XI. jägerin

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Verblüfft atmete ich eine kleine Wolke Rauch aus meinen Lungen aus, welche sich nach einem Zug an der Zigarette dort gesammelt hatte. Dieser Rauch eilte schnell den Himmel empor, und glitt ebenfalls einige Sekunden an den perfekten Gesichtszügen Sam's entlang.

Diese war in jenem Moment sehr fokussiert auf meine Lippen und das graue Luftgeschwür schien sie keinesfalls zu stören. Mir kam in den Sinn, wie sie mir in unseren Kindheitstagen trotzig das Rauchen verwehrt hatte. Seltsam, dass jene Sünde sie nun selbst prägte. Was hatte sie nur dazu veranlasst, ihren guten Willen abzulegen und den vielen Rauchern in die scheinbar ewige Sucht zu folgen?

»Aye, du rauchst ja. Hätte ich mehr Zigaretten dabei, würde ich dir liebend gern eine weitere anbieten. Aber sorry. «, säuselte ich lässig vor mich hin, um Ihre Aufmerksamkeit von meinen Lippen hin zu meinen Augen zu lenken.

Sam schien die jetzige Nähe zu mir keinesfalls unangenehm zu sein. Ich bemerkte wieder einmal, wie unsere Persönlichkeiten uns glichen, und trotzdem konnten wir keine klaren Überschneidungen vorweisen.

»Nein danke, eigentlich versuche ich aufzuhören. Miese Angewohnheit.«, kam es als Antwort ihrerseits zurück.

Es wäre eigentlich kaum möglich gewesen, in diesem Moment noch näher an sie zu treten, außer hier und jetzt in sie einzudringen, doch dies war ein anderes Kapitel. Geschickt platzierte ich meinen Arm neben ihr an der Wand, um so einen möglichen Fluchtweg zu verhindern. Dann führte ich den Smalltalk weiter, ohne jegliche Emotion preiszugeben und sie lediglich mit einem Funkeln in den Augen anzublicken.

»Hrmm, ja, man kennts. Ich wollte auch einmal aufhören. Hab es offensichtlich nicht so ganz geschafft. Also viel Glück dir, das wirst du brauchen. «

Ihre Hände hatten sich nach dieser Aussage stumm an meine Lederjacke gelegt. Somit hatte sie vollkommen Kontrolle über einige meiner Bewegungen. Da ich wissen wollte, was passieren würde, ließ ich ihr den Spaß und somit die Dominanz, welche eigentlich die meinige Leidenschaft war.

Auf einmal zog sie mich nah an sich; so nah, dass unsere Lippen sich fast berührten. Dann schlug sie verführerisch die Augen auf und blickte mich mit einer unsichtbaren Anziehungskraft an, welche danach schrie die Lücke eines Windhauches zwischen uns zu schließen.

»Ich hoffe du schaffst es irgendwann einmal.«

Noch immer war ich wie hypnotisiert von der ungewöhnlichen doch so vertrauten Situation. Den Stummel meiner Zigarette hatte ich bereits fallen gelassen. Ich wusste nicht mehr genau, ob ich dies beabsichtigt getan hatte, oder es geschehen war, da Sam mich komplett eingenommen hatte, mit ihrer unmittelbaren Präsenz vor mir.

Nach dieser Geste strich Sam kurze Zeit an dem ledernen Stoff meiner Jacke hinunter, lehnte sich zurück und blickte mich melancholisch an.

Mir blieb die Luft weg.

Wusste sie nun wer ich war, oder war diese Aussage ihrerseits lediglich ungeheuerlich zutreffend gewesen?

Lange Zeit hatte ich das Zittern der Luft dergleichen nicht mehr gespürt, etwas so Vertrautes doch zugleich höchst abschreckend.

Die Kontrolle meines Geistes war für einen kurzen Windhauch auf ihrer Seite gewesen. Noch einmal durfte ich das nicht zulassen.

Ich war mir im Klaren darüber, dass wir in jenem Moment beobachtet wurden, doch ich ließ es mir nicht anmerken. Bereits als ich den Club verlassen hatte, konnte ich die zwei unscheinbaren Gestalten ausmachen, welche in ihrem Auto saßen, und versuchten nicht aufzufallen.

Ich hatte ein Auge für so etwas, und außerdem lag es in meiner Natur, immer recht vorsichtig mit meiner Situation umzugehen. Durch all die Schandtaten, welche mir widerfahren waren, konnte ich an keinen Ort gehen, ohne Menschen sowie Gebäude vorher auszumachen, um somit möglichen Gefahren auszuweichen.

Geschickt hatte ich die aufgenommenen Informationen mit vergangenen Ereignissen kombiniert und mich mit einer klaren Vorahnung auf den Moment zwischen Sam und mir eingelassen. Niemals würde ich vergessen, dass Sam zu den Guten gehörte, und ich in ihren Augen das Böse widerspiegelte.

Sie war ein Cop, und ich die Missetäterin.

Aufgrund der zwei Gestalten schlussfolgerte ich, dass sie hier keineswegs aufgrund ihres freien Willens stand. Das vorher im Club, so verwirrend wie es mir von Anfang an erschienen war, hatte nichts mit unserer spürbaren Verbindung zu tun sondern war lediglich ein ausgeführter Befehl.

Begierig hatte sie mich abgetastet, auf der Suche nach den illegalen Substanzen, welche ich gottseidank an diesem Abend in meinem Schuh untergebracht hatte. Anscheinend hatten die Polizisten bemerkt, über Videoaufnahmen aus der Wache oder Sonstigem, dass ich keinesfalls clean war.

Und nun standen wir hier draußen an der frischen Luft; sie im Auftrag ihres gerechten Jobs handelnd, wahrscheinlich ohne jegliche Ahnung, dass ich deren Spiel durchschaut hatte, und ich, als die verborgene Jägerin.

Mit mir konnte man nicht so leicht Katz und Maus spielen, und das würde ich ihr beibringen.

Noch immer stand sie leicht lächelnd an diese kühle Wand gelehnt, jede meiner Bewegungen genau beobachtend. Ihre zwei Kollegen verfolgten das Geschehen inbrünstig, darauf hoffend mich gleich an Ort und Stelle abführen zu können, da ich ihrem wirklich heißen Köder meine schmutzigen Geheimnisse verraten würde. Gewiss würde ich das noch, doch keinesfalls diese Art von Geheimnissen, welche ihre Ermittlungen voranbringen würden - zumal diese nichts für sanfte Männerohren waren.

★? Danke!

roses are slowly dyingWhere stories live. Discover now