Kapitel 22

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Ich falle zu Boden und falte meine Hände auf dem Bauch zusammen. Ich merke, dass Joshua es mir nachmacht.
"Wie schwer es doch mit dir ist, Lilith. Du bist beinahe immun gegen Einfluss von Vampirkräften."
"Schön zu wissen, dass es hier nicht nur mir schlecht geht. Wie weit sind wir?", interessiere ich mich.
Mein Atem verlangsamt sich zu einem normalen Tempo.
"Du machst es ganz gut. Die Fortschritte sind sichtbar. Ich habe deinen Widerstand gespürt.", antwortet der Junge.
"Und ich habe gespürt, wie ich langsam in Ohnmacht verfalle.", entgegne ich unzufrieden.
"Ich befürchte, das nächste Mal wird es soweit kommen. Ich kann verstehen, dass die "Aufgabe" sehr unschön und unangenehm für dich ist, aber das Ergebnis wird dir von Nutzen sein. Halte durch."
Er setzt sich auf und betrachtet mich mitleidvoll. Gut. Ruckartig setze ich mich ebenfalls auf und atme tief durch.
"Ich bin bereit.", gebe ich Bescheid.
Joshua nickt. Und meine Qual fängt wieder an. Heftige Kopfschmerzen, Dröhnen in den Ohren und dann das laute Kreischen, das diesmal noch lauter ist. Ich hab das Gefühl, mein Kopf würde platzen. Joshua verdrängen, Joshua verdrängen, Joshua verdrängen., wiederhole ich und knirsche vor Schmerz und Anstrengung mit den Zähnen. Langsam frisst die Dunkelheit den Jungen auf, doch ich gebe nicht nach. Ich muss am Bewusstsein bleiben! Nicht aufgeben! Ich schreie auf und drücke die Hände auf meine Ohren. Das Kreischen ist viel zu laut, ich kann mich überhaupt nicht konzentrieren. Aber ich versuche es. Das Kreischen wird ein kleines bisschen leiser und ich kann Joshua etwas besser erkennen. Ja, weiter so! Ich wehre mich gegen die Tentaleln von Joshuas Kraft, die in meinen Geist weiter eindringen. Das Kreischen wird noch leiser, doch dafür umhüllt die Dunkelheit den Vampir stärker. Das Gefühl von Zerplatzen meines Kopfes geht nicht weg und ich stöhne vor Schmerz. Viele schwarze Punkte tanzen vor meinen Augen, die Welt dreht sich, aber ich strenge mich weiter an, Joshua aus meinem Geist zu verdrängen. Tatsächlich wird das komische Geräusch immer leiser und leiser. Und kurz bevor ich in Ohnmacht falle, bebt es endgültig ab. Dann unendliche Schwärze. Das war's.

Mich weckt etwas Kaltes, das meine Stirn berührt. Ein nasses Handtuch. Langsam öffne ich meine Augen. Mein dunkles Zimmer. Der schon bekannte Kerzenständer mit brennenden sechs Kerzen auf meinem Tisch. Komisch, alles "meins" zu nennen, wenn es gar nicht mir gehört. Ein Hocker vor meinem Bett, darauf eine Schüssel mit Wasser. Joshua sitzt auf dem Bett und schaut mich mit einem vorsichtigen Lächeln an.
"Du hast es geschafft.", flüstert er.
Innerlich bedanke ich mich bei ihm für das Flüstern. Mich quälen heftige Kopfschmerzen.
"Wie lang war ich bewusstlos?", frage ich leise.
"Miguel ist schon zurück. Ich habe gesagt, du schläfst."
Wie spät - oder besser früh ist es jetzt also? Dauert es lange, zu jagen? Hm, okay, egal.
Joshua steht auf, geht zum Tisch und bringt ein Glas mit Etwas, setzt sich wieder hin. Das Glas hab ich ja gar nicht bemerkt!
"Was ist das?", frage ich.
"Trinke das, es wird dir helfen.", sagt der Junge anstatt eine Antwort zu geben.
Er hilft mir, mich ein bisschen aufzusetzen, und gibt mir das Glas. Die Flüssigkeit ist dunkel und undurchsichtig. Riecht lecker. Joshua schaut mich wartend an. Aus Interesse setze ich das Glas an die Lippen und achte gar nicht darauf, wie zäh diese dunkle Flüssigkeit ist. Ich trinke einen Schluck. Lecker. Dann noch einen. Der Vampirjunge lächelt.
"Das ist für dich, du darfst das austrinken.", erklärt er.
Ich blicke misstrauisch in das Glas, setze es doch an die Lippen und trinke den Inhalt aus. Das schmeckt voll! Ist das irgendein Saft? Meine Kopfschmerzen beben ab. Hm?


"Was ist das...?", wiederhole ich und schaue Joshua an.
Dieser zuckt die Schultern, nimmt das Handtuch von meiner Stirn und legt es in die Schüssel.
"Geht es dir besser?"
Er beantwortet heute demonstrativ keine Fragen. Mein Blick wandert wieder in das nun leere Glas. Und dann weiten sich meine Augen ahnend.
"Ich weiß, was das war. Du hast mir Blut gegeben."
Irgendwie war ich gar nicht wütend auf ihn. Es hat geschmeckt und mir gutgetan, indem es meine Kopfschmerzen beseitigte. Das Lächeln weicht aus Joshuas Gesicht.
"Ja, das war Blut. Sei mir nicht böse. Christopher hat mir aufgetragen, dir es zu geben. Eigentlich jede Nacht."
"Hm. Zu vorhin. Du meintest, ich hab es geschafft. Hab ich jetzt also


diesen... eh... Schutz?"

Zu Hause bei den Vampiren Where stories live. Discover now