XII. graukontakt

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Aufbrausend marschierte ich in Richtung der Polizeiwache. Eine locker sitzende Jogginghose an meinen Hüften begleitete mich, und an meinen Füßen prangten bequeme Socken gepaart mit altem Schuhmaterial. Dies waren meine einzigen Paar Schuhe, welche ich anziehen konnte, wenn ich ausnahmsweise einmal nicht ausgehen wollte. Der ständige Absatz an jedem Schuh brachte mich noch um.

Ich hatte mir keinen wirklichen Plan zurechtgelegt. Gerade, als ich um eine Straßenecke bog, mit einer qualmenden Zigarette zur Beruhigung meiner unruhigen Seele zwischen den Lippen, und mir das mittelgroße Gebäude ins Auge fiel, bemerkte ich meine Spontanität. Was wäre, wenn ich Sam dort heute gar nicht antreffen würde?

Eine halb verrückte würde also mit altem Make-Up, wilden Haaren und teils unangebrachten Klamotten in deren Revier hinein marschieren, als wäre nichts Großes dabei. Außerdem hatten diese mich bestimmt noch nicht abgehakt, nachdem ich vor nicht allzu langer Zeit dort eingekehrt war, und sie mir nicht sonderlich viel Information entlocken konnten.

Doch das war mir ehrlich gesagt gerade scheiß egal.

Ich wollte Sam jetzt sofort sehen, und sie über ihre miese Aktion ausfragen.

Das Thema sollte so schnell wie möglich vom Tisch sein, bevor ich noch ewig auf meinem Gewissen herum saß und dies alles nur noch schlimmer werden würde. Wenn sie also wirklich die Verantwortliche für den Diebstahl war, oder wie sie es bestimmt nennen würde, die Entwendung eines Beweisgegenstandes von einer tatverdächtigen Person, dann würde sie über meine Identität Bescheid wissen. Bestimmt hatte sie einige Fragen an mich, doch im Vordergrund stand nun erst einmal meine Wut auf sie. Die Fragen konnten gewiss warten.

So stürmte ich unaufhaltsam durch die Türen des Reviers. Nach hektischen Blicken, welche dazu dienten meine Umgebung gründlich zu scannen und nach meiner Zielperson zu suchen, wurde ich von einem Polizisten gepackt und festgehalten, sodass ich mich nicht weiter frei umsehen konnte.

Wahrscheinlich dachte er ich wäre ein wenig verrückt.

Ich entschuldigte mich spielerisch, nachdem ich Sam nicht ausfindig machen konnte, und ließ mich kurzerhand vor die Tür des Gebäudes versetzen.

Als ich folgend ein paar Schritte um das Gebäude herum gelaufen war, sah ich Sam durch ein Fenster in einer peniblen Dienstjacke an einem Tisch sitzen und möglicherweise gerade ihr Mittagessen zu sich nehmen.

Wahrscheinlich kam das gar nicht komisch rüber, dass hier momentan eine Irre um ein Polizeirevier schlich, um ihre Ex ausfindig zu machen, welche sie aufgrund ihres Geldbörsendiebstahls und der Identitätsaufdeckung zur Rede stellen wollte.

Bei mir musste man sich wirklich nicht mehr wundern.

Okay, ein Plan musste her.

Nicht lange zögerte ich und so war ich bereits einige Minuten darauf folgend erneut in dem Gebäude unterwegs, aus welchem ich gerade noch verbannt wurde. Heimlich hatte ich mich an ein paar Polizisten unbemerkt vorbei schleichen können.

Ich selbst war auch sehr überrascht über meine leichten Füße. Dies sollte ich wirklich mal in Bezug auf den Taschendiebstahl ausprobieren. Sicher lag mir diese Kunst gut.

Als ich in einem kleinen Flur stand, folgte ich diesem verwirrt. Ich hatte einen wirklich schlechten Orientierungssinn und wusste nur noch ungefähr, wo genau ich mich gerade befand. Ein wenig überrascht war ich davon, dass ich auf keine Menschenseele stieß, doch nur eine Millisekunde später wusste ich bereits wieso. Mit einem hastigen Blick um eine Ecke vor mir, welche einen Rechtsknick des Ganges Inne hatte, konnte ich die Bewohner dieses speziellen Hauses ausmachen.

Hübsch aufgereiht saßen einige, größtenteils männliche Personen an mehreren Gruppentischen und aßen momentan hochwertig duftende Mittagskost aus deren Kantine. Unter diesen überwiegend blau gekleideten Menschen konnte ich ebenfalls Sam ausmachen. Mit drei weiteren Personen teilte sie sich einen Tisch.

Wieso genau nochmal machte ich dies alles?

Ich haperte gerade sehr mit dem Plan sowie meinem Gewissen.

Ich würde niemals an sie herankommen und ihr eine Szene machen können, unter all den Augen.

Doch natürlich hatte ich, der überemotionale Mensch welcher ich in Nähe einiger weniger Personen sein konnte, nicht einfach warten können, bis ich Sam irgendwo auf der Straße oder im Club getroffen hätte.

Fluchend flüchtete ich durch eine Tür, welche sich direkt neben mir befand, als mich eine Person zu meinem Erschrecken bemerkt hatte und langsam auf mich zu gekommen war. Der Raum, in welchem ich mich nun, ebenfalls illegaler Weise befand, war ein stark beleuchteter Raum.

Grell strahlte die Deckenbeleuchtung auf ein paar Spinde und Bänke hinunter, und ließ den Raum kühl wirken. Kurzzeitig fühlte ich mich zurückversetzt in meine Schulzeit, in welcher die Umkleideräume der Turnhalle eine beängstigende Ähnlichkeit mit dieser Location dargestellt hatten.

Ich musste ein wenig Grinsen, als mir die Idee kam, mich einfach unters Volk zu mischen. Mein Karma hatte mich bereits bis hier her gelenkt, und ein Abbruch war aussichtslos. Ich würde mit Sam in Kontakt treten, ganz sicher. Auch wenn vielleicht auf eine eher unübliche Art und Weise.

Nachdem ein paar Minuten verstrichen waren, hatte ich schlussendlich eine passende und wirklich bequeme Jacke sowie eine Kappe in einem Spind gefunden, welcher nicht richtig verriegelt sondern nur leicht angelehnt gewesen war. Schelmisch grinsend betrachtete ich mich in einem kleinen Spiegel an der Wand, bevor ich die Schultern straffte, den Kopf empor reckte und aus dem Raum schritt. Zwar waren dies die Klamotten einer sehr kräftigen Frau, beziehungsweise eines Mannes, und mir dementsprechend etwas zu groß, doch einen Versuch war es sicherlich wert.

Meine Augen funkelten ein wenig, bei dem Adrenalin welches momentan durch meinen Körper rauschte.

Ich war bereit.

Bereit dazu, Sam unter die Augen zu treten und ihr in wahrlich unangemessenem Umfeld die Worte zu entlocken, welche ich hören wollte.

So ganz genau wusste ich auch nicht, welche das eigentlich waren, doch insgeheim suchte ich nach Vergebung für all das, was ich angestellt hatte.

Diese Situation inklusive.

Natürlich traf ich mich nicht gerade mit dem allmächtigen Gott auf einen Plausch bei Kaffee und Kuchen, welcher nur kurz mit dem Finger schnippen würde um mir meine Schandtaten zu vergeben.

Doch tatsächlich bedeutete mir Sam sehr viel, vor allem nachdem sie nun endlich wusste, wen sie vor sich hatte. Jedenfalls ging ich davon aus.

Langsam näherte ich mich ihrem Tisch und kurz bevor ich zu ihr stieß, verließen ein paar Personen sie, sodass die Sitzbank nun Lücken aufwies.

Mein Timing war einfach spitze, hatte ich das schon einmal erwähnt?

Ihre Augen wirkten ein wenig trist und müde. Sie betrachtete stumm ihr angebissenes Brot sowie meine Füße und Beine aus dem Augenwinkel. Erst als sie den Blick hob und mich für einen Moment betrachtet hatte, stoppte sie mitten in der Bewegung und vergaß kurzzeitig das Atmen. Ein wenig Schock stand ihr zu Gesicht geschrieben, was mich doch sehr amüsierte.

»Sehe ich wirklich so schlecht in dieser Uniform aus?«, flüsterte ich mit einem schelmischen Grinsen, als ich mich ihr gegenübersetzte, indem ich mich frech neben einen Polizisten schob, welcher in diesem Moment dazu ansetzte, den Tisch zu verlassen.

★? Danke!

roses are slowly dyingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt