19. Gut wie es ist

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Neith blickte über die Wipfel der Schlosstürme, genoss den Wind, ließ ihn um sich wirbeln. Es war einfach ein unglaubliches Gefühl so verbunden mit der Natur zu sein. Doch etwas bereitete ihr Sorgen. Sollte ihr Vater wirklich von Wut und Gier besessen sein, würde er sie bestimmt nicht einfach so gehen lassen. Er würde sie dazu zwingen, egal was komme, würde ihr Ansichten einflößen wollen, die sie gar nicht teilte. Sie müsste sich ihrer Familie entgegen stellen. Es war keine Frage des Willens, eher war die Frage ob sie das könnte. Kelly war mittlerweile schlafen gegangen, doch Neith hatte im Krankenflügel genug geschlafen. Sie könnte jetzt nicht in ihr Bett liegen und seelig schlafen, das ließen ihre Gedanken nicht zu. Ohne groß darüber nach zu denken, verließ sie das alte Astrologie Klassenzimmer und huschte durch die Gänge. Sie zog trotz ihren neu entdeckten Kräften ihren Zauberstab, einfach aus Gewohnheit und schlich im Schutz der Schatten in die Kerker.

Sie blieb vor einer nur allzu bekannten Tür stehen, oft schon ist sie daran vorbei gegangen, doch noch nie sah sie das Innere dieses Raumes. Zaghaft klopfte sie an das dunkle Holz, darauf bedacht den Bewohner nicht aufzuwecken, sollte er schon schlafen. Doch das tat er nicht. Mit einem leisen quietschen öffnete sich die Tür und ein müde aussehender Professor Snape trat in den Türrahmen. "Neith, was machst du so spät noch hier?", murmelte er leise und sogar etwas verschlafen, Neith musste sich ein leises, mädchenhaftes Seufzen verkneifen. Es sah zu süß aus, der sonst so ernste, düstere Snape, im Schlafanzug wie ein kleines Kind das nicht schlafen kann, im Türrahmen stehend. Das war auch so eine Sache, Neith wusste nicht was das in letzter Zeit war, gegenüber Snape hatte sie immer so ein seltsames Gefühl. Als würde sie gleich einen Herzinfarkt bekommen, aber trotzdem unfassbar schön. Sie begriff nicht was da mit ihrem Körper geschah.

"Tut mir leid, falls ich sie geweckt haben sollte, Professor. Doch sie wissen wohl genau warum ich hier bin.", Neith biss sich auf die Lippe und schaute in die schwarzen, so vertrauten Augen. Diese schienen sich für einen Moment zu weiten, doch schauten schnell beiseite. "Komm rein.", Snape schien mit einem Mal komplett wach und bei der Sache. Sie folgte ihm in sein Wohnzimmer. Es war ziemlich gemütlich eingerichtet, ähnelte sehr den Slytherin-Räumen. Sofort fühlte Neith sich zu Hause und pflanzte sich auf die Couch vor dem Kamin. Seufzend lehnte sie sich zurück und wünschte sich nichts sehnlicher als eine weiche, warme Decke. Diese legte sich auch überraschender Weise auch sogleich um sie, worauf sie erstaunt die Augen öffnete. Snape stand hinter ihr und schaute sie mit einem weichen, aber auch etwas traurigem Blick an, bevor er sich in einen Sessel neben ihr setzte. Dankbar lächelte sie ihn an und wickelte sich sogleich in die Decke.

"Es ist also war was Miss Rutherford mir erzählte, nicht?", durch schnitt Snape's Stimme die Stille worauf hin die Rothaarige abwesend nickte. "Scheint so, ich habe es selbst gesehen, sogar gespürrt.", mit einem heiseren Lachen versank sie in Gedanken. Snape lehnte sich nach hinten. Sie tat ihm leid. Nach all dem was Rutherford ihm an diesem Mittag erklärt hatte, steckte Neith ganz schön in der Klemme. Etliche göttliche Mächte würden um sie kämpfen und sie auf ihre Seite ziehen wollen. Sie würde gejagt werden, bekämpft werden, ihr Leben wird den Bach runter gehen. "Du weißt was dich mit diesem Wissen erwartet. Du kannst wählen, nimm diese Bürde an, behalte diese Mächte und bestimme das Schicksal des Olymp, lebe in ständiger Angst und kämpfe für deine Ansichten, oder ich lösche mit Obliviate deine Erinnerungen an die letzten Stunden und du kannst ein normales Leben führen, ohne Kontrolle über diese Macht.", Snape schaute sie durchdringend an. Natürlich wusste er was sie wählen würde, doch er hoffte inständig die Vernunft würde sie überkommen.

Neith schaute ihn aus goldenen Augen an, wie immer konnte er nicht in ihnen erkennen was in dem Mädchen vorging. Es war zum Mäuse melken, wie schaffte sie es ihn immer und immer wieder zu durchschauen, wenn er ihr trotz Legilimenz nicht einmal ein einziges Gefühl ansehen konnte? Snape hätte sich am liebsten selbst ins Gesicht geschlagen. Neith Okeanos, Bedrohung der magischen, göttlichen und der Muggelwelt, Snape's Schülerin, und Severus Snape, allbekannter Eisklotz, verliebte sich in sie. Ja, er liebte sie. Das war ihm klar seit ihrem Ausbruch. Nicht weil sie Lily so ähnlich war, nein, es war ihre eigene Art die ihn so faszinierte und dafür hasste er sich selbst so unfassbar sehr.

Diese mittlerweile goldenen Augen ließen ihn weich werden, doch sie waren ihm nicht vergönnt. Er war ihr Lehrer, hätte ihr Vater sein können, sie stand offensichtlich auf solche Typen wie Donovan und von all diesen Faktoren mal abgesehen, es sollte einfach nicht sein.

Neith beobachtete ihren Lehrer, versuchte seine Gefühle zu erforschen, heraus zu finden was er gerade denkt. Sie konnte Kummer und Abwesenheit fühlen, da kam ihr eine Idee. Eine wunderschöne, tief rote Rose wuchs aus dem Boden, direkt vor Snape's Füßen. Ihr Strunk wuchs so lange bis die Blüte in Snape's Augenhöhe pragte. Der Professor schreckte auf und bemerkte sie Rose, verwirrt sah er zu Neith, diese lächelte nur. Vorsichtig griff er nach der wunderschönen Blume und trennte sie von dem Strunk. Er betrachtete sie einen Moment, dann zückte er seinen Zauberstab. Vorsichtig entfernte er die Dornen und ließ sie in die Luft gleiten, sie schwebte ein paar Runden, dann steckte sie sich behutsam in Neith's Haare. "Ich danke, doch dir steht sie wesentlich besser als mir.", schmunzelte Snape. Die Rothaarige musste bei diesem Anblick ebenfalls grinsen. Man sah Snape so selten lachen, dabei war es so schön wenn er es mal tat.

Neith dachte nach. Sie glaubte die Lösung gefunden zu haben, was ihr Problem bei Snape anging. "Professor?", Snape blickte auf, "Ja?". Neith zögerte, "Darf ich ihnen eine Frage etwas privaterer Natur stellen?". Snape wurde neugierig, "Fragen sie und ich entscheide ob ich antworte.". Neith blickte ihm direkt in die Augen und versuchte etwas Mut zusammen zu kratzen, jedoch verflog jegliche Zuversicht als sie in diese warmen, liebevollen, schwarzen Iriden sah, "Wissen sie, ich war noch nie so wirklich verliebt, doch ich glaube jetzt gibt es da jemanden. Ich habe allerdings keine Ahnung ob ich verliebt oder einfach nur krank bin. Können sie mir da vielleicht weiter helfen?".

Snape blieb der Atem aus, er wusste wirklich nicht wie er reagieren sollte, was er sagen sollte. Immer wieder fing er einen Satz an, doch sein Mund klappte wieder zu bevor der erste Ton entweichen konnte. Konnte er sich Hoffnungen machen? Vermutlich nicht, doch er tat es trotzdem. Er überlegte einige Zeit, "Nun, beschreibe eben einfach wie du dich fühlst. Die wichtigste Frage ist eigentlich, fühlst du dich nur so in seiner Gegenwart?". Neith nickte sofort. Snape entfuhr ein irritiertes Auflachen. Er hätte sich niemals erträumt, einer seiner Schülerinnen mal Liebestipps zu geben. "Nun, ehm.. Das spricht schon mal fast hundertprozentig dafür. Beschreib trotzdem mal wie du dich bei demjenigen fühlst, es könnte auch sein du bist einfach nur allergisch.", meinte er. Neith lachte auf, "Allergisch glaube ich nicht. Naja, es ist als würde mein Herz fast explodieren, so stark schlägt es. Ich schaue ihm in die Augen und fühle mich einfach sicher, mir wird höllisch warm, meine Hände werden schwitzig. Ich fühle mich als würden alle Emotionen die ich besitze, mich auf einmal durchströmen. Diese Person mögen viele nicht, doch ich würde am liebsten jede Minute mit ihm verbringen", Neith sprach sich die Seele aus dem Leibe, alles was sie Snape gegenüber fühlte, beschrieb sie und je länger sie sprach, desto sicherer war sie sich dass ihr Körper wohl relativ gesund war.

Snape hörte zu, die ganze Zeit, sein Herz pochte und verteilte einen ungewohnten Schmerz in seinem ganzen Körper. Ein Cocktail aus Hoffnung und Eifersucht. Sein Atem wurde flacher und seine Muskeln spannten sich an. Neith endete mit den Worten, "Professor, die Frage hat sich erledigt. Ich liebe diese Person. Abgöttisch.". Zum ersten Mal seit Snape sie kennen lernte, sah er ein paar Tränen in den sonst so goldbraunen Augen, diese wurden jetzt jedoch haselnussbraun. Sie strahlten keine Energie wie sonst aus, sie waren lediglich mit Gefühlen getränkt. "Wer ist es?", Snape zuckte zusammen, hatte er das gerade wirklich gefragt? Merlin, kann man das irgendwie rückgängig machen? Nur einmal, einfach kurz die Zeit fünf Sekunden zurück spulen. "Es tut mir leid, das war-" "Nein! Es-... Ist schon gut. Es ist gut wie es ist.", den letzten Satz murmelte sie eher zu sich selbst als in den Raum.

Under the Sea ~ Severus Snape FFWhere stories live. Discover now