Shadow

26.

In den nächsten Tagen geschieht nichts besonderes. Bis der Freitag vor der Tür steht. In den meisten Stunden höre ich den Lehrern halbherzig zu, während ich versuche, nicht zu uninteressiert zu wirken. Ich kritzle dabei in meinen Block und starre praktisch permanent auf die Uhr.

Und damit bin ich nicht die Einzige. Denn heute ist das erste offizielle Spiel des Basketballteams der Queenston High. Das erste Spiel, das richtig zählt und das erste Spiel, welches Shadow hier spielt. Die Cheerleader haben ihren ersten Auftritt, da die Football-Spiele immer erst Samstags sind. Am Samstag können eben auch die meisten Eltern kommen, zusammen mit all den Geschwistern und der gesamten Schule. Ausserdem ist Football viel beliebter und so kommen auch Leute zu den Basketballspielen. Das ist die Theorie, aber ich weiss nicht so recht, ob sie noch immer der Wahrheit entspricht.

Etwa fünf Stunden später sind die Tribünen schon rammelvoll - ich habe ganz vergessen, dass man sich die guten Plätze sichern muss, wenn man etwas sehen will bei diesen Spielen. In der Reihe direkt über den Spielern sitzen Familienmitglieder und die wichtigsten Leute eben, zu denen ich ganz bestimmt nicht gehöre. Also muss ich mir wohl einen Platz in den hinteren Reihen schnappen. Ich überlege mir ernsthaft, einfach direkt nach Hause zu gehen.

Ich werfe einen Blick auf mein Handy. Da das Spiel in fünf Minuten beginnt, kann es sein, dass sie mich nicht mehr reinlassen, wenn ich mir noch mehr Zeit lasse. Das ist mir schon einmal vor langer Zeit passiert, und das kann ich mir jetzt nicht leisten, da ich Shadow versprochen habe, dass ich sein erstes Spiel keinesfalls verpassen werde.

Also gehe ich seitlich die Treppe zu den Tribünen hoch, während ich auf einen Anruf von Ed warte. Er hat mir gesagt, dass er mich anrufen wird, falls er nicht kommt. Und er und Shadow sind jetzt schon richtige gute Freunde oder so was, also glaube ich, dass er schon noch aufkreuzen wird. Wahrscheinlich ist er sowieso schon längst da.

Als ich auf der obersten Tribüne bin, lasse ich mich auf einen freien Platz fallen, einer der Letzten überhaupt. Ich sitze zwischen einem Mädchen der Queenston und einer der Green? Aber wieso haben sie und ihre Freunde dann blauen Pullover an?

»Habt ihr eigentlich noch jemanden erwartet?«, frage ich das Mädchen und lenke die Aufmerksamkeit der gesamten Gruppe auf mich. Nicht dass sie besonders viele wären. Drei Mädchen und zwei Jungs. Sie alle haben einen königsblauen Pullover an, auf dem ein weisses ›W‹ prangt.

»Nein. Wir sind sowieso nicht ›richtige‹ Zuschauer. Wir wollen einfach einmal sehen, wie die Schule so ist, gegen die wir nächsten Freitag spielen. Also Kasie, June und ich«, antwortet das Mädchen neben mir. »Ich bin Cassandra, aber ich bevorzuge Cass. Und das sind Devin und Brandon.«

Dabei deutet sie zuerst auf den blonden Typen, bevor ihr Finger auf den Braunhaarigen zeigt. Die beiden könnten Zwillinge sein. Sie haben dieselben Statur und dieselben Gesichtzüge. Und ihre Lippen verziehen sich zu demselben Grinsen.

»Hope Adams«, sage ich und nicke ihnen freundlich zu.

»Von welcher Schule seid ihr denn?«, frage ich.

»Wir sind von der Water High. Aber die kennst du wahrscheinlich sowieso nicht. Wir sind nicht halb so skandalös, wie diese Schule hier.«

Wenigstens passt die Farbe ihrer Schule zu dem Namen, den sie haben. Bei uns ist es eimfach so, dass wir diese tiefroten und goldigen Farben tragen, weil das die Farben sind, die die meisten anderen nicht haben und wir so keine zweiten Kleidungsstücke haben müssen.

»Wie sind skandalös? Was hört man denn so von uns?«, frage ich interessiert, bevor ich einen kurzen Blick auf mein Handy werfe. In drei Minuten beginnt das Spiel und ich habe noch immer nichts von Ed gehört. Ist das sein verdammter Ernst?