X. meer

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Achtung! In diesem Kapitel findet sich brutale Gewalt. Falls du nicht an solch emotionalem Geschehen interessiert bist, bitte ich dich, diese Szene zu überspringen. Danke.

Jetzt, wo ich so darüber nachdachte, bestand tatsächlich eine Ähnlichkeit zwischen dieser Sam und jener anderen, welche ich seit sehr vielen Jahren nicht wieder gesehen hatte.

Bevor das alles mit Jordan eskaliert war, hatte sie mich wirklich glücklich gemacht. Ich hatte mich damals so sicher bei ihr gefühlt, bis ich gezwungen war, all das aufzugeben. All das, um die Menschen zu beschützen, welche ich zu dieser Zeit liebte. Und das war auch sie gewesen.

Doch falls es sich hierbei wirklich um die Sam aus meiner Jugendzeit handeln sollte, stand die Frage offen, ob sie mich überhaupt erkannt hatte. Ich hatte ihr keinerlei Information über meine Identität verraten wollen.

Außerdem war mein äußeres Erscheinungsbild sehr von den letzten Jahren geprägt worden. Meine Haare waren schon seit einiger Zeit in schimmerndem weiß gefärbt, welches sehr gut meine Emotionslosigkeit in der reinen und so unschuldigen Farbe widerspiegelte. An diesem Abend trug ich ebenfalls farbige Kontaktlinsen, darauf bedacht meine blassen Augen zu verbergen. Eigentlich hatte ich kein Recht dazu, mich mit der Farbe Weiß zu identifizieren, doch ich tat es immer wieder.

Ich bin mir ziemlich sicher, dass Sam nicht wusste, wer ich war. Wie auch, bei meiner äußerlichen Veränderung.

Doch ich hatte sie erkannt, jedenfalls nachdem der Mann ihren Namen laut ausgesprochen hatte. Schon als meine Augen das erste Mal nach all den Jahren auf sie gerichtet waren, weckte sie irgendwelche Gefühle in mir. Nun, da ich tatsächlich wusste, dass dies Sam gewesen war, wurde mir die Ähnlichkeit zu damals bewusst. Sie hatte sich zwar ebenfalls sehr verändert, jedoch waren ihre verzaubernden Augen noch ohne Zweifel dieselben.

Anstatt des kindlich wirkenden Gesichtes von früher, welches ich noch viele Jahre nachdem ich sie verlassen hatte in meinen Gedanken Tag für Tag gesehen hatte, schmückten nun lebendige Gesichtszüge ihre Präsenz. Ihr Kiefer war markant, der Körper weiblich und gut bestückt und ihre Persönlichkeit sehr dominant und verführerisch. Verdammt, was ein Glück sie wieder zu sehen. Ich fühlte mich auf einmal so lebendig wie lange Zeit nicht mehr. Eventuell würde ich zukünftig des Öfteren in Betracht ziehen, mich verhaften zu lassen, allein um sie wiederzusehen.

Die Sonne lugte bereits hinter den Häuserspitzen hervor, als ich in meinen klappernden High Heels, mit der Lederjacke über die Schulter geworfen und einer Zigarette zwischen den roten Lippen in Richtung meiner stinkenden Wohnung lief.

Mike, der Mann welcher mich anschließend verhört hatte, nachdem er seine verzaubernde Kollegin ablöste, konnte folgend nicht sonderlich viele Informationen aus mir heraus bekommen. Ich hatte mich als eine Tiffany ausgegeben und mich so gut es nur möglich war in die Opferrolle gerückt.

Schlussendlich hatte niemand die Pillen bemerkt und somit lagen keinerlei Beweise gegen mich vor, weswegen sie kein Recht dazu hatten mich auf dem Revier festzuhalten. Ich war ohne weiteres mit erhobenem Kopf aus der Wache spaziert. Wahrscheinlich hatten sie ebenfalls nicht sonderlich die Lust verspürt, sich weiter mit mir herum zu ärgern.

Die kühle Luft umschmeichelte meine Haut. Eine leichte Gänsehaut machte sich breit, welche mir auf der Stelle Gedanken an Jordan in den Sinn rief.

Ich würde gewiss Ärger bekommen, da ich es nicht geschafft hatte, die Pillen an den Empfänger zu bringen. Somit würde Jordan einen Kunden in seinem Geschäft verlieren. Diese Tatsache ließ mich tatsächlich für einen kurzen Moment auflachen. Mein krankes Kichern hallte in den leeren Straßen der Stadt wieder. Für Außenstehende möge dieses Szenario absurd wirken, doch ich fühlte mich zu diesem Zeitpunkt frei.

Anders als an anderen Tagen wurde ich zu meiner Überraschung an folgendem Morgen von leisem Vogelgezwitscher geweckt, ohne jeglichen Schmerz in meinem Kopf oder der Brust zu spüren.

Hey, glaubst du das wirklich?

Nein, so war es nicht.

Erschöpft war ich nach dem Heckmeck mit Klamotten ins Bett gefallen. Keine Stunde später kreuzte der wild schreiende Bastard in meinem Zimmer auf. Ich durfte mir, wie schon so oft, gehässige Beschimpfungen anhören.

Dann packte er mich grob und hatte versucht, mich aus meinem Bett zu bekommen, an welches ich mich in dieser Situation verzweifelt krallte; auf der Suche nach Schutz.

Er stank abstoßend aus dem Mund und seine Augäpfel waren fürchterlich gerötet, was ich feststellen durfte, als er mir Nahe kam; viel zu nah für meinen Geschmack, und fordernd versuchte das letzte Stück Stoff in Form des Kleides von meinem Körper zu entfernen.

Schreiend und um mich schlagend hatte ich es geschafft, ihn angewidert von mir zu stoßen. Folgend entfachte jedoch seine Wut nur noch ein bisschen mehr, und er war kaum mehr zu stoppen.

So riss Jordan mich von dem Bett hinunter, schleifte mich förmlich ins Badezimmer und begann, das Wasser in die Badewanne einzulassen, während ich in seinem festen Griff um mein Leben kämpfte. Daraufhin wurde meine verzweifelte Fratze, welcher ich jede einzelne Träne verwehrt hatte, in die kalte Unendlichkeit getunkt.

Ich genoss tatsächlich den kurzen Moment der Ruhe und des Friedens, welchen die immer dunkler werdende Schwärze um mich herum mit sich brachte, bis ich an meinen Haaren an die Oberfläche dieses spiegelartigen Zusammentreffens mit meinem Leben gezogen wurde und der Lärm abermals an meine Ohren drang.

Vor Schmerz stöhnend fasste ich mir an eine blutende Wunde an meinem Kopf, welche Jordan mir zugefügt hatte, als er meinen Kopf zu gehässig gesteuert hatte und direkt an eine steinerne Ecke schlug.

Inzwischen war er gegangen, und hatte mich durchnässt und verzweifelt auf dem kühlen Badboden sitzen lassen.

Meine Augen flackerten und ich war mir bewusst, dass mein Kopf es nicht mehr lange mit machte. So stand ich hastig auf, so schnell es in meinem Zustand eben ging, und versuchte mich mit letzter Kraft aus diesem kalten Zimmer des Grauens zu befördern. Doch noch während ich zum Gehen ansetzte, knickten meine kraftlosen Beine unter meinem Körper ab und ich fiel schmerzhaft zusammen.

Die Dunkelheit durchströmte meinen Geist, welchen ich langsam aus meinem Körper weichen spürte. In meinem Gedankenmeer sah ich mich aus einer erhabenen Perspektive, wie ich dort auf dem Boden lag.

Hatte ich nicht neulich erwähnt, ich würde scheiße aussehen, mit meinen Augenringen und den Narben der Vergangenheit? Dies war ganz sicher nicht zu vergleichen mit dem hier aufgeführten Moment. Hätte mich in diesem Zustand jemand zu Gesicht bekommen, hätten diese Leute auf der Stelle ein Sarg gekauft und mich ohne jeden Zweifel unter die Erde befördert.

Was eine Ironie, dass ich mich vorher noch freiwillig in die Opferrolle begeben hatte, um dem Moment auf der Wache zu entfliehen. Und nun war ich selbst zu dieser schwachen Person geworden, welche nichts weiter tun konnte, als auf fremde Hilfe zu hoffen, welche mich endgültig aus dieser Hölle erlösen würde.

★? Danke!

roses are slowly dyingWhere stories live. Discover now