05. Kapitel

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„Liam ich liebe dich zwar, aber zum tausendsten Mal, mir geht es gut! Du musst dich nicht wie meine Mutter um mich kümmern, ich bin doch gleich eh zuhause.“

Ich lachte, als ich ein leises Schnauben am anderen Ende der Leitung hörte. Liam hatte mich schon während der Arbeit bestimmt schon zwanzig Mal angerufen um sich zu vergewissern, dass es mir gut ging.

Ich lief über die Straße und achtete darauf, dass ich gegen niemanden lief. London war abends halt so überfüllt, das man manchmal Angst hatte fast über den Haufen gerannt zu werden.

„Ist ja gut, ich wollte nur sicher gehen. Ich komme dir dann entgegen gelaufen.“

grummelte Liam und seufzte auf. Seit ich auf Harrys Schuhe gekotzt hatte, hatte er mich keine einzige Sekunde mehr aus den Augen gelassen.

Ich hatte ihn glücklicherweise dazu bringen können, dass ich alleine zur Arbeit gehen konnte.

„Ich verstehe dich ja, aber mir geht es wirklich gut. Ja ok, mach das, bis gleich.“

sagte ich und legte auf, bevor er mir noch antworten konnte. Ich hatte zwar ab und zu noch Bauchschmerzen im Oberbauch, jedoch nicht mehr so stark und extrem.

In Gedanken versunken bog ich in eine Seitenstraße ab. Ich ging hier öfters lang, da es eine schnelle Abkürzung war. Außerdem liefen hier nie sonderlich viele Leute herum, was auch manchmal echt angenehm war.

Ich hatte Überstunden gemacht und hatte dadurch die Zeit ganz vergessen. Es dämmerte schon und die Straßenlaternen waren alle schon angeschaltet.

Gut gelaunt lief ich die Straße entlang und dachte an später. Liam hatte schon etwas zu essen gemacht und wahrscheinlich würden wir Filme gucken, während wir aßen.

Aber so wie ich ihn kannte, würde es wahrscheinlich gleich Pizza oder etwas Chinesisches geben, da er das Essen bestimmt auf der Herdplatte vergessen hat und alles verbrannt war.

Das war bis jetzt jedes Mal passiert, wenn er versucht hatte zu kochen. Und trotzdem war es einer der Gründe wieso ich ihn so liebte.

Aber auch Harry machte mir irgendwie Sorgen. Als er im Treppenhaus gestanden hatte, hatte er so ernst und emotionslos gewirkt.

Was wohl mit ihm los gewesen war? 

Ich liebte ihn natürlich, aber nur als Freund. Oder doch nicht? 

Ich seufzte resigniert auf und machte den Reißverschluss meiner Jacke zu. Es begann leicht zu regnen, also zog ich mir meine Kapuze auf und vergrub meine Hände in den warmen Jackentaschen.

Ich fragte mich wie die Jungs reagieren würden, wenn wir ihnen sagen würden, dass wir bald heirateten.

Ich freute mich bei dem Gedanken, dass wir vielleicht eine eigene kleine Familie sein würden, aber auch Angst baute sich in mir auf.

Was wäre, wenn Liam wieder so sein würde wie damals? Dass er mich wieder betrügen und verletzen würde?

Er hatte mir zwar geschworen, dass er nie wieder so sein würde, jedoch zweifelte ich heimlich an seinen Worten.

Wenn Vertrauen weg war, dann fällt es schwer, es wieder aufzubauen.

Wieso musste alles einfach nur so kompliziert sein? Wieso konnte ich nicht einfach ein normales Leben führen, wieso musste es eigentlich jede zwei Sekunden neuen Stress oder ein großes Drama geben?

Ich wischte mir Regentropfen von meiner Wange und wechselte die Straßenseite.

Vielleicht war es einer der größten Fehler meines Lebens gewesen, genau in diesem Moment die Straße Seite gewechselt zu haben.

Genau in dem Moment wo ich den Bürgersteig betrat, hörte ich ein ängstliches Wimmern einer Frau. Reflexartig blieb ich stehen und drehte mich suchend um. Das Wimmern kam aus einer noch kleineren Seitenstraße.

Brauchte da vielleicht jemand Hilfe?

Ich drehte mich um und lief ein paar Schritte rückwärts. Mein Blick fiel in die Gasse und unsicher ging ich ein paar Schritte herein.

Ich konnte nichts erkennen, da das Licht der Laterne kaum bis hierhin reichte. Mit jeden Schritt den ich machte, wurde das Wimmern, sowie regelmäßige dumpfe Schläge immer lauter.

„H-Hallo?“

stotterte ich und tapste geräuschlos weiter.

„Hil-Hilfe.“

Das Wimmern der Frau hatte sich in einen kleinen Hilferuf umgewandelt. Erschrocken lief ich nun schneller ins Dunkle und streckte meine Arme suchend aus.

„Halt die Klappe du Miststück.“

Erschrocken blieb ich stehen und versuchte die Stimme zu orten. Eine tiefe Männerstimme war ertönt, jedoch machte es mir keine Angst. Hier brauchte jemand Hilfe und ich musste eingreifen.

„Wer auch immer da ist, lassen sie die Frau in Ruhe!“

Meine Stimme war lauter als gedacht und etwas ängstlich wartete ich auf eine Antwort. Das ich nichts sehen konnte war ein großer Nachteil, aber da musste ich jetzt durch. Es herrschte vollkommene Stille, bis ich plötzlich etwas Hartes in meinem Gesicht spürte. Erschrocken taumelte ich zurück und hielt mir meine Nase. Hatte mir dieser Kerl gerade echt ins Gesicht zu schlagen? Empört stellte ich mich wieder aufrecht hin und tastete mich wieder vor.

„Lassen sie die Frau in Ruhe!“

rief ich nun lauter und ballte meine Hände zu Fäusten. Adrenalin strömte durch meinen Körper und ließ ich vorlaut und mutig werden. Wenn dieser Mann dachte, das mich ein Schlag fertig machen würde, dann hatte er falsch gedacht. Ich war mit zwei Brüdern aufgewachsen, da machte es mir gar nichts aus. Wie konnte er im Dunkeln eigentlich etwas sehen?

Ich fragte mich ernsthaft wieso die beiden hier in so einer dunklen Gasse waren. Wieder ertönte diese beunruhigende Stimme, bevor mich ein weiterer Schlag ins Gesicht traf. Wieder stolperte ich etwas zurück, aber es blieb nicht dabei. Ich knallte auf den Boden und schlug hart mit den Kopf auf.

„Das geht dich gar nichts an, also verschwinde.“

knurrte eine dunkle Stimme über mir. Ich fasste mit einer Hand an meinen Hinterkopf und fühlte etwas Klebriges. Bitte lass es kein Blut sein.

„Lass erst die Frau in Frieden.“

krächzte ich und bekam als Antwort nur einen Tritt gegen meine Niere. Ich krampfte mich zusammen und hielt mir meine Hände schützend über den Kopf. Gut getroffen. Immer wieder traf mich ein Fuß in meine Magengegend, was ich zum los schreien brachte. Vielleicht würde mich ja jemand hören, wenn ich um Hilfe rief. Die heftigen Tritte ließen mich vor Schmerz immer schwächer werden.

„Hallo?“

War das nicht Liams Stimme? Er hatte doch gesagt, dass er mir entgegenkommen würde. Ein letztes Mal versuchte ich noch nach Luft zu ringen um so laut wie möglich zu schreien.

„Liam.“

Ein letzter heftiger Tritt gegen meinen Kopf ließ mich bewusstlos werden. Das letzte an was ich dachte war Liam.

Wenn er nicht mal der Retter in der Not war... 

Hold my HandWhere stories live. Discover now