geister

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Mit einer Anzahl an Sozialstunden auf dem Buckel verließ ich das Schulhaus mürrisch, nachdem ich das Büro hatte verlassen dürfen. Eigentlich war es vorgesehen, dass ich den restlichen Unterricht besuchen sollte, jedoch war mir das relativ egal. Ich hatte das meiste in meinem Leben bereits verbockt.

Und auch Liam würde ich morgen verlieren, da seine Eltern gestern Abend das Krankenhaus verlassen durften und sie wieder wohlauf waren. Also werde ich einen weiteren Verlust durchleben müssen. Er war mir in der kurzen Zeit schon sehr ans Herz gewachsen.

Als ich an der kahlen Stelle des Schulhofes vorbei kam, an welcher ich in meinem Traum zu Boden gegangen war, blitzten die Erinnerungen auf. Sam hatte versucht, mich zu beruhigen, bevor ich Eric entgegengetreten war. Und dann war es nicht Eric, welcher mich in diesem Morgen zu Fall brachte, sondern seine kleine hysterische Freundin. Wenn man diesen Gedanken vertiefte, dann war dies doch ein sehr absurder Traum gewesen.

Ein bisschen froh war ich doch darüber, sodass meine Schwäche vor Eric und den anderen nur ein Traum gewesen war. Solch ein gehässiges Grinsen seinerseits würde ich nie wieder zulassen; weder in Träumereien noch in der echten Welt.

Als ich fast bei meinem Moped angekommen war, fiel mir ein, dass ich etwas komplett vergessen hatte. Ich wollte mir eigentlich für morgen eine Entschuldigung ausstellen lassen, da ich Liam nach Hause fahren musste. Die reine Fahrtzeit betrug in etwa eine Dreiviertelstunde und das würde ich nicht morgen Nachmittag mal geschwind erledigen können.

Also musste ich mich vom Unterricht freistellen lassen. Ich hatte wie immer natürlich super Timing, dass ich genau einmal im Jahr nach einer Freistellung fragen musste, und dies dann genau nachdem ich bereits eine Strafe für unentschuldigtes Fehlen eingesteckt hatte.

Gerade als ich mich mit wütendem Blick, zutiefst zweifelnd an meinem Karma, wieder in Richtung des großen Eingangs der Schule drehen wollte, blieb ich erstaunt stehen. Aus großer Entfernung sah ich Adam, wie er Hand in Hand mit einer zierlichen Frau den Bordstein entlang schritt. Sie schienen sich gut zu unterhalten.

Sein freudestrahlender und zugleich höchst interessierter Ausdruck, welcher der Erzählerstimme der Frau und den dazugehörigen Geschichten galt, erstaunte mich und ließ mich schmunzeln. Ich hatte ihn lang nicht mehr so glücklich gesehen. Er schien mich nicht zu bemerken, wie ich versteinert und mit weit aufgerissenen Mund vor Staunen auf dem leeren, grauen Vorplatz der Schule stand.

Ich lächelte den zwei noch einmal kurz hinterher und begab mich dann auf den Rückweg ins Schulgebäude, aus welchem ich gerade noch erfolgreich ausgebrochen war. Die große Tür schloss sich bedrohlich hinter mir.

Ich lief langsam den leergefegten Flur entlang und verstaute meine Hände lässig in meinen Jackentaschen. Jeder meiner Schritte wurde klar und deutlich als ein schallendes Echo wiedergegeben. Mich fröstelte es etwas, während ich die Stille durch meine Gehbewegung durchbrach.

Langsam beschleunigte ich mein Tempo. Gerade, als ich in einen anderen Flur abbiegen wollte, welcher sich mit diesem schnitt, ging eine Klassenzimmertür schwungvoll auf und ich lief direkt gegen eine harte Wand aus Muskeln.

Verblüfft starrten Eric und ich uns an.

Während mir mein Herz gerade in die Hose gerutscht war, schien er gelassen. Ich konnte mich keinen Schritt bewegen.

Langsam schloss Eric die Türe von außen, um die darin sitzende Klasse von dem kommenden Knock-Out auszuschließen. Nun wich ich ein paar Schritte zurück, während ich seinem Blick standhielt.

"Keinen Streit provozieren, Allie... du kommst hier heil raus", murmelte ich immer wieder vor mich hin, um meine wirren Gedanken ein wenig zu sortieren. Eric stand noch immer an demselben Platz, an welchem er gestanden hatte, als ich Bekanntschaft mit seiner harten Brust gemacht hatte. Dann öffnete er seinen Mund, welcher leicht zuckte, und sprach.

»Hallo!«

Seine tiefe Stimme durchbrach die Stille gefährlich.

Ich lachte verlegen und kratzte mich am Hinterkopf.

»Ich habe zwar meine weiße Fahne verlegt, jedoch biete ich trotzdem mit freundlichen Grüßen einen Waffenstillstand an?«, stammelte ich etwas hilflos während ich wild mit meinen Händen gestikulierte.

Eric blickte mich erstaunt an.

»Klar!«, erwiderte er dann nach einer kurzen Gedenkpause. Desinteressiert wandte er sich zum Gehen von mir ab. Kurz bevor auch ich meinen Weg zum Direktor fortsetzen wollte, erklang noch einmal seine robuste Stimme.

»Ich mochte dich noch nie. Es ist mir auch relativ egal, ob du unserer Gruppe angehörst oder nicht. Unsere Wege trennen sich hier!«

Eine kurze Pause. Ich sah nur seinem Rücken hinterher, über welchen sich ein enges Poloshirt spannte.

»Das auf der Hausparty war nicht geplant, ich hoffe das ist soweit geklärt.«

Erst als seine kräftige Statur um die nächste Ecke verschwunden war, kehrten meine klaren Gedanken zurück.

Dieser Junge verwirrte mich immer mehr. Er hatte sich zwar nicht direkt für sein Verhalten entschuldigt, jedoch war es mir Entschuldigung genug, dass er mich in Ruhe lassen würde. Es hatte sich bestätigt, dass mein Traum tatsächlich nur eine Wahrnehmung meiner geballten Ängste gewesen war.

Jene Erniedrigung, und diese auch noch durch die Make-Up Tante.

Erics gehässiges Lachen.

Meine Niederlage.

Die vielen stummen Blicke.

All diese Ängste waren unendlich gewesen und nicht aus meinem Unterbewusstsein heraus zu bekommen.

Dies alles machte nun einen Sinn. Ich hatte mich so in meine Ängste hineingesteigert, dass das Leben sie mir als Kurzfilm gezeigt hatte, um mich dann mit jenem Traum wach zu rütteln.

Doch wieso war Sam ebenfalls darin vorgekommen?

Bestand tatsächlich eine persönliche Angst vor einer wahrhaften Bindung oder hatte mein Gedächtnis sie ohne weiteres einfach hinzu gemixt, da sie mir bereits so oft den Kopf verdrehte?

★? Danke!

roses are slowly dyingNơi câu chuyện tồn tại. Hãy khám phá bây giờ