Neue, alte Welt

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Meine Gefühle brachen in mir ein. Mein Kopf brummte und drohte zu explodieren. Mein Körper begann leicht zu zittern.
Meine Welt brach zusammen.

Ich konnte nicht fassen, was Sunny mir da gerade vorgehalten hatte. Und das schlimmste daran war, dass er recht hatte. Ich konnte mich nicht an ihn im Krankenhaus erinnern. Dennoch hasste ich ihn ohne jeglichen Grund.

Trotzdem kam er mir leicht bekannt vor, als ich ihn das erste Mal wieder sah, nachdem ich zurückgekehrt war. Dabei blieb es jedoch, bis ich auch das vergaß.

"Dima ... ich ... du kannst nicht glauben, wie leid es mir doch tut. Aber ich muss auch sagen, dass ich dafür nichts kann. Glaubst du, dass ich dich so verlassen wollte? Mir scheint als hatten wir ein tolles Leben." Ich sah mich demonstrativ um und schließlich wieder zu Sunny, der wieder aus dem Fenster sah.
"Ich kann mir diesen Hass nicht erklären. Es tut mir leid, aber ich kann es nicht. Ich ...-"

"... - ich habe mich informiert. Es kommt vor, dass Menschen die Gefühle für bestimmte Personen vertauschen und auf andere projezieren können. Das ist alles auf den Unfall zurückführbar.", fiel Dima mir monoton in's Wort, um meine Frage sofort zu klären.

"Aber ... ich kann es nicht rückgängig machen. Ich hoffe das weißt du ... i-ich bin sprachlos. Ich weiß nicht, wie ich es gut machen sollte. Ich bitte dich, sag' du es mir." Ich stand auf und ging auf Sunny zu, der mir aber sofort auswich und sich an den Barhocker in der Küche setzte.
Gedankenverloren starrte er auf die schwarze Platte, bevor er aufsah.

"Nein. Du kannst nichts dafür. Aber seitdem bin ich aus diesem Loch nicht herausgekommen. In meinem Herzen ist kein Platz mehr für viel Liebe, da ist nur noch dieses Loch. Das hast du zurückgelassen. Und ich weiß nicht, ob es jemals wieder normal sein kann." Seine Hand bildete nun eine Faust, so als würde sie einen Gefühlsausbruch unterdrücken.

"Ich ... nachdem ich mir den Kopf in deinem Wagen ziemlich hart gestoßen hatte, hatte ich einen Erinnerungsflashback. Ich sah dich und ich wusste nicht wieso, doch ich konnte und wollte dich nicht mehr hassen. Ich ... war wie ausgetauscht.", versuchte ich mich zu erklären, doch Sunny schüttelte nur den Kopf.
"Hör' doch auf damit! Das sagst du nur, damit ich mich wieder gut fühle! Als würde dich dieser Stoß wieder zu dem machen, der du einmal warst!" Leicht wütend schlug Dima seine Faust auf die Platte.
Nicht eine Mine verzog er, obwohl der harte Schlag schmerzhaft aussah.

"Das tue ich nicht!" Ich ging einen Schritt auf ihn zu. "Ich meine das ernst. Genauso wie du. Du hast mir doch die Wahrheit gesagt, oder?"
Verletzt blickte mich Dimitri wütend an. "Glaubst du ich denke mir das aus? Glaubst du ich miete eine Wohnung?! Mache diese Fotos?! Glaubst du, ich bin gestört? Wieso sollte ich versuchen, meinen Kontrahenten zu ..." Er stoppte mitten im Satz und stand auf.

Mit einem leichten Wurf schmiss er mir den Schlüssel zu und ging Richtung Ausgang. "Mach' mit der Wohnung was du willst. War schließlich auch deine.", sagte er verbittert und drehte sich dabei nicht einmal um.
Sofort rannte ich die wenigen Meter zwischen uns hinter ihm her und hielt ihn an seiner Schulter, um ihn kurz vor der Türe aufzuhalten.

"Warte! Nein! Ich glaube dir! Ich glaube dir doch ..." Ich beruhigte mich wieder und sah ihm tief in die Augen. Auch ich wurde nun sentimental.
"Du hast wohl viel mit meinem Leben zu tun gehabt. Ich will alles wissen. Bitte, du musst es mir erzählen. Zeig' mir die Bilder. Vielleicht kommt alles zurück. Das gab es doch auch schon. Ich kann nicht mit dem Gedanken leben, zu wissen, dass ich einen ganzen Lebensabschnitt einfach vergessen habe. Du kannst mir das jetzt nicht nehmen. Nicht nach all dem!", versuchte ich ihn zu überzeugen.

Sunny blieb stehen. Ich konnte ihn Nicken sehen und beschloss ihn einfach zurück ins Wohnzimmer zu ziehen.
Dort angekommen setzte ich mich neben ihn auf das Sofa und atmete tief durch, um selbst ruhiger zu werden.

"Ich weiß nicht, ob ich das kann.", erklärte Dimitri schwach, so als wäre er einen Marathon gelaufen.
"Wieso?", fragte ich, da ich es wirklich nicht wissen konnte.
Langsam hob Dima seinen Blick, der nun meinen traf.

"Ich sage dir das nur ein einziges scheiß Mal, klar? Mach damit, was du willst. Mein Lebenswille ist zu schwach, sodass es mich nicht kümmert ... aber ich war glücklich mit dir. Du hattest mir gezeigt, was es bedeutet, jemanden zu lieben. Unser Leben war perfekt. Kaum Leute, die uns wegen unserer Sexualität gestört haben. Und zu allem hin hatten ... wir hatten immer guten  ... eine gute Zeit."
Nervös schweifte sein Blick wieder ab und auf seine Finger.
"Und so wird es wohl nie wieder sein."

Ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte. Ich hatte keine Ahnung, wie es früher war und konnte es mir somit nur durch die wenigen, wiedergekommenen Erinnerungen vorstellen. Ehrlich gesagt wollte ich das jedoch ändern.

"Ich kann nichts versprechen ... aber ich will es versuchen. Du nicht?", fragte ich nun und meinte jedes Wort so wie ich es sagte.
"Wir sind Feinde in der Öffentlichkeit, hast du das schon vergessen? Hast du vergessen, was passiert ist? Du hast mein Clubhaus niedergebrannt! Ich hab' dich eingesperrt! Ich hab dich angeschossen!", argumentierte Sunny nun und lachte verzweifelt auf.

"Und ich hab dir das Geld überwiesen. Du hast mir das Leben gerettet. Dann hast du mich wieder laufen lassen. Du hättest mich töten können, als ich aus deinem Haus ging. Ich hätte dich töten können, als ich dich im Keller im Griff hatte. Und wir beide haben uns dagegen entschieden.", entkräftete ich seine Aussagen und versuchte ihn an der Schulter zu berühren.

Zuerst wollte er sich zurückziehen, doch dann blieb er sitzen und schaute auf meine Hand, bevor seine Blicke wieder meine trafen.

"Ich kann nicht glauben, dass wir das einfach so abschreiben. Das kannst du mir nicht sagen. So einfach geht das nicht. Und jetzt ... lass' mich los.", bat mich Dima ernst, doch er wich weder zurück, noch brach er den Blickkontakt ab.

Ich wusste, dass ich mit dem Feuer spielte, doch das war mir im Moment gleichgültig.
Ich erinnerte mich an die Flashbacks und hatte plötzlich das Verlangen, ihn zu berühren.

Bevor ich mich versah, fand ich mich selbst in einer Situation wieder, die mir so komisch vertraut vorkam.

Ich ließ meine Hand an Sunny's Hals gleiten und konnte spüren, dass er eine Gänsehaut bekam.
Unsicher schloss Dimitri seine Augen und ich konnte nicht sagen, ob es vor Abstoßung oder Anzüglichkeit war.

"Lass' mich." Seine Befehle wurden schwächer und so leicht ließ ich mich nicht abschütteln.
Mit einem Zug griff ich ihn mit der anderen Hand an sein Shirt und zog ihn näher zu mir, bevor ich seinen Kopf zwischen meinen Händen fixierte.
So als würde er sich dagegen wehren wollen, blieb Sunny trotzig und öffnete seine Augen nicht. Doch sich mehr dagegen wehren tat er genauso wenig.
"Lass' ... das." Dieses Mal waren seine Worte noch schwächer und ich konnte hören, wie seine Stimme bebte.

Ich wusste schon immer, dass ich mich nicht nur zu Frauen hingezogen fühlte. Doch mehr Fragen hatte ich mir dazu nicht gestellt. Ich hatte noch nie ein Problem mit meiner Sexualität gehabt.

"Was soll ich denn lassen?", fragte ich unschuldig, so als wüsste ich von nichts, bevor ich meine Hand auf seine Brust legte und langsam Druck ausübte.
Widerstandslos ließ sich Dima von mir auf die Couch drücken, während ich mit einem Bein zwischen seine rutschte und mich somit langsam auf ihn legte.

"Du kannst nicht einfach ... ich ... du solltest das echt nicht ...-"
"Ich sollte wissen, was ich tue, oder? So sah es auf den Bildern doch auch aus." Ich griff ihm in seine Haare, als ich nun direkt über ihm war, doch Sunny drehte seinen Kopf von mir weg.
Ich ließ mich nicht beeindrucken und hielt ihn sanft an seinem Unterkiefer, um ihn dazu zu bringen, mich abzusehen.

"Komm' schon. Sieh' mich an.", bat ich ihn leise und endlich öffnete er seine Augen.
Zögerlich hob er seine Hände, die er davor nicht einen Zentimeter bewegt hatte und berührte mich seitlich auf der Höhe meiner Rippen.
Ich grinste. "Ist das nicht besser?"

Hassliebe [Sun Diego x JuliensBlog FF] Unde poveștirile trăiesc. Descoperă acum