35. Kai

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Lustlos lag sie auf ihrem Bett, der Raum von kleinen Lichtstreifen übersät welche sich durch die Spalten des Rollladens hindurch kämpften. Neith wusste nicht wie späte es war, sie wusste nur dass ihr Bruder in wenigen Stunden ankam. Es war nicht so dass sie sich nicht freute, doch ihre Niederlage setzte ihr ziemlich zu, dazu lag eine eisige Kälte um sie seit sie aus der Trainingshalle getreten war, Neith konnte nicht beurteilen ob es vielleicht durch ihre Stimmung kam oder ob es womöglich Nachwirkungen ihres spontanen Anfalls waren. Diesen bekam sie ebenfalls nicht mehr aus dem Kopf. Dieses Zeichen am Himmel, ständig tauchte es vor ihrem inneren Auge auf und nichts half dagegen. Frustriert zündete sie sich die vermutlich schon vierte Zigarette in dieser Stunde an. Dass sie heute noch nichts gegessen hatte bekam sie schnell zu spüren durch ein protestierendes Knurren seitens ihres Magens, doch sie ignorierte es getrost. Ihr war schon lange der Appetit vergangen, alles schien nach Pappe zu schmecken und es fühlte sich jedes Mal so an als würde sie auf einem trockenen Schwamm herum kauen.

Mit einem Mal hörte sie ein lautes Poltern von unten her und ruckartig fuhr sie hoch. Dies gefiel ihrem Kreislauf gar nicht, doch genau wie das Hungergefühl war es ihr genau genommen egal. Schnell drückte sie die Zigarette in dem Aschenbecher aus, legte diesen behutsam auf den Boden und stürmte dann los nach unten. An der untersten Stufe angekommen bemerkte sie schon die feinen Staub in der Luft welcher wohl aus dem Kamin aufgewirbelt wurde. Kaum bog sie um die Ecke in das kleine Wohnzimmer sah sie auch schon die große, schlaksige Statur ihres Bruders und sie sprang ihm mit Tränen in den Augen um den Hals. Er keuchte erschrocken auf, doch schlang sogleich die Arme um sie.

"Verdammt, du glaubst nicht wie ich dich vermisst hab.", murmelte sie in seine Schulter und schniefte einmal. Kai lachte einmal leise und setzte sie wieder auf dem Boden ab, "Ich dich doch auch, Kleine.". Ein Lächeln legte sich auf Neith's Lippen. Er jedoch betrachtete sie mit einem Mal kritisch, "Du hast wieder geraucht, nicht? Man, Neith, das bringt doch nichts.". Angesprochene rollte nur mit den Augen, kaum war er da vermieste er schon wieder die Stimmung. Doch trotz allem war sie zum ersten Mal so richtig glücklich seit den letzten Wochen. Kai wuschelte ihr durch die wilde Lockenmähne und sah sich um. "Himmel, wie lange ich nicht mehr hier war. Wo ist eigentlich Dad?", Neith zuckte zusammen. Heikles Thema was er da ansprach. Ihr gefiel es nicht ihren Bruder anzulügen, doch sie konnte ihm wohl kaum erzählen dass ein antiker griechischer Gott ihn verprügelt hatte und er deshalb im Krankenhaus lag, er würde sie für verrückt erklären. "Also, weißt du.. Ähm.. Ich war zu dem Zeitpunkt nicht da, aber er liegt im Krankenhaus. Vermutlich noch bis zum Ende der Ferien. Er war wohl in einer Bar und wieder trinken und hat sich dann scheinbar an eine der Frauen ran gemacht, welche wohl mit einem dieser Biker verheiratet war. Dann ging die Prügelei los und einer der Typen hat irgendeine Arterie getroffen, die Ärzte meinen er überlebt es zwar, aber es war ein kritischer Schlag. Sie wollen ihn noch unter Beobachtung lassen, vor allem weil sein Blut ja schier aus Alkohol besteht, da kann dass mit der Heilung noch etwas dauern.", es war eine erstaunlich gute Lüge dafür dass sie so schnell aus ihrem Mund kam.

Sie legte all ihre Überzeugung in ihre Stimme und plötzlich wurden Kai's Augen ganz milchig. Das sonst so tiefe grün was er von seinem Vater geerbt hatte, schwand einem nebligen weiß. Da viel es ihr wie Schuppen von den Augen, sie nutzte gerade Charmesprech. Eine Fähigkeit welche als eine von Aphrodite galt. Man nahm die Gedanken des anderen unter Kontrolle und konnte ihn von allem was man sagte überzeugen. Nach einer Zeit kamen die meisten zwar wieder zu Verstand, doch es war eine gute Möglichkeit sich etwas Zeit zu verschaffen oder einfach, wie jetzt gerade, einer Lüge Glaube zu schenken.

Er nickte nur und blinzelte träge, "Na dann. Ich glaube du hast Recht. Er wird für die restlichen Ferien weg bleiben.", Kai's Stimme klang schläfrig, willenlos, schwach. Neith erschrak über ihre Wirkung und zuckte zurück als hätte sie sich verbrannt. "D-Das ist schön. Also, ehm, hast du Lust auf Pizza?", sie hatte es eilig in die Küche zu kommen, in der Hoffnung die Wirkung würde vergehen. Sie hatte in den letzten Wochen schon fast vergessen dass sie so etwas konnte. Schon wieder überkam sie die Trauer und auch die Wut auf sich selbst. In dem Moment kam Kai durch die Küchentür, seine Augen wieder glücklicherweise normal, "Tut mir leid, ich war gerade so in Gedanken, was hast du gesagt?". Neith atmete erleichtert aus, "Ich fragte ob du auch Pizza willst.". Kai nickte mit glänzenden Augen, "Du weißt nicht wie verzweifelt mein Magen ist, ich hab schon seit gestern Abend nichts mehr essen können.".

Neith hob eine Augenbraue, "Warum dass denn? Ich dachte du wärst gerade vorhin noch daheim gewesen.". Kai fiel auf was er da gesagt hatte und biss sich auf die Lippe, "Bei Merlin, das hätte ich nicht sagen dürfen. Ich hätte das NICHT sagen dürfen.". Frustriert raufte er sich die Haare und blickte seine kleine Schwester mit einem traurigen Blick an. "Verdammt, na gut. Auf dem Weg hier her habe ich etwas sehr.. dummes getan.", seine Hände verkrampften sich und die Fingerknöchel traten weiß hervor. Neith sah in den grünen Iriden eine Welle aus Wut aufkochen und trat einen besorgten Schritt zurück. Kai schüttelte mit einer hoffnungslosen Miene den Kopf und sah wieder zu seiner Schwester, "Neith, ich glaube es wäre besser wenn du dich setzt.".

Die Okeanos nickte und setzte sich auf einen der Küchenstühle. Fürsorglich sah sie zu ihrem Bruder hinauf und wartete geduldig bis er anfing zu sprechen. Er seufzte und rang offensichtlich mit sich selbst, doch dann holte er tief Luft und begann zu erzählen, "Nun, du weißt ich ermittle gerade mit meinem Kollegen Basti in diesem Fall wegen den Gefängnisflüchtlingen, wie haben eine Spur, sie führt hier her nach England. Das kam mir zwar ziemlich günstig, doch die Situation ist ernst. Es steht jemand in Verdacht die Gefangenen befreit zu haben, doch dieser Jemand taucht laut vielen Aussagen nie persönlich, geschweige denn allein auf. Er besitzt viele Anhänger und auf eben solche sind wir gestoßen. Basti und ich wurden fast geschnappt, sind nur knapp entkommen, die haben echt mit den schlimmsten Flüchen um sich geschossen. Doch ich befürchte sie werden uns suchen, dich mit eingeschlossen. So wie ich sie einschätze sind sie die Art von Verbrechern die erst einmal alles nehmen was einem wichtig ist um ihr Opfer willenlos zu machen, es für ihre Drecksarbeit anzuheuern und schließlich ein geistloses Wrack zurück zu lassen.", eine Gänsehaut bildete sich auf seinen Armen, "Neith, bitte. Pass auf dich auf, okey?". Die Slytherin nickte überfordert. Ihr Bruder schwebte wohl in Lebensgefahr und er machte sich Sorgen um sie? Wer würde wohl eine Verliererin wie sie beschützen wollen? Sie verstand ihn nicht. "Wie heißt der Verdächtige? Kannst du mir das wenigstens sagen? Vielleicht hilft es mir.", ihre aufkommende Trauer runter schluckend sah sie zu dem Brünetten hinauf und blickte in Augen voller Zweifel. Zweifel an sich. Als sie diese Zweifel in seinen Augen sah, wurde ihr klar wie geradezu unnötig ihr Verhalten war. Jeder hatte mal Zweifel an sich, egal durch was, jeder Mensch hatte mal eine Krise und diese dann in voller Kraft auf sich wirken zu lassen, was das Falscheste dass man tun konnte. Wieder mit den Gedanken im Hier und Jetzt lauschte sie gespannt ihrem Bruder.

Er knetete unsicher seine Hände, doch wie auch vorhin begann er trotzdem zu sprechen, "Viele trauen sich nicht seinen Namen auszusprechen, aus Angst vor seiner wohl unbeschreiblichen Macht, doch er selbst nennt sich der dunkle Lord, beziehungsweise, Voldemort."

Under the Sea ~ Severus Snape FFWhere stories live. Discover now