lichtbringer

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Es war schon sehr spät geworden. Mein Auge erfasste nichts als Dunkelheit und jene Schatten, welche unruhig unter dem kühlen Licht der Laterne zuckten. Die Zeit war wie im Flug vergangen. Ich stand noch ein paar Minuten da, Sam direkt neben mir, und betrachtete aufmerksam den Sternenhimmel. Heimlich linste ich ab und zu in ihre Richtung. Sie schien die kühle Nachtluft zu genießen. Ihr großer Pullover hing ihr schlaff von den Schultern und ihre Haare hatte sie zu einem wirren Pferdeschwanz zusammengefasst. Ich musste schmunzeln, nicht weil ich etwas als lustig oder amüsant empfand, sondern weil mir allein ihr bezaubernder Anblick ein Lächeln auf die Lippen zauberte.

Sie war sehr niedlich, doch so elegant zugleich.

Hinter uns ertönte ein Geräusch und wir drehten uns gleichzeitig in Richtung des Krankenhauses um, welches sich mächtig in den Himmel erhob und gut beleuchtet war.

Eine kleine Gruppe von Menschen verließ soeben das große Gebäude durch die Eingangstür. Beim kurzen Öffnen der Türe wurden Geräusche von innen frei, welche den Weg an mein Ohr fanden. Ich lauschte den unterschiedlichen Stimmen und Lauten.

Auch mal nichts zu tun und nur seine Umgebung zu betrachten und belauschen war sehr angenehm. Ich analysierte sehr gerne jede Facette des Lebens um mich herum.

Als meine Aufmerksamkeit wieder zu Sam wanderte, betrachtete sie mich. Unsere Augen fanden sich. In ihrem Gesicht bildete sich ein warmes Lächeln ab. Auf einmal durchbrach sie die Stille.

»Wollen wir noch wo hin, etwas erleben?«

Ich war voll und ganz ihrer Meinung. Auch ich hatte den sehnlichen Wünsch, weitere gemeinsame Erinnerungen zu schaffen.

Ohne zu zögern willigte ich ein. Doch nachdem ich zugesagt hatte, viel mir ein, dass ich auf Liam aufpassen musste. Konnte ich ihn allein zu Hause lassen?

»Ich werde noch meinen Bruder anrufen und ihn darum bitten, auf Liam aufzupassen.«

Sie nickte bloß und wir setzen uns gemeinsam in Bewegung, das Krankenhaus wieder zu betreten.

Einige Zeit später bogen wir zu dritt in unsere Straße ein und liefen bis zu unserer Wohnung. Sam hatte Liam den Weg über beschützend an die Hand genommen. Dieser Anblick machte mich glücklich. Und Liam ließ diese Berührung bereitwillig zu. Wahrscheinlich mochte er sie. Ich hatte ihn noch nie so offen gegenüber Fremden gesehen, früher schien er eher schüchtern und ängstlich gewesen zu sein.

In unserer Wohnung trafen wir auf Adam, welcher gerade telefonierte. Er umarmte mich und Liam kurz und schenkte Sam ein freundliches Lächeln.

Ich sagte Liam, dass er hier bei Adam bleiben sollte. Dieser hatte in unserem vergangenen Telefonat wiederwillig zugesagt, diesen Abend auf Liam aufzupassen.

Während Sam sich kurz frisch machte, ging ich in mein Zimmer, um mein Bett für Liam herzurichten.

Als ich gerade mein Zimmer verlassen wollte, blinkte der Bildschirm meines Handys auf, welches ich auf meinem Bett liegen gelassen hatte. Ich ging darauf zu und überprüfte meine neuen Nachrichten. So wie es aussah, würde heute Abend noch eine Party steigen. Gerade diskutierten einige Mitglieder meiner Freundesgruppe, wann sie sich dort treffen wollten. Es fiel auch mein Name, im Bezug darauf, dass ich unbedingt vorbei kommen sollte. Ich hatte jedoch überhaupt keine Lust und ließ diesen Kommentar eines Freundes unbeantwortet. Diesen Abend würde ich mich nicht abschießen um meine Welt um mich herum zu vergessen. Ich wollte jeden Augenblick in meinem Gedächtnis behalten. Und etwas erleben - mit Sam.

Schnell schmiss ich mein Handy ausgeschaltet auf einen Stuhl, welcher mitten im Raum stand, und lief die Treppen hinunter. Ich trat mit Sam durch die Eingangstür auf die Straße. Wir liefen lange Zeit nebeneinander her und redeten sehr viel.

Sie brachte mich zum Lachen, was tatsächlich eine Kunst für sich war, da mein Humor ein wenig anders erschien. Dies waren keine höflichen Lacher oder ein gestelltes Kichern, ich erfreute mich wie lange Zeit nicht mehr - nämlich direkt aus dem Herzen. Auch Sam fühlte sich nicht unwohl, soweit ich das beurteilen konnte, mit meiner eigenen Gabe, Menschen und Gefühle wunderbar schlecht zu deuten.

Gerade durch den Stadtpark schlendernd blieb sie an einer sehr schönen Stelle stehen. Ein großer Baum erstreckte sich über unsere Köpfe, und kleine Blumen sprossen rund herum. Ein kühler Wind erfasste meine Haare, welche sich dadurch leicht hoben und senkten. Sam rieb sich unbewusst an den Armen und zog die Ärmel ihres Pullovers über ihre zarten Hände, bis sie nicht mehr zu sehen waren. Die Zeit rückte immer weiter Richtung Mitternacht, und es wurde nicht gerade wärmer.

Als ich ihre Geste registriert hatte, ging ich auf sie zu und legte meine Arme um sie, um ihr Wärme zu spenden. Sie schloss ihre Augen und kuschelte sich an mich. Ich bemerkte ein leichtes Zittern ihrerseits und strich langsam an ihrem Rücken und ihren Armen auf und ab. Langsam verschwand das Zittern, jedoch ihr Puls stieg stetig an. Und auch meiner blieb nicht verschont. Sie rannten um die Wette.

Ich spürte ihren Atem an meinem Nacken. Anscheinend hatte sie ebenfalls das Schneller werden ihres Puls' bemerkt und versuchte nun, diesen in den Griff zu bekommen. Mich persönlich störte meine Veränderung nicht - ich empfand sie als angenehm. Kleine Härchen stellten sich an meinem ganzen Körper auf, ohne, dass ich irgendetwas getan hatte.

Langsam bewegte Sam ihre Arme. Mir war unklar, was sie vorhatte, bis ich ihre Berührung unter meiner Jacke spürte. Sie ließ ihre Finger an meiner Taille entlang gleiten, und verschränkte diese somit hinter meinem Rücken, zwischen dem Stoff meiner dünnen Stoffjacke und jenem meines T-Shirts.

Ich konnte mich nicht mehr beherrschen, und ließ meinem Lächeln freien Lauf. Ohne nachzudenken neigte ich meinen Oberkörper ein Stück nach hinten, sodass ich in ihr Gesicht sehen konnte. Auch sie lächelte mich herzerwärmend an. Meine Hand fand ihre Wange. Kurze Zeit blickte sie mich wie versteinert an. Es wirkte, als wühlte ein Gefühlschaos in ihrem Kopf. In meinem war es jedenfalls so.

Meine Augenlieder zitterten.

Ich konnte meinen Blick nicht von ihren Lippen abwenden.

Und wo es mir sonst so leicht gefallen war, meine Lippen mit denen anderer Personen zu vereinen, und meinen Charme mutig für sich sprechen zu lassen, so hatte ich bei Sam Angst, etwas falsch zu machen, und sie durch eventuelles überstürztes Handeln zu verlieren, bevor ich die Chance gehabt hatte, sie für mich zu gewinnen.

Schnell fasste ich mich wieder und beendete den intensiven Augenkontakt.

Ich entfernte ich mich von ihr, um mich unter Kontrolle zu bekommen. Sie blickte mir weiterhin tief in die Augen, als wollte sie mich durchschauen und meine Handlungen verstehen.

Ich verstand meinen Kopf ja nicht einmal selbst.

Und schon bereute ich den schnellen Rückzieher.

★? Danke!

roses are slowly dyingOù les histoires vivent. Découvrez maintenant