monoton

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Die Stimmung zwischen Sam und mir war die folgenden Tage recht angespannt sowie ein wenig unsicher.

Wir behandelten uns wie WG Bewohnerinnen - ohne besondere Vorzüge oder Abstriche. Jeder schlief in seinem eigenen Bett, Umarmungen gab es auch keine, und der Moment, in welchem wir uns am nächsten waren, war jeden Morgen das gemeinsame Warten auf die lebensnotwendige braungoldene Substanz der Kaffeemaschine.

Zwar befand sich Sam immer in meiner Nähe, doch niemals war sie wirklich bei mir. Ihre Gedanken schienen überall doch nicht an diesem Ort bei mir zu sein, obwohl ich mir dies am meisten wünschen würde. Denn ich dachte den ganzen Tag an sie, und obwohl sie nicht weit entfernt von mir schien, so trennten uns gefühlt Kilometer in dieser stickigen Wohnung. Nach einigen Tagen fühlte ich mich sehr eingeengt zwischen jenen Wänden, weshalb ich beschlossen hatte, aus meinem Käfig auszubrechen. Es ging bekanntlich nicht sehr gut aus, ein wildes Tier für einige Zeit einzusperren. Mir fehlte meine Freiheit enorm, und diese würde ich mir mit dieser Aktion zurückholen. Außerdem reizte mich der Gedanke an etwas Verbotenes. Somit hatte ich endgültig die Chance, nach all der zwischenmenschlichen Entfernung, welche zwischen uns herrschte, Sam's Aufmerksamkeit endlich wieder auf mich zu richten.

Mir fehlten der intensive Blickkontakt sowie die kleinen Neckereien. Ich musste uns beide endlich aus dieser verfluchten Versenkung locken. Selbst eine Abreibung sowie ein paar tadelnde Schläge ihrerseits auf meiner Haut würden mich zutiefst zufrieden stellen.

Der Mond schien in dieser Nacht hell auf die Straßen der Stadt und ließ die wenigen Regentropfen, welche aufgrund vergangener Wolken noch am Boden schimmerten, in hellen Farben glitzern. Das Wetter war die letzten Tage nicht sehr angenehm gewesen, weshalb ich nicht einmal daran gedacht hatte, diese Wohnung zu verlassen.

Doch nun reizte mich die frische Luft mit ihren Geräuschen und Gerüchen der Außenwelt und niemand konnte mich davon abhalten, endlich wieder kleine Gassen und belebte Straßen zu entdecken. Huch, meine wilde Natur erinnerte mich kurzzeitig an Grenouille aus einer längst vergangenen Deutsch Lektüre. War ich ebenso krank und besessen? Ich hoffte nicht, lol. Doch tatsächlich konnte ich Parallelen ausmachen. Niemals hätte ich gedacht, dass mich meine Charakterzüge an einen fiktiven Charakter erinnern würden, vor allem nicht aus vergangenen Unterrichtszeiten, welche ich stetig verabscheut hatte.

Das Leben hatte mich bisher am meisten gelehrt, und das würde es auch noch tun.

Sam war soeben Duschen gegangen, weshalb ich meine Chance sah, das Haus endlich einmal wieder verlassen zu können. Sicherlich würde ich das auch sonst dürfen, doch nicht ohne die Begleitung von Sam. Diese reizte mich zwar sehr, doch ebenfalls grenzte mich ihre ständige Anwesenheit immerzu ein.

Geschwind schälte ich mich aus meiner Jogginghose hinein in ein schwarzes Kleid, welches weder zu lang noch zu kurz erschien, warf mir meine Lederjacke über und setzte mir eine schwarze Kappe auf, welche ich aus dem Schrank von Sam entwendet hatte. So standen meine Chancen ein Fünkchen besser, von keiner Menschenseele erkannt zu werden. Sicherlich waren all jene Grobiane hinter Gittern, welche die Polizei an diesem Abend schnappen konnte, doch sowohl Jordan als auch einige andere gefährliche Quellen schlummerten noch dort draußen.

Mich störte dieser Fakt relativ wenig, da ich den Nervenkitzel liebte, doch ein bisschen Respekt verspürte ich tatsächlich, als ich nach kurzer Zeit in einen vollen Club trat, und mich in jene Zeiten zurück versetzt fühlte, in welchen ich unter der Obhut von Jordan diente. Ich musste mir zurück in den Sinn rufen, dass ich nicht hier war, um etwas Illegales zu tun.

Okayyyy, streng genommen war es illegal, mich ohne Sam nach draußen zu bewegen, vor allem in so ein Etablissement, und ebenfalls Drogen zu mir zu nehmen, wie beispielsweise Alkohol. Dem richterlichen Beschluss war zu entnehmen, dass ich mich von jeglichen dieser Substanzen fern halten musste, und ein Verstoß mit einer Gefängnisstrafe quittiert werden würde.

Doch allein der Zigarettenrauch, welcher in der Luft hing, vernebelte meine Sinne befriedigend. Abgesehen von diesen Kleinigkeiten, welche man doch wohl einmal ignorieren durfte, um ein bisschen Spaß zu haben, hatte ich nicht vor, zu dealen oder meinen Körper anzupreisen. Dieser Abend war allein mir gewidmet. Und dies würde mir weder ein Mann noch Sam kaputt machen. Ich wollte frei sein und tanzen - einfach kurzzeitig vergessen wer ich war und wie kompliziert dieses Leben sein konnte. Ich wollte meine junge Seite in mir erwachen lassen und diese mit Stolz nach außen tragen.

Ein kurzzeitiges Zögern überkam mich, als ich am Tresen stand und den Alkoholgeruch vernahm. Dieser zog mich magisch in seinen Bann, doch gleichzeitig verschreckte mich das herbe Stechen in der Nase, als ich nach dem bestellten Glas griff und daran roch.

»Fuck« murmelte ich abwesend und schloss meine Augen vor dem grellen Discolicht. Einige Sekunden noch genoss mein Geist die wohlwollende Substanz an meinen Lippen, dann fand diese endgültig den Weg durch jene hindurch und über die Zunge bis hinunter zu meinem Herzen. Es flammte farbig, als die Wirkung ihren Sinn verwirklichte und ein Strahlen in meiner Brust auslöste.

Nach bereits kurzer Zeit verschwammen die Umrisse der Menschen und Gesichter und alles spielte sich wie in einem bunten Farbfilm ab. Ich tanzte wild und unbekümmert in der dichten Menschenmasse, in welcher die Menschen ihre Körper an und um mich schmiegten. Die vielen Hände und Beine verloren sich aus meinem Blick und duplizierten sich ins endlose meines Geistes.

Dunkle Silhouetten vieler Personen waren auszumachen, welche den Club füllten und wie steinige Statuen in meine Welt eindrangen. Erst bemerkte ich sie kaum, doch dann konnte ich einen robust gebauten Männerkörper ausmachen, von welchem eine Eiseskälte auszugehen schien. Er stand reglos zwischen dem bunt tanzenden Farbenmeer zu seinen Seiten, bestehend aus Menschen und deren freien Geistern. Ich blinzelte verwirrt und riss meinen Kopf mit starrem Blick herum.

Von dem einen Moment auf den anderen war diese Erscheinung verschwunden.

Ich hatte sein Gesicht nicht sehen können, da es wie in schwarze Wurzeln eingehüllt schien, welche sich ihren Weg aus seinen Augen bahnten. Doch auch ohne die hundertprozentige Versicherung durch meine Augen wusste ich genau wer dort gestanden hatte. Vielleicht war dies auch nur meinem Geiste entsprungen, doch umso realer fühlte sich nun das Gefühl in meiner Brust an, welches sich auszudehnen schien.

Die Einsamkeit kletterte in mir hinauf und hinab, und verbreitete sich immens schnell. Von einer Sekunde auf die andere brachen die Farben in meinem Kopf zusammen und jegliche Tänzer in meinem Umkreis wirkten kalt und abweisend. Die Bewegungen waren verzerrt und abgehackt, und keinesfalls so flüssig frei wie zuvor.

Ich stockte in meiner Bewegung und verweilte still, um für einen Moment die Augen zu schließen und in mich zu gehen. Diese Angst hatte nichts in mir verloren; sie sollte endlich heraus aus meinem Geist und sich nie wieder an mich heran wagen. Wenn es nötig wäre, würde ich sie mir aus dem eigenen Leib heraus schneiden. Auch wenn ich dafür mein schwarz triefendes Herz entfernen müsste. Solange mich dieses Gefühl beherrschte, konnte ich keinesfalls meine Flügel ausbreiten.

Ich wurde am Arm berührt - nicht sanft oder feinfühlig. Grob wurde ich herum gerissen und somit gewährte mir mein Sichtfeld einen Blick in blitzende Augen.

★? Danke!

roses are slowly dyingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt