Kapitel 9

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Ich hatte nicht mitgekriegt, wann ich eingeschlafen war. Das merke ich erst, als ich jetzt von irgendwas aufgeweckt werde. Langsam öffne ich meine Augen und rolle mich auf die Seite. Das Licht brennt noch. Auf dem Stuhl sitzt eine Frau. Das ist leicht zu erkennen, da sie lange Haare hat, sehr lange blonde Haare, und einen bodenlangen Kleid trägt. Auf jeden Fall ist das nicht Aurora, ihr Haar ist braun.
Die Frau, besser gesagt die Vampirin, steht auf und bleibt mit dem Gesicht zu mir stehen. Sie ist schön, muss ich zugeben. Ich richte mich auf und setzte mich an den Bettrand.

"Guten Morgen, Lilith."
Die Frau sieht nicht älter als 25 aus, wie ist wohl ihr wirkliches Alter?

"Guten Morgen.", antworte ich zögernd. "Sie sind...?"
"Mein Name ist Alexandra."
Alexandra war doch die, der Christopher Joshua verpetzen wollte. Die Frau lacht zurückhaltend.

"Jaa, Joshua widersetzt sich immer den Befehlen. Eine Strafe würde ihm nicht schlecht tun."
"Sie können also auch meine Gedanken lesen."
"Ja. Aber bei dir ist das nicht so einfach. Ich liege gar nicht so falsch, wenn ich jetzt sage, dass es sogar kaum möglich ist. Ich muss bemerken, ich war ziemlich überrascht, als ich erfuhr, dass ausgerechnet Joshua dies geschafft hat."
"Und was bedeutet das alles? Dass ich irgendwie ganz besonders bin, weiß ich ja bereits."
"Hat dir denn niemand von deinen Gaben erzählt?", wundert sich Alexandra.

"Alle machen ein großes Geheimnis daraus. Und Joshua ist sogar ausgeflippt, wenn ich das richtig verstanden habe."
"Joshua ist... aufgeflippt? Sehr interessant."
"Was sind das jetzt also für Gaben?", dränge ich.

"Kind, du hast ja gar keine Geduld."
"Wie kann ich nur Geduld haben, wenn man die ganze Zeit von meiner unerklärlichen Wichtigkeit redet? Ich bin von unexistierenden Vampiren umgeben, die mich nicht gehen lassen! Wie kann ich nur ruhig bleiben?! Ich will verdammt nochmal nach Hause! Ich hab keine Ahnung, wem ich hier überhaupt vertrauen kann!"
Die Vampirin lächelt. Was ist an meinen Worten so komisch?

"Du kannst niemandem vertrauen. Vampire sind nicht vertrauenswürdig. Deshalb ist es auch keine Überraschung, dass du keine Ahnung hast."
"Sie schweifen wieder vom Thema ab.", unterbreche ich bemüht ruhig.

"Ach ja, deine Gaben. Ich kann leider nicht sagen, ob sie dir alle als Vorteil erscheinen werden. Aber ich will sie dir mitteilen. Die Eine ist, genauer genommen zwei, dass die meisten von uns nicht in deine Gedanken gelangen können, also auch nicht an deinen Geist. Das heißt: kein Gedankenlesen und kein Beeinflussen."
"Bis jetzt hört's sich gut an. Doch jetzt kommt ein großes Aber?"
Alexandra setzt sich zu mir auf das Bett und fährt fort.

"Richtig. Ich habe herausgefunden, dass es bei dir nicht von Nöten ist, einen Ritual durchzuführen. Und das ist ein großer Vorteil für uns. So reicht es, wenn ein starker Vampir wie zum Beispiel Christopher dich beißt. Damit wird der Vampir in dir aufgeweckt und du wirst über unsere Kräfte verfügen."
Entsetzten breitet sich in mir auf. Alle Muskeln meines Körpers spannen sich an. Bitte nicht.

"Wie stark ist Miguel?", frag ich angespannt.

Bitte nicht.

"Warum willst du das wissen?"
"Lesen Sie nicht meine Gedenken?"
"Das ist unverschämt, meiner Meinung nach, jedem deiner Gedanken zu folgen. Außerdem ist es ganz schön anstrengend."
"Alexandra, wie stark ist Miguel?"
Langsam dämmert es ihr, warum ich frage, und ihr Lächeln verschwindet.

"Er hat dich gebissen? Vollidiot."
Kälte strömt aus jeder Pore ihres Körpers. Die Vampirin erhebt sich eilig und verlässt mein Zimmer.
"Antworten Sie mir doch!"
Ich springe auf und folge ihr. Doch im Flur herrscht Dunkelheit, die sogar das Licht der Stehlampe verschlingt. Von irgendwo weit weg höre ich ein dumpfes Geräusch, als ob jemand gegen die Tür geworfen wird. Das gleiche Geräusch wiederholt sich aus der anderen Richtung. Ich entscheide mich, nach rechts zu gehen. In der gleichen Richtung müsste auch die Wendeltreppe sein.

Zu Hause bei den Vampiren Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt