Verpflichtungen

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"Ich muss jetzt wieder gehen. Ich hab' morgen noch einiges zu tun.", sagte ich und versuchte es Julien so schonend beizubringen, wie es eben ging.

Ich selbst wollte gar nicht gehen. Doch auch ich hatte meine Pflichten und ich musste ziemlich früh aufstehen, um mit dem Trio aus Scenzah, Punch Arogunz und Deamon unsere Ware abzuholen.
Bei dieser Transaktion konnte ich auf keinen Fall unkonzentriert oder müde sein. Falls wir nämlich wirklich auffliegen würden, mussten alle schnell und richtig handeln.
So weit wollte ich jedoch gar nicht denken. Es würde schon alles gut gehen. Und dann musste ich mir einen Plan erstellen, der die restlichen Unruhen in meiner Crew besänftigen würde.

"Wieso? Wir haben uns doch gerade erst wieder ... gefunden? Ja, ich denke so kann man das nennen. Und außerdem ist mein Gedächtnis nicht gerade das beste. Dem musst du auf die Sprünge helfen.", betonte Julien und machte keine Anstalten von mir zu weichen.
Er ließ seine Hand seitlich unter meinem Shirt nach oben rutschen, sodass er sie direkt auf Brusthöhe ruhen lassen konnte.

Mein Herz schlug so heftig, dass Julien es anscheinend auch dort spüren konnte. "Nervös?", fragte er grinsend und ich schüttelte den Kopf.
"Nein. Eher unsicher. Paranoid. Unruhig. Ich denke das trifft es." Ich grinste. Die letzten Tage waren echt nicht leicht für mich gewesen. Deshalb hoffte ich nun inständig, dass sich das ändern würde.

"Soll ich dir das alles nehmen?" Wie ausgewechselt mit dem Julien, den ich zuvor kennen lernen konnte, spürte ich seine Hand plötzlich an meiner Hose ziehen.

Draußen prasselte mittlerweile der Regen gegen die Fenster. Meine Vorahnung hatte sich bewahrheitet. Das Gewitter zog über Osnabrück und wütete nun hörbar außerhalb der Häuser.

Verwundert über Julien's direkte Anspielung setzte ich mich auf und brachte ihn somit dazu, von mir zu rutschen.
"Ich weiß nicht, man. Das geht zu schnell." Unbeholfen strich ich meine Haare wieder zurecht und richtete meine Klamotten.

"Das sagst du mir, wenn wir doch angeblich schon ein Jahr lang zusammen verbracht haben?" Mit hochgezogener Augenbraue sah mich Julien an und hob das schwarz eingebundene Fotobuch neben sich wieder hoch, sodass ich es sehen konnte.

Ich nahm es ihm ab und stand auf, damit ich es wieder an seinen alten Platz zurück bringen konnte.
"Das war dumm gewesen. So ein beschissenes Buch. Es ist sowieso verdammt stereotypisch. Ich hätte es nach deinem Unfall verbrennen sollen.", kommentierte ich, da ich noch genau wusste, welche Bilder in dem Buch klebten.

"Jetzt sei mal nicht so. Immerhin hat es meine Erinnerungen zurück gebracht. Nur Bruchteile, ja, aber es ist ein Anfang. Und außerdem will ich die restlichen Bilder noch sehen. Wieso packst du es deshalb weg?", hinterfragte Julien mein Verhalten und beobachtete mich, als ich mich wieder neben ihn setzte.

"Weil ich nicht daran erinnert werden will, wie es einmal war, wenn es so vielleicht nie mehr sein wird.", gab ich wahrheitsgemäß zu und sah auf meine Armbanduhr.
"Wir sollten außerdem gehen. Ich will hier nicht mehr bleiben. Irgendwie ist es noch nicht dasselbe."

"Das weiß ich. Immerhin kann ich mich erst seit wenigen Minuten daran erinnern. Trotzdem kannst du mich doch nicht nach Hause schicken, wenn ich jetzt erst von meinem Leben erfahre.", erwiderte Julien trotzig.
Ich zeigte gelassen auf den Schlüsselbund in seiner Hand. "Du hast ihn doch. Bleib solange du willst. Sieh dir alles an. Vielleicht erinnerst du dich an mehrere Sachen. Dann muss ich nicht mehr so viel erklären. Ich jedoch gehe jetzt.", zögernd stand ich auf, wurde dann aber entschlossen und ging auf den Eingang zu. "Man sieht sich."

"Halt.", hörte ich ihn noch hinter mir sagen. Bereits im Flur angekommen drehte ich mich deshalb noch einmal um und konnte sehen, wie Julien auf mich zukam.
"Was ist denn noch?", fragte ich verwundert, doch ich bekam keine Antwort. Zumindest keine, die Sprechen als Vorraussetzung hatte.

Hart, aber nicht schmerzhaft, drückte mich Julien gegen die Wand, die hinter mir lag. Sein Körper prallte auf meinen und pinnte mich förmlich an die harte Oberfläche an meinem Rücken.
Ich wollte mich gespielt beschweren, was mir aber nicht gelang, als er stürmisch mein Gesicht in seine Hände nahm und seine Lippen auf meine beinahe energisch auf meine prallen ließ.

Fast schon automatisch griff ich unter Julien's Shirt und umgriff seinen Rücken, sodass ich ihn während des intensiveren, heftigen Kusses bei mir halten konnte.

Seine Lippen bewegten sich verlangend gegen meine und es kam mir so vor, als hätte es nie eine einjährige Pause gegeben.
Mich überkamen seit langem wieder die Lustgefühle, sodass ich auch bei Luftmangel nicht mehr von Julien ablassen wollte.
Nur einmal kurz hielten wir inne und holten Luft, wobei sich unsere Lippen aber kaum voneinander trennten.

Julien's linke Hand fuhr wieder durch meine Haare, als wir uns wieder vollkommen küssten und er mich in einen Zungenkuss verwickelte.

Erst beim zweiten Mal, als wir kaum Luft bekamen, lösten wir uns voneinander, sodass ich Julien wieder ansehen konnte. Dieser sah mich, genauso wie ich ihm, schwer atmend mit einem verlangenden Blick an.
Er grinste und drückte mir zum Abschied einen kurzen Kuss auf die Lippen, wobei er es sich nicht nehmen ließ, meine Unterlippe kurz sanft zwischen seine eigenen zu saugen, bevor er vollkommen von mir abließ und mich freigab.

Erstaunt sah ich Julien sprachlos an, als er zurück trat und mich angrinste. "Jetzt kannst du gehen. Du hast ja morgen wichtige Termine." Er zwinkerte mir kurz zu.

Noch immer lehnte ich an der Wand. Meine Haare wieder zunehmend zerstört und mit einem anhaltenden, überraschten Blick löste ich mich langsam aus meiner Starre und bewegte mich auf den Ausgang zu.

"Man ... man sieht sich.", verabschiedete ich mich kleinlaut und lief die Treppen des Mehrfamilienhauses hinunter, bis ich wieder im Freien ankam. Dort regnete es nun in Strömen und ich rannte zu meinem Auto, um nicht noch nasser zu werden, als ich es sowieso schon war.

Die Türe meines Audis zuschlagend schaltete ich sofort die Sitzheizung an, da mir durch den peitschenden Wind kalt geworden war.
Der Regen schlug förmlich gegen die Scheiben und füllte die Stille mit spitzen Tönen, die die kleinen Tropfen, die gegen das Glas knallten, erzeugten.

Mein Herz hatte sich noch immer nicht beruhigt, sodass ich noch einige Sekunden unbewegt dasaß und ins Nichts starrte.

Ungewöhnlicher Weise schlich sich mir ein Lächeln auf, als ich an die vor wenigen Sekunden, vergangenen Momente dachte.
Klar, ich sollte noch immer vorsichtig sein, doch der Fakt, dass ich mein für mich perfektes Leben vielleicht wieder haben konnte, ließ mich jede Vorsicht vergessen.

Ich konnte Julien noch zurück gewinnen, wenn ich seinem Gedächtnis auf die Sprünge verhalf.
Ob das nun gut oder schlecht war, würde sich früher oder später herausstellen.

Hassliebe [Sun Diego x JuliensBlog FF] Tempat cerita menjadi hidup. Temukan sekarang