bedreckt

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Ich war soeben noch in Gedanken gefangen und wünschte mich, mit Sam an meiner Seite, an einen weit entfernten Ort. Ein Ort, an welchem die Schatten der Häuser nicht so hoch empor ragten und die Straßen in morgendliche Dunkelheit tauchten.

Ein Ort, an welchem kein Hass existierte und jeder mit jedem sein Leben teilte, so wie es kam. Dort sollte Akzeptanz groß geschrieben werden.

Ich würde nun an jedem Ort der Welt lieber sein als hier - unwissend was passieren würde, vor meinem Widersacher stehend und still um mein Leben bangend. Ein bitterer Geschmack breitete sich langsam in meinem Mund aus. Es würde nicht mehr lange dauern, bis die Situation eskalieren würde.

Eiskalt standen wir uns gegenüber. Jede Reaktion meines Gegenübers wurde genauestens von mir wahrgenommen und kombiniert. Sein Kieferknochen hatte mich im Geiste bereits zermalmt und triumphierte mit einem leichten Zähneknirschen.

Ganz langsam schlich sein rechter Mundwinkel empor, als er meinen irritierten Blick sah. Dieser galt aber eher seinen Zähnen selbst, als dem abartigen Geräusch, welches er soeben noch damit erzeugt hatte. War es mir noch nie aufgefallen, oder hatte Eric sich tatsächlich einen seiner Eckzähne vergolden lassen? Unfassbar, wie scheiße das aussah. Hätte er doch lieber sein Geld in einen Septum gesteckt, dann wäre der Ochse gezähmt, anstatt den goldgelben Vampir zu spielen.

Das lustige war ja, dass seine restlichen Zähne sich von weiter Entfernung kaum von dem Goldzahn unterschieden. Sie glichen einem gut gereiften Käse. Bei meiner Erkenntnis musste ich Grinsen. Jedoch wurde ich schnell wieder ernst und schwor mir, meine Emotionen nicht so offen preiszugeben.

Noch immer standen wir uns gegenüber. Nicht viel Zeit war vergangen, doch die ersten Anhänger Erics grummelten bereits vor sich hin und suchten vergebungslos nach einer Sitzmöglichkeit, da sie das Fett auf den Rippen in die Erde stampfte.

Heute wurden wirklich alle Klischees bedient.

Mein Blick wanderte von der Kleingruppe wieder hinauf zu Erics wundervoller Fratze. Als sich unsere Blicke trafen hielt ich der Herausforderung seinerseits stand und wir lieferten uns ein eiskaltes Duell.

Die Luft war am Knistern und niemand sprach ein Wort, bis es Blondie auf einmal satt hatte und mich überraschend ansprang. Wahrscheinlich hatte sie bereits auf ein lustvolles Blutbad gehofft und es dauerte ihr einfach zu lange. Ich wusste auch nicht, wieso Eric nicht bereits vor einigen Minuten zuvor zum gekonnten Angriff angesetzt hatte, sodass ich alles geschickt hätte wenden und abblocken können.

Es schien so, als hätte Eric nicht weit genug gedacht. Er hatte mir zwar sämtliche Androhungen gemacht, jedoch erschien er in den letzten Minuten sogar relativ friedlich im Gegensatz zu seiner normalen Natur. Vielleicht trieb er wirklich irgendein absurdes Katz-Maus Spiel und deshalb war ich nun noch am Leben.

Nicht mehr lange jedoch, da die Sprungattacke seiner Freundin so überraschend über mich herein gebrochen war, dass ich nicht mehr ausweichen konnte. Sie war schnurstracks auf mich zu gerannt; ihre langen Fingernägel dienten dabei als bedrohliche Angriffswaffe. Sam war zum Glück einen Schritt zurück gewichen, damit sie kein Leid erfuhr.

Ein dumpfer Schlag ertönte, als ich krachend am Boden ankam, die wild kreischende Tussi auf mir drauf sitzend. Ihre dicken Lippen spuckten allerlei absurde Kriegsrufe und Geräusche aus, wie man es sich nicht einmal erträumen könnte. Wären meine Ohren nicht bereits in eine leichte Taubheit durch den harten Aufprall auf dem Boden verfallen, dann wäre ich jetzt offiziell taub, hätte ich dieses Gekreische bei vollem Volumen miterleben müssen. So nahm ich nur ein Rauschen wahr und spürte ihre Fäuste auf meinem Körper, welche nicht stark aber in schnellem Rhythmus meinen Körper erzittern ließen.

So lag ich dort also am Boden, und es war ein schmerzvoll erniedrigender Moment. Ein laut blökendes Schäfchen voller Zorn auf mir sitzend, welches mich zur Anti Aggressionskur zweckentfremdete.

Zur einen Seite ein höchst verstörtes Mädchen, welches trotz ihrer verzogenen Miene noch immer einem Engel glich.

Gegenüber ein verkümmerter Junge, welcher sich selbst in Sachen Aufrichtigkeit betrog.

Dahinter eine Horde stummer Gestalten, welche Gott versehentlich als Dekoration hier abgestellt hatte - so könnte man meinen.

Es gab keinen Ausweg aus dieser Situation. Wenn ich aus meiner Trance aufwachen und die stumpfen Schläge abwehren würde, dann würde Eric aus seiner Schockstarre erwachen und in den Kampf womöglich mit einsteigen. Doch da er momentan nur einseitig von statten ging, wusste er nicht genau, wie er sich verhalten sollte.

Der Feind schien sich aus seiner Sicht gut zu bändigen, also war seine Hilfe momentan nicht gebraucht. Ein bisschen stolz erschien er mir, wie er dort stand, nun selbstgefällig grinsend. Doch blicke man in seine Augen und durch ihn hindurch, dann erkannte man all die Lügen hinter seiner Maske. Er war nicht stark, sondern bestand lediglich aus innerer Schwäche. Dies wurde mir in jener Situation klar.

Und wollte ich gerade noch nach einem Ausweg aus meiner misslichen Lage suchen, passierte es von selbst.

Mir wurde schwarz vor Augen und ich nahm nur noch verzweifelte Rufe Sam's wahr. Die dumpfen Schläge, welche noch lange in meinem Kopf widerhallten, verzerrten sich immer mehr. Gerade, als das dumpfe Klopfen dabei war, in der Stille zu ertrinken, wurde mein Inneres grell erleuchtet und ich schlug meine Augen ruckartig auf.

Hektisch blickte ich mich um. Langsam gewöhnten sich meine Augen an die Helligkeit im Zimmer. Weiße Wände kamen zum Vorschein.

Wo war ich?

★? Danke!

roses are slowly dyingWhere stories live. Discover now