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Es ist wirklich schwer, mein Hirn davon zu überzeugen, dass es keine gute Idee ist, Jane meinen Stift in die Nase zu stecken, damit sie erstickt. Vor allem aber ist es noch viel schwerer, mich von dem Gedanken abzulenken. Natürlich haben wir uns einen Platz ausgesucht -Jane hat das freiwillig übernommen - und jetzt sind wir alleine in einem leeren Gang. Umgeben von Spinden, Frieden und Leere. Ich kann nichts dafür, dass mich das so früh am Morgen schon kirre macht.

»Wollen wir anfangen?«, bricht Jane die Stille zwischen uns und wedelt mit dem Frageblatt vor meiner Nase herum. Ich bin keine Fliege. Sie muss mich nicht vertreiben. Gehen würde ich auch freiwillig. Ich meine, aus irgendeinem Grund wird Mrs. Philosophie ja gemerkt haben, dass zwischen Jane und mir nicht alles so glatt läuft wie sonst immer für die Prinzessin.

»Na klar«, antworte ich sarkastisch. Ich will rein gar nichts machen, besonders nicht mit Jane, aber was sein muss, muss sein.

»Okay«, übergeht sie meinen Unwillen aber einfach und streicht sich durch die Haare, damit sie ihr nicht vor den Augen herumhängen. »Gibt es irgendetwas, was in deiner Vergangenheit nicht abgeklärt worden ist?«

Das ist die erste Frage? Und Jane stellt sie gerade mir? Ich glaube, sie hat vergessen, wer da zu wem total mies gewesen ist.

»Nope. Bei dir?«, stelle ich mich also zu meinem eigenen Wohl dumm, einfach weil mir gerade nichts Besseres einfällt. Ich habe keine Lust, all die alten Wunden, die Jane mir seelisch zugefügt hat, wieder aufzureissen. Nicht, nachdem sie so lange gebraucht haben, um zu verheilen.

»Ja. Wir müssen reden, Hope. Wir hätten das eigentlich schon vor einer verdammt langen Zeit machen müssen.«

Wie bitte? Ich meine, ganz Unrecht hat sie nicht. Wir hätten unsere Probleme damals vielleicht aus der Welt schaffen sollen. Ich will wirklich nicht ständig mit irgendjemandem streiten müssen, aber sie kommt jetzt auf die Idee? Ich meine, wieso? Ich habe ihr wirklich nichts getan und sie scheint einfach auf meinen Gefühlen herumtrampeln zu wollen. Ich kenne Janes Absichten nicht und auch wenn sie gut sein könnten, wieso sollte ich ihr glauben? Sie hat anscheinend Jahre gebraucht, bis sie überhaupt gemerkt hat, dass da nicht alles ganz so perfekt ist, wir gewohnt.

Als ich nichts sage, sieht sie das wohl als ihre Chance, um das Wort erneut zu ergreifen. »Ich habe mir dieses Thema gewünscht, Hope. Ich kann so nämlich nicht mehr länger leben und wir sind wirklich alt genug, um uns endlich auszusprechen.«

Wir sind damals eigentlich schon genug alt gewesen, um gar kein so riesiges Drama veranstalten zu wollen. Aber natürlich werfe ich ihr das nicht an den Kopf.

Sie hat mich alleine gelassen. Jane hat mich einfach alleine gelassen. Wir sind beste Freunde gewesen, und das meine ich nicht im Sinne davon, dass sie meine einzigr Freundin gewesen ist. Beinahe das gesamte Cheerleaderteam und einige der Footballer haben mir das Gefühl von Angehörigkeit und Wohlbefinden gegeben. Und dann hat sie sich geändert. Plötzlich bin ich nicht mehr gut genug gewesen. Grundlos. Es hat nicht an meinem Aussehen oder Charakter gelegen, sondern schlichtweg an mir. Ich hätte mich niemals ändern können, denn ich habe nicht einmal ihr Problem gekannt.

Plötzlich bin ich das komische Mädchen geworden. Die Aussenseiterin. Der Nichtsnutz. Der Mensch, mit welchem niemand abhängen wollte. Sie hat mich nicht mehr angesehen. Keiner hat es mehr getan. Ich habe nicht mehr existiert. Weiß Gott wieso. Ihre Ignoranz ist nicht einmal das, was mich am Meisten gestört hat. Es ist einfach dieses ständige beklemmte Gefühl gewesen. Die Traurigkeit in meinem Herzen. Die leise Stimme in meinem Kopf, die mich ausgeschlossen hat. Ich habe meine sogenannten Freunde vielleicht ansehen mögen, aber ich habe nur Fassaden gesehen. Mir haben nur noch falsche Lächeln gegolten - wenn überhaupt.

ShadowWo Geschichten leben. Entdecke jetzt