Kapitel 15

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"Dich hält hier niemand gefangen.", widerspricht Alexandra meinen Gedanken.
"Nein, überhaupt nicht!", entgegne ich.
"Wir passen nur auf dich auf. Was würde dein Vater machen, wenn du umfallen würdest und wochenlang nicht zu sich kommst?"
"Mich ins Krankenhaus bringen. Aber das tut nichts zur Sache! Ich will nach Hause! Ich will hier nicht leben! Ich will auch kein Vampir sein! Was habt ihr mit mir vor?"
"Es muss gewartet werden, bis du dich vollständig wandelst. Wir müssen dich betreuen. Bis dahin bleibst du bei uns. Dann lassen wir dich gehen.", erklärt Christopher.
"Ich glaub euch nicht.", werf ich ein.
Joshua, Miguel und Aurora lachen. Was gibt's da zu lachen?
"Ihr lügt schon die ganze Zeit. Warum sollt ihr ausgerechnet jetzt die Wahrheit sagen?"
"Vielleicht weil du die Wahrheit hören willst.", meint Aurora genervt.
"Ich kann's nicht fassen, dass das alles passiert."
Wieder schüttle ich den Kopf. Miguel streicht mir über den Rücken. Ich atme tief durch und setzte mich aufrecht hin.
"Gut, was jetzt? Was wollt ihr- Was wollen wir machen?", frage ich ein bisschen heiterer.
"Sie hat's verdaut.", wundert sich Joshua nebenbei an Miguel gewandt.
"Wir wollen dich lehren, deine Kräfte zu benutzen.", erklärt Christopher.
"Außerdem ist es schön dunkel und wir können raus.", fügt Aurora breit lächelnd hinzu.
Einer nach dem anderen verlassen wir den Raum, gehen den langen Flur entlang - und diesmal kann ich erkennen, dass er wirklich unendlich scheint - und dann die Wendeltreppe hoch in den wundervollen Garten. Ich war schon lange nicht mehr draußen. Der kühle Wind weht durch meine Haare und verleit mir das Gefühl von Freiheit. Der Himmel ist wolkenfrei und der kreisrunde Mond lässt die Blumen glitzern. Eine bezaubernde Nacht.
"Gefällt's dir?", fragt Miguel.
In der ersten Nacht hat mich Joshua das Gleiche gefragt.
"Ja, sehr schön."
"Nun, lasst uns anfangen, wir haben viel vor.", unterbricht Joshua lächelnd.
"Nur zu. Wenn ihr mich danach gehen lässt..." stimme ich zu und folge dem Jungen.
"Joshua, Miguel, werdet ihr ohne uns klarkommen? Wir haben eine Sache zu besprechen.", kündet Christopher an und führt Aurora und Alexandra wieder in das Haus, ohne auf die Antwort zu warten.
Was die wohl zu besprechen haben. Nicht etwa meine Freilassung?
"Ich glaube, Christophers Pläne unterscheiden sich von Alexandras.", stimmt Joshua meinen Gedanken zu.

"Klar. Schließlich weiht Alexandra niemanden in ihre Pläne ein.", schnaubt Miguel.

Joshua lacht. Miguel und ich sehen ihn fragend an. Was hat der?
"Christopher meint, wir sollen nicht über ihn reden, sondern uns mit den Vampirfähigkeiten befassen.", erklärt der Junge grinsend.
Wir drei lachen noch eine Weile. Aber mein "Unterricht" fängt doch noch an.
"Renn mal."- fordert mich Miguel auf.
Ich fange an zu rennen, doch der Vampir hält mich auf.
"Doch nicht so! Richtig rennen, meine ich."
Richtig rennen? Was soll das heißen?

"Du hast dich zu Ende entwickelt, Lilith, du musst das können. Laufe wie wir. So schnell wie nur möglich.", sagt Joshua.
Wie sie also... Wie soll das gehen? Ich weiß doch nicht, wie so etwas funktioniert. Ich renne nochmal los. Aber ich halte selber inne, als ich die Blumenbeete erreiche.
"Findet ihr den Garten nicht zu klein für so etwas?", rufe ich zurück zu den Vampiren.
Du brauchst nicht zu schreien., sagt Joshua mir in Gedanken., Wir hören dich auch so. Und du musst das jetzt eigentlich auch können.
Ich verdrehe die Augen.
"Nein, der Garten ist genau passend.", sagt Miguel mit normaler Stimme und ich kann ihn wirklich hören.
Ich seufze nochmal. Dann nehme ich wieder Anlauf und renne los.
"Haben alle Neugeborene solche Schwierigkeiten?", frage ich nach dem fünften Mal mindestens.
"Du bist keine Neugeborene.", widerspricht Joshua. "Und jetzt mache weiter.
Und ich renne wieder.

Zu Hause bei den Vampiren Donde viven las historias. Descúbrelo ahora