10. Kapitel

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„Ich kann das nicht, Liam.“

Ihre brüchige ertönte so leise in den Raum, dass ich sie fast nicht verstehen konnte. Ich rutschte mit meinen Stuhl näher an ihr Bett heran und sah tief in ihre Augen. Ihre schönen Augen waren feucht und sahen kurz in meine braunen. Schnell wich sie meinem durchdringenden Blick aus und sah auf die schneeweiße Wand rechts von ihr. Ich seufzte kaum merklich auf und hob meine Hand. Ich umschloss mit meinen langen Fingern ihr Kinn un drehte langsam ihr Gesicht zu mir. Zwangshaft musste sie in meine Augen sehen.

„Da musst du jetzt durch, da können wir beide nichts dran machen.“

sagte ich ernst und strich mit meinen Daumen über ihren Mundwinkel. Wie von alleine suchte er sich den Weg über ihre Unterlippe. Sie war schön weich und warm, jedoch hatten sie schon lange nicht mehr so einen schönen roten Ton. Sie wurden von Tag zu Tag weißer, genauso wie ihre Gesichtsfarbe. Ein kleines Lächeln fuhr für eine Sekunde über meine Lippen, als ich sah, wie sich ihre Wangen leicht rosa verfärbten. Nachdem die Röte wieder aus ihren Wangen verschwunden war, wechselte ihr Blick von peinlich berührt zu verzweifelt.

„Was ist, wenn die Operation schief läuft?“

murmelte sie und erschreckt stellte ich fest, wie ihre Augen immer feuchter wurden, bis sich die erste kleine Träne aus ihren Augenwinkel trat. Ich hasste es sie weinen zu sehen. Immer wenn sie weinte, erwachte mein Beschützer Instinkt in mir. Egal warum sie weinte, ich wollte als einziger für sie da sein und sie trösten. Ich wollte sie vor den Gründen, warum sie weinte, beschützen.

„Nicht weinen, Süße.“

sagte ich leise und löste meine Hand von ihrem Kinn, um die Träne von ihrem Gesicht zu wischen. Selbst wenn sie weinte sah sie wunderschön aus. Amy verzog ihr Gesicht um weitere Tränen zu stoppen. Um sie zu beruhigen stand ich auf und setzte mich zu ihr auf die Bettkante. Sie hatte ein neues Bett bekommen, das leider zu klein für eine zweite Person war. Normalerweise wäre ich zu ihr ins Bett geklettert und hätte beruhigend meine Arme um sie geschlossen, doch gezwungenermaßen konnte ich nur einen Arm um ihre Schulter legen.

„Du weißt, dass bei dieser Operation eine achtzig Prozent Chance besteht, dass ich sie nicht überlebe?“

sagte sie mit tränenerstickter Stimme und zog ihre dicke Bettdecke über ihr Gesicht. Sie hatte in den letzten Wochen so viel geweint und jedes Mal riss es mein Herz mehr auseinander. Ihr Tumor war nun klein genug, sodass er in einer anstehenden Operation rausgenommen werden konnte. Leider war ein Eingriff in der Magengegend sehr riskant, also bestand ein gewisses Risiko, was Amy große Angst bereitete. Den ganzen Tag über hatte sie sich in ihrem Bett verkrochen und hatte alleine sein wollen. Nicht einmal Harry oder mich hatte sie herein gelassen. Wir hatten nicht mehr viel Zeit, denn gleich würde der Arzt kommen und sie in den OP schieben.

„Du wirst es überleben, das verspreche ich dir.“

flüsterte ich und nahm ihre kleine Hand, die auf der Bettdecke lag, und begann sie zärtlich zu küssen. Das kurze und regelmäßige Berühren meiner Lippen auf ihrer Haut, ließ sie unter der Decke hervor lugen. Die Tränen waren inzwischen wieder versiegt, dafür waren sie nun knallrot. Sie wirkte so verletzlich und schwach, einfach so ... hilflos.

„Ich will das nicht, Liam.“

sagte sie entschlossen und drehte sich zu mir. Etwas verwirrt drückte ich ihr noch einen Kuss auf ihren Handrücken, bevor ich ihren tiefen Blick in meine Augen erwiderte.

„Was willst du nicht?“

fragte ich und legte eine Hand auf ihre Wange um sie liebevoll zu küssen. Allein der Gedanke daran, dass Amy sterben würde und mich somit für immer verlassen würde, wurde mir so schlecht, dass wenn ich mir den Finger in den Hals stecken würde, ich mich ernsthaft erbrechen würde. Sie durfte mich nicht alleine lassen, sie war meinein und alles. Wer würde sich im Schlaf an mich kuscheln und mir dieses besondere Gefühl geben geliebt zu werden? Wenn sie es wirklich nicht schaffen würde, wer würde mich durch nicht nachgedachte Aussagen zum Lachen bringen oder mein Herz schneller schlagen lassen, nur weil sie mich anlächelte? Nur sie machte mich glücklich.

Hold my HandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt