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Am nächsten Tag ließen mich die Geschehnisse der vorherigen Nacht nicht mehr in Ruhe. Ich war zu nervös und aufgedreht, um überhaupt an Schlaf zu denken.

Ich ließ somit das Treffen mit meinen Membern heute ausfallen und wollte mir endlich Klarheit über die gesprochenen Worte von Dima verschaffen.
In einer gewissen Weise hielt ich mich nun selbst für verrückt, doch das war mir egal.

Schon recht früh fuhr ich los, um meinen Jaguar eine Straße weiter von Sunny's Haus zu parken. Dort wartete ich geduldig darauf, dass er sich endlich aus seinem Haus bequemen würde.
Mir war bewusst, dass es lang dauern könnte, bis er das vielleicht tun würde, doch es war mir egal.

Wie konnte man jemanden einen alten Freund nennen, den man sonst immer als Feind sah?
Wie konnte ich ihn ohne jedwede Taten dazu bringen, in ein Loch zu fallen?
Wie konnte ich ihn beinahe zu Tränen bringen?

Eigentlich sollte ich mich über diese Fakten freuen, da er mir somit unwissentlich eine unheimlich große Angriffsfläche bot, die ich schamlos ausnutzen konnte.
Doch wieso tat ich es dann nicht? Irgendeine Stimme in mir hielt mich davon ab, so als würde mein Gewissen gegen meine Taten wirken wollen.
Und ich Idiot ließ es geschehen. Nachdem ich so viele Chancen hatte, ihn zu töten und alles an mich zu reißen.

"Na los, man! Komm' schon aus deinem scheiß Haus! Ich brech' sonst deine hässliche Tür ein und prügel' die Wahrheit ...-" Ich stoppte mich selbst, bevor ich mich in Rage reden konnte.
Insgeheim konnte ich es nämlich nicht verleumden, dass ich seit dem Kopfsturz immer weniger daran dachte, ihm zu schaden.
Ich wollte Klarheit. Dann konnte ich ja immer noch weitersehen ... Ich war stur und trotzig mir selbst gegenüber.

Aber was sollte ich schon gegen meine eigenen Gedanken tun?

Ich verzweifelte bereits und konnte es kaum mehr ruhig auf meinem Sitz aushalten, als endlich die Türe zu Dimitri's Haus aufging und er heraustrat. Er trug einen grauen Hoodie, dessen Kapuze er hochgezogen hatte. Darunter konnte man dennoch sehen, dass er sein rotes Bandana um den Hals trug.

Er schien wie versteinert, als er stehen blieb und auf die andere Seite der Straße starrte. Erst glaubte ich, dass er nun vollkommen durchgedreht war, doch als ich selbst sehen konnte, auf was er da wie ein Fanatiker sah, fiel es mir wieder ein.

Konnte er sich etwa an die vergangene Nacht erinnern?
Zumindest wusste er, dass es seine Flasche war, die meinen Jaguar getroffen und beschädigt hatte, denn er kickte sie zügig in einen Gullyschacht und setzte seinen Weg fort.

Als ich glaubte, ihn aus den Augen zu verlieren, startete ich den Motor und fuhr mit genügend Abstand hinter ihm her. Wie ich bereits vermutet hatte, suchte er die Tankstelle auf und holte seinen Wagen ab, in den er sich setzte und losfuhr.
Ohne zu zögern hängte ich mich unauffällig an ihn und verfolgte ihn quer durch die Stadt, bis ich mich vorsichtiger Weise weiter zurück fallen ließ, als wir aus der Stadt und in den ländlicheren Teil fuhren.

Ich hielt beinahe so großen Abstand, dass ich Sunny für einen Moment aus dem Sichtfeld verlor, weshalb ich beschleunigte, um ihn nicht zu verlieren.

Er fuhr nun bedeutend langsamer, wodurch auch ich meine Geschwindigkeit wieder anpasste.
Nach einigen Minuten fuhr er auf einen Parkplatz, fernab der normalen Zivilisation und stieg für einen Moment aus.
Ich hielt mitten auf der Straße an und überlegte eine Zeit lang, da mir nun so kurz vor meinem Vorhaben doch meine Unsicherheit den Mut nahm.

Was wenn ich mit diesem Zug doch den totalen Krieg zwischen unseren beiden Parteien hervorrief?
Aber immerhin hatte ich ihn nun an einem Ort, der für ein Gespräch unter vier Augen nicht geeigneter sein konnte.
Hin und her gerissen handelte ich wie so oft aus Affekt heraus und fuhr wieder an, direkt auf den Parkplatz zu.

Zuerst schien Dimitri nicht zu merken, dass sich ihm ein Auto näherte, da er erst wieder aus seinem Wagen herauskam, als ich bereits neben seinen Audi fuhr.

Ich konnte durch die getönten Scheiben sehen, dass er die Musik leiser drehte und mit fragendem Blick versuchte durch meine Fenster zu sehen. Er kannte meinem Wagen also nicht.
Die Spannung, die sich in mir aufgebaut hatte, musste so schnell es nur ging wieder raus, weshalb ich die Tür aufriss und einige Schritte in Sunny's Richtung ging. Dieser zog sofort eine Waffe hinten aus seinem Gürtel und zielte auf mich.

"Verdammte Scheiße! Bist du mir gefolgt?", rief er mir nun zu, als ich stehen blieb und die Hände hob.
"Ich bin nicht hier um dich zu töten oder zu verletzen. Und erst recht nicht, um einen Streit anzufangen.", sagte ich ruhig und sah ihn ernst an.
Zur Verdeutlichung senkte ich langsam eine Hand und hob mein Shirt nach oben, um ihn zu zeigen, dass ich keine Waffen dabei hatte.

Noch immer skeptisch senkte er nun seine Waffe und steckte sie ein. "Was willst du dann? Du bist mir gefolgt!", stellte Dimitri erneut fest und streckte angriffslustig die Arme seitlich leicht aus.
"Ich ... okey, das hab' ich vielleicht. Aber nach deinem Suff gestern Abend, solltest du dir vielleicht anhören, was ich dir zu sagen habe.", argumentierte ich nun und sofort wurde aus Sunny's wütendem ein kreidebleiches Gesicht.

"Du hast mich gesehen?", fragte er zögernd und kam langsam einen Schritt auf mich zu. Unter seinen Schuhen knirschte der Kies, doch ansonsten herrschte kurze Stille.
"Ich hab' dich nicht nur gesehen. Ich hab' dich von der Straße aufgekratzt und in dein Bett gelegt. Gern gesehen, Arschloch.", erwiderte ich fast schon störrisch.
Sunny hielt inne. Er schien etwas sagen zu wollen, doch ihm blieb die Sprache weg, weshalb ich diesen Teil übernahm.

"Ich hab dich gesehen. Als du von der Tanke weggegangen bist. Hast dich zugesoffen, oder? Dann hast du meinen Wagen gesehen und bist volle Kanne dran gerannt. Siehst du die scheiß Dellen? Die kommen von dir und deiner beschissenen Flasche, die du nach mir geworfen hast."

Ich deutete auf meinen Jaguar hinter mir und drehte mich anschließend zu dem noch immer wortlosen Sun Diego.

"Du hast mich als alten Freund betitelt, der dich in ein Loch fallen ließ, als ich dich in Stich gelassen hatte. Dann bist du in dich zusammen gesackt. Mitten auf der Straße. Ich hab' dich in dein Zimmer gebracht und bin gegangen. Doch das war nicht alles."
Ich machte eine Pause, da es mich wunderte, dass Dimitri mich noch immer mit diesem neutralen Blick festpinnte. Er weigerte sich noch immer, etwas zu sagen.
"Du hast beinahe geweint. Kein Hate, aber ich bin nicht blind und hab die Träne in deinem Augenwinkel gesehen. Du hast gesagt, dass ich daran schuld bin. Weil ich dich verlassen habe. Und jetzt will ich Antworten. Die wolltest du mir ja gestern nicht mehr geben."

Auch ich sagte nun nichts mehr, sondern wartete auf eine Reaktion seinerseits, die eine gefühlte Ewigkeit nicht kommen wollte.
Erst als ich glaubte, dass er eingefroren zu sein schien, ging er schnelle Schritte auf mich zu.

Und ehe ich mich versah, landete seine Faust mitten in meinem Gesicht und verfehlte nur um Haaresbreite meine Nase, die danach sicherlich gebrochen wäre.

Geschockt hielt ich inne und ließ den Schmerz abklingen, bevor ich mich wieder richtete und in schmerzerfüllte Augen sah, die mich am liebsten noch einmal angefallen hätten.

Ich wusste nicht mehr, was ich tun sollte, weshalb ich Sunny einfach mit sprachlosem Blick ansah.

"Vielleicht hilft dir ein Schlag gegen den Kopf auf die Sprünge, Jules."

Hassliebe [Sun Diego x JuliensBlog FF] Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt