31.

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Weil der Unterricht am Nachmittag nicht besonders spannend gewesen ist, hat er sich extrem in die Länge gezogen. Ich bin also auch dementsprechend müde. Und schlecht gelaunt. Ich mag es nicht, wenn ich müde bin und dann hasse ich immer die halbe Welt.

Also bin ich ungefähr doppelt so angepisst, als ich mir die Tür von Jane öffnen lassen muss. Nicht dieses Drama schon wieder.

»Mach Platz«, weise ich sie mit einem höflichen Lächeln an. Ich werde ganz bestimmt nicht fragen, ob ich reinkommen darf, wenn das hier mein verdammtes Zuhause ist. Zumindest jetzt noch. Außerdem verstehe ich nicht, wieso all diese komischen wir-wollen-Hope-ihren-Tag-verderben-Treffen in unserem Haus stattfinden müssen. Sie könnten auch draußen sitzen und abfrieren, doch dann fällt es mir schlagartig wieder ein.

Sie werfen uns ja praktisch auf unserem Haus. Es muss toll sein, damit leben zu können, wenn man sich so arschig aufführt.

Aber im Moment ist das noch immer mein Zuhause und deshalb tut es mir auch nicht leid, dass ich Jane ein Stück zur Seite schiebe, um eintreten zu können.

»Das ist wirklich nicht so schwer«, murmle ich mit einem säuerlichen Gesichtsausdruck. Sie hat aber auch keinen Funken Anstand. Fehlt nur noch, dass sie mir sagt, wie ich meine verdammten Schuhe hinstellen soll.

Aber ich mache mir gar nicht die Mühe, meine Schuhe auszuziehen, sondern spaziere direkt in das Wohnzimmer, wo Janes Daddy, also mein Vater, und Janes leibliche Mutter schon scherzen. Sie wollen mich doch verarschen.

»Wo ist Mom?«, unterbreche ich ihre Kitzelrunde mit einer kalten Stimme. Ehrlich, wie alt sind die? Fünf?

»Sie ist zur Arbeit gegangen und hat gesagt, dass wir es uns doch bequem machen sollten«, antwortet Janes Mutter auch schon. Ich kann praktisch spüren, wie mein Blut zu kochen beginnt. Wieso würde Mom das machen? Am Wochenende haben wir uns ja noch verstanden, also ist es keine Rache für mein schlechtes Verhalten. Will sie sich bei meinem Vater einschmeicheln? Bei Jane oder ihrer Mutter?

Ich verstehe sie einfach nicht mehr. Wir haben uns so gut von unserem alten Leben lösen können und jetzt steht er hier, als wäre es sein Haus. Ich meine, er hat es uns gekauft, aber auch nur, um uns zu bestechen. Ich kann echt nicht nachvollziehen, wie man so unfassbar manierlos sein kann. Er wollte uns einfach damit abschieben und jetzt, wo es doch nicht so schlecht ist, wie er wahrscheinlich vermutet hat, möchte er es wieder? Dreckskerl.

Aber natürlich werfe ich ihnen nichts davon an den Kopf, weil Janes Mutter so nett ist und in ihren Augen Freundlichkeit glänzt und ich sie nicht einfach so anbrüllen könnte, ohne dass mein schlechtes Gewissen mich umbringen würde. Scheiss Ding. Ich hätte schon längst alle herausgeschmissen, wenn ich kein Gewissen besässe.

Aber dann fällt mein Blick auf die Couch. Die Kissen sind anders angerichtet. Nicht. Ihr. Ernst. Ist ihnen jemals gesagt worden, dass es unhöflich ist, in fremden Häuser Dinge einfach anders zu platzieren? Und dann fallen mir noch eine Menge weitere kleine Details auf, die mich stören. Unsere Zimmerpflanze aus Plastik ist an einem anderen Ort. Die Fotoalben sind nun nach Grösse geordnet, wozu Mom und ich uns bestimmt niemals die Mühe gemacht hätten. Die Fernbedienungen sind direkt vor dem Fernseher abgestellt und nicht mehr auf dem Couchtisch.

»Tja, bequem ist hier wohl zu wörtlich genommen worden«, murmle ich und mache auf dem Absatz kehrt. Ich kann den Anblick von ihnen nicht mehr ertragen. Denn ich fühle mich, als wäre es ihr Zuhause. Als wäre ich eingedrungen, dabei ist es genau umgekehrt.

»Können wir reden, Hope?«, spricht mich Jane an, sobald ich wieder bei ihr im Gang bin und meine Schuhe wuterfüllt auf das Schuhbrett werfe. Ich bin den Tränen so nah und dann möchte sie auch noch reden? Aber ich schätze, dass es sowieso nicht mehr viel schlimmer werden kann.

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