeit folgen können oder eure Vampirkräfte besitzen?"
"Ist es nicht das Gleiche?"
"Eigentlich nicht."
"Dann meine ich das Zweite."
"Nein, ich will die Vampirfähigkeiten nicht haben."
Inzwischen ist Miguel weggetreten und ich habe mich aufrecht hingesetzt. Mit dem Handrücken streicht Miguel über meine Wange.
"So mutig..."
"Vorhin hast du mich mit hungrigen Augen angesehen. Was ist jetzt anders?"
“Ich war nicht bei mir. Entschuldige, dass ich dir Angst gemacht habe."
"Das ändert nichts.", entgegne ich geradewegs.
"Ja, deine Angst können wir spüren.", erläutert Joshua.

Es ginge mir besser, wenn er's nicht gesagt hätte.

"Es wird jetzt nicht mehr so wie es war mit uns.", meint Miguel mit fragendem Unterton.

"Ja, so ist es. Du hast doch nicht etwa gehofft, dass doch?", werfe ich ein wenig verärgert ein.

Wie kann er nur solche Gedanken haben? Ich lasse mir doch nicht alles gefallen! Und das Beißen war eindeutig zu viel.
Ein Lächeln umspielt Joshuas Lippen.

"Könntest du bitte aus meinen Gedanken rausbleiben?", fahr ich ihn an.

Miguel schaut ihn überrascht an. Er hat wohl noch nicht gewusst, dass der Junge in meine Gedanken eindringen kann.

"Werde ich ohnehin, das benötigt zu viel Kraft und Konzentration."
Ja ja, deshalb ist er auch so oft in meinem Kopf.
Miguel setzt sich wieder zu mir auf das Bett. Und ich rutsche von ihm weg.
"Lilith, weißt du, was ich unfair finde?", fährt Joshua fort.

"Dass du für immer in dem Körper eines Kindes gefangen bist?", rate ich.
"Beinahe. Es ist nicht so schlimm. Schlimm ist, dass man mich deswegen nicht ernst nimmt. Als Beispiel nehme ich dich. Du verstehst immer noch nicht, dass ich gefährlich bin. Sogar vor Miguel fürchtest du dich mehr als vor mir."
"Sollte ich das etwa?"
"Solltest du.", antwortet Miguel ernst an Joshuas Stelle.

"Du... wirkst aber nett."
"Weil ich es sein kann.", lächelt der Junge. "Das heißt aber noch lange nicht, dass ich keine schlechten Absichten habe."
"Hast du sie denn?"
"Noch nicht.", grinst er.

"Na also. Willst du etwa, dass ich zu dir Abstand halte und vor Angst zittere?"
Die beiden Vampire lachen. Die Frage hab ich durchaus ernst gemeint.

"Nein, nein. Aber du sollst wissen, dass ich auch etwas Böses tun kann."
"Okay, ich werd's mir merken. Apropos, Miguel, wie alt bist du eigentlich? Abgesehen von deinem menschlichen Alter."
"77.", antwortet er.

"Siehst du, noch sehr jung.", fügt Joshua hinzu.

"Warum willst du das wissen?", fragt Miguel wieder mit List in der Stimme.
"Mich interessiert's halt, mit einem wie alten Jungen ich zusammen war."
"War... Du zerstörst all meine Hoffnungen."
"Du hast sie selbst zerstört.", werfe ich ein.
Joshua steht auf.

"Ich schlage vor, wir gehen in dein Zimmer, Lilith. Sonst wird Aurora auf uns wütend."
"Ihr wollt mir also die ganze Zeit Gesellschaft leisten?", wundere ich mich.
Hey, ich bin dagegen!
"Uns wurde das befohlen.", erklärt Miguel.

Ich seufze. Wir beide stehen auf und folgen Joshua aus dem Zimmer. Der Flur erscheint mir anders auszusehen. Irgendwie heller.
"Habt ihr hier also doch irgendwo Licht?", frage ich verwirrt.
"Nein.", meint Joshua.

Sein Ton verrät mir, dass er etwas weiß. Oder zumindest ahnt. Was ist jetzt also mit der Beleuchtung? Im Gegensatz zu vorhin kann ich die Gestalten vor mir eigentlich ganz gut erkennen.
Wir bleiben stehen, Miguel öffnet die Tür in "mein" Zimmer und wir betreten den immer noch erleuchteten Raum.

Zu Hause bei den Vampiren Where stories live. Discover now